Hamburg. Die „Osteriff“ sollte schon 2018 in Dienst gestellt werden und wird dringend gebraucht. Nun soll das Schiff fertig gebaut werden.

Es könnte eine Geschichte aus Schilda sein, wenn nicht der Hintergrund so ernst wäre: Hamburgs Hafenunternehmen müssen derzeit ihre Reedereikunden auf der ganzen Welt informieren, dass die bei der Elbvertiefung gewonnenen Freiheiten für größere Schiffstiefgänge doch nicht gehalten werden können. Wie berichtet, verschlickt die Elbe derzeit massiv, und dem Bund fehlen die Kapazitäten, um die Fahrrinne auf das erforderliche Maß auszubaggern.

Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes hat zwei Baggerschiffe ausländischer Unternehmen beauftragt, die im Kampf gegen den Schlick nun im Dauereinsatz auf der Elbe fahren. Doch deren Leistungsvermögen reichen nicht aus, um die notwendige Tiefe herzustellen. Dabei könnte das Problem rasch ein Stück weit entschärft werden. Im Hamburger Hafen liegt ein nagelneues, fast fertig gebautes Baggerschiff, das seit einem Jahr beschäftigungslos vor sich hin gammelt.

Hafen Hamburg: Ausdockung der „Osteriff“ war unmöglich

Mit dem Bau der „Osteriff“, eines hochmodernen Saugbaggers mit einer Länge von 132 Metern und einem Ladevolumen von 7500 Kubikmetern Baggergut, hatten die Behörden bereits Ende 2016 die Hamburger Pella Sietas Werft beauftragt. Die Fertigstellung sollte bereits Ende 2018 sein. Doch immer wieder kam es zu Verzögerungen. Erst weil die Auftraggeber Änderungswünsche hatten, später weil ausgerechnet der Schlick dem Projekt in die Quere kam.

Denn die Sedimente in den Hafenbecken der inzwischen insolventen Werft an der Este-Mündung hatten sich so hoch aufgetürmt, dass eine Ausdockung der „Osteriff“ nicht möglich war. Fast ein Jahr lang kämpfte die Werft mit den Hamburger Behörden darum, eine Baggergenehmigung zu erhalten. Erst ein Machtwort von Wirtschaftsstaatsrat Andreas Rieckhof führte eine Einigung herbei.

Arbeiten an „Osteriff“ wurden eingestellt

Dann kam es mit dem Bund zu Auseinandersetzungen über die Mehrkosten. Erst im Oktober 2020 konnte die „Osteriff“ schließlich gemeinsam mit ihrem Dock aus der Este in den Dradenauhafen an der Elbe verlegt werden, um dort dann aufzuschwimmen. Im Juni vergangenen Jahres wurde der Saugbagger zum Endausbau und zur Erprobung zur Werft Blohm+ Voss (B + V) verholt.

Dort liegt er seitdem – zu mehr als 80 Prozent fertig gebaut. Doch nichts geht voran. Der Grund dafür ist, dass die Werft Pella Sietas nur wenige Wochen nach der Verlegung Insolvenz anmeldete. Die Arbeiten an der „Osteriff“ wurden eingestellt. Und dabei hatte der Bund schon annähernd 90 Millionen Euro für das Schiff gezahlt. Das ist 15 Monate her.

„Die Bagger werden nach Leistung bezahlt"

Um die Elbe dennoch so weit als möglich frei zu halten, hat der Bund von der niederländischen Firma van Oord die Baggerschiffe „HAM 316“ und „Vox Ariane“ angemietet, die jeden Tag in der Woche 24 Stunden im Einsatz sind, um die Schlickablagerungen aus der Elbe zu transportieren. Wie viel das kostet, geben die Behörden nicht preis.

„Die Bagger werden nach Leistung bezahlt, also nach gebaggerten Mengen und transportierten Entfernungen.“ Das ist alles, was eine Sprecherin der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) auf Anfrage mitteilte. Experten gehen von hohen Millionenbeträgen aus. Allein Hamburg wendet für Schlickentfernung jährlich zwischen 90 und 100 Millionen Euro auf.

Kritik auch aus der Hafenwirtschaft

„Nagelneue staatliche Ressourcen gammeln vor sich hin, während für viel Steuergeld gleichwertiges Gerät eingechartert wird. Die Nassbaggerunternehmen lachen sich kaputt. Hamburg und die Elbe sind wahre Pfründe für sie“, sagt etwa der Hafenexperte Ulrich Malchow. Auch aus der Hafenwirtschaft kommt Kritik: „Es ist unverständlich, warum ein dringend benötigtes Baggerschiff mehr als ein Jahr nicht genutzt werden kann, weil der Fertigbau auf sich warten lässt“, sagt ein Unternehmer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte.

Von den Bundesbehörden heißt es dazu lediglich: „Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes arbeitet seit der Insolvenz von Pella Sietas gemeinsam mit der Insolvenzverwaltung der Werft an einer Lösung, den Laderaumsaugbagger fertigzustellen und zum Einsatz zu bringen.“

„Die russischen Gesellschafter sind endgültig raus"

Der Insolvenzverwalter der Pella Sietas Werft, Achim Ahrendt, hat hingegen zwei gute Begründungen für die Verzögerung: Zunächst hatte die Insolvenz dazu geführt, dass der Werft keine Mitarbeiter und keine finanziellen Mittel mehr zur Fertigstellung des Schiffes zur Verfügung standen. Als Ahrendt mitten in Verhandlungen mit anderen Werften war, kam eine zweite Erschwernis hinzu: die nach dem Überfall auf die Ukraine erlassenen Sanktionen gegen Russland.

Die Pella Sietas Werft hatte bis zu ihrer Insolvenz mit der Pella-Gruppe russische Eigentümer. „Da gab es Bedenken bei den Behörden, ob das Schiff veräußert werden könne“, sagte Ahrendt dem Abendblatt. Inzwischen seien diese Probleme aber gelöst. „Die russischen Gesellschafter sind nun endgültig raus. Wir können die Arbeiten an dem Schiff in Kürze wieder aufnehmen.“

Voraussichtlich wird die „Osteriff“ bei Blohm+Voss fertig ausgerüstet

Kritik kommt dennoch vom Unternehmensverband Hafen Hamburg (UVHH). „Auch solche Verfahren dauern zu lange“, sagt UVHH-Präsident Gunther Bonz. „Die Hafenwirtschaft benötigt dringend die nach der Elbvertiefung eingeführten Tiefgänge. Es muss alles unternommen werden, diese rasch wiederherzustellen.“

Eine Werft zur Fertigstellung des Baggerschiffs hat Ahrendt schon gefunden – nämlich genau die, bei der das Schiff jetzt bereits liegt. Nach Informationen des Abendblatts befindet sich der Insolvenzverwalter in letzten Gesprächen mit Blohm+Voss. Dort soll die „Osteriff“ fertig ausgerüstet und die Inbetriebnahme vorbereitet werden.

Hafen Hamburg: Containerschiffe dürfen Tiefgang von 12,20 Metern haben

Die Zeit drängt: Am vergangenen Dienstag hat die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes in einer Allgemeinverfügung den Schiffsverkehr auf der Elbe neu geregelt und die Erleichterungen durch die Elbvertiefung weitgehend zurückgenommen. Die riesigen Containerschiffe mit 400 Meter Länge dürfen demnach tideunabhängig nur noch einen Tiefgang von 12,20 Metern haben anstatt 13,50 Meter wie bisher.

Zur Begründung heißt es in der Verfügung: „Derzeit sind in der Elbe verstärkte Sedimenteinträge großflächig in Fahrrinnen- und Fahrwasserabschnitten und insbesondere im Böschungsbereich erkennbar.“ Die Behörden benötigen dringend ein weiteres Baggerschiff.