Hamburg. Gewerkschaft beklagt in Brandbrief an Finanzsenator Dressel ungerechte Verträge. Terminalbetreiber wehrt sich gegen die Vorwürfe.

Lascher sind im Hamburger Hafen unverzichtbar. Sie zurren die Ladung auf den Schiffen fest oder lösen sie. Ihr Job ist sehr gefährlich. Sie klettern in schwindelerregender Höhe auf den riesigen Frachtern herum, um die hoch gestapelten Container voneinander zu lösen. Über ihren Köpfen schweben die tonnenschweren Boxen an den Klammern der Containerbrücken. Auch Unfälle passieren dann und wann, oft verbunden mit schweren Verletzungen.

Die Arbeit will nicht jeder machen, und diejenigen, die sie machen, wollen dafür entsprechend bezahlt werden. Und genau darüber gibt es Streit. Nun proben die Lascher den Aufstand. Grund ist, dass die Firmen in Hamburg, für die sie arbeiten, finanzielle Probleme haben, weil ihre Umsätze nicht mehr stimmen. Deshalb ist sogar von der Einführung sogenannter Beschäftigungssicherungs-Tarifverträgen die Rede. Über sie sollen die Arbeiter weniger Lohn erhalten, um zur Sanierung der angeschlagenen Unternehmen beizutragen.

Lascher beklagen Schlechte Konditionen für ihre Betriebe

Es gibt vier Lasch- und Stauerbetriebe in Hamburg: Paul Grimm, Transpack, die Hamburger Lasch GmbH (HLG) und Carl Tiedemann, die zusammen etwa 500 Lascher beschäftigen. Diese wiederum haben feste Grundgehälter und Zulagen und verdienen je nach Leistung im Schnitt zwischen 60.000 und 80.000 Euro im Jahr. Diese Summe müssen die Firmen aufbringen.

Sie sind Dienstleister für die großen Terminalunternehmen. Ihr Einsatz wird über Werkverträge geregelt. Somit liegt das Risiko beim Auftragnehmer, denn bezahlt wird nur nach ausgeführter Leistung. Diese Regelung hat sich insbesondere in der Corona-Pandemie als Problem erwiesen.

Weil sich die Abläufe im Hafen wegen der Containerstaus und fehlender Mitarbeiter verzögerten, konnten auch die Lascher nur weniger Container abfertigen. Weniger Leistung bedeutet in diesem Fall weniger Geld. Erste Werkverträge wurden gekündigt. „Aufgrund der stark eingeschränkten Produktivität während der Corona-Pandemie mussten die Lascher deutliche Einbußen hinnehmen, ohne dass sie darauf Einfluss hatten“, sagt ein Mitglied des Landesfachgruppenvorstands Maritime Wirtschaft bei der Gwerkschaft Ver.di.

Finanzsenator soll in Konflikt eingreifen

Die Arbeitnehmervertretung schlägt nun Alarm. Sie klagt den Terminalbetreiber HHLA an, der die Laschbetriebe beauftragt. Der Vorwurf: Der Hafenkonzern beschäftige die Laschunternehmen zu so schlechten Konditionen, dass sich diese in einer dauerhaft wirtschaftlichen Gefährdung befinden.

„Teilweise mussten die Laschbetriebe sogar draufzahlen, um für die HHLA Arbeiten auszuführen“, so der Fachgruppenvorstand. Ver.di hat nun im Namen des Arbeitskreises Lascher einen Brief an Hamburgs Finanzsenator An­dreas Dressel (SPD) sowie an den Aufsichtsratschef der HHLA, Rüdiger Grube, geschrieben. Die Gewerkschaft fordert Dressel dazu auf, in Gespräche mit den Laschern einzutreten.

Die Arbeitnehmervertretung wirft der HHLA nämlich auch vor, die Werkverträge so ausgestaltet zu haben, dass Mehrarbeit nicht belohnt wird. Steige die Produktivität der Lascher, streiche sich die HHLA einen Teil der Zugewinne selbst ein. So sei zum Bespiel für das Laschen von 192 Containern pro Schicht ein bestimmter Preis vereinbart worden. Werde die doppelte Menge abgefertigt, gebe es aber nicht die doppelte Summe.

Gewerkschaft wirft HHLA inakzeptables und unsoziales Verhalten vor

Gleiches gelte für die Jahresleistung der Lascher. Übersteige diese eine Million Container, überweise die HHLA für jeden abgefertigten Container 25 Cent weniger. Sind es mehr als 1,5 Millionen, reduziere die HHLA ihre Zahlungen sogar um 60 Cent pro Container. Drittens beklagen die Lascher, dass sie zu zusätzlichen Arbeiten ohne Bezahlung herangezogen würden. Dazu zähle das An- und Abklemmen des Stromanschlusses von Kühlcontainern.

In dem Schreiben der Gewerkschaft, das dem Abendblatt vorliegt, heißt es: „Für einen Konzern, der zu fast 70 Prozent in städtischer Hand ist, ist dies ein inakzeptables und unsoziales Verhalten. Das lässt sich nicht mit den Werten der Hansestadt Hamburg und ihrer Bürger vereinbaren.“ Die Zeit dränge. Aktuelle Verhandlungen auf betrieblicher Ebene seien aus Sicht der Hafenarbeiter nicht aussichtsreich, geschweige denn zufriedenstellend. „Wir fordern den Senat dazu auf, dass er seiner Kontrollfunktion als Mehrheitseigner nachkommt und aktiv daran mitarbeitet, die Laschbetriebe in eine bessere Zukunft zu führen“, so der Landesfachgruppenvorstand.

Laschbetriebe wollen sich nicht äußern

Ver.di hat inzwischen sogar eine Petition gestartet, für die in allen Hafenfirmen Unterschriften gesammelt wird. Die Forderung: ein Spitzengespräch mit den Entscheidern von HHLA und Senat. „Wir, die Hafenarbeiter der Laschunternehmen im Hamburger Hafen, haben in der Vergangenheit fast alle auf einen Teil unseres Lohns verzichtet, um unsere Arbeitsplätze zu sichern.“

Die Laschbetriebe selbst wollen sich nicht äußern, obwohl ja eigentlich sie diejenigen sind, die unter den Einnahmeausfällen leiden, weniger ihre Arbeitnehmer, die feste Löhne und Gehälter haben. Die Firmen stecken aber in Gesprächen mit der HHLA, die sie nicht gefährden wollen. Julian Sippel, geschäftsführender Gesellschafter der Paul Grimm Maritime Solutions, erklärte auf Anfrage des Abendblatts: „Dazu sagen wir nichts.“ Die drohende Einführung eines Beschäftigungssicherungs-Tarifvertrags sei aber zunächst vom Tisch.

HHLA weist Vorwürfe zurück, ist aber offen für Gespräche

Die HHLA hingegen äußert sich. Sie räumt ein, dass es im Zuge der Pandemie schwierige Zeiten für die Lascher gegeben habe, weist aber den Vorwurf zurück, unseriöse Verträge abgeschlossen zu haben. Ein Unternehmenssprecher sagte: „Unter Berücksichtigung der auf unseren Terminals infolge der gestörten Lieferketten zuletzt bestehenden herausfordernden Situation hat die HHLA eine Vereinbarung mit den Laschfirmen für die Jahre 2022 bis 2024 ausgehandelt. Selbstverständlich sind wir im Interesse einer konstruktiven Zusammenarbeit offen für weitere Gespräche.“

Auch Finanzsenator Andreas Dressel sagte dem Abendblatt, er sei offen für ein Gespräch „zu gegebener Zeit“. Inhaltlich wollte er sich aber nicht festlegen.