Hamburg. Der Vorwurf: Angaben am Regal stimmen oft nicht mit Kassenzettel überein. Was Hamburger Discounter und Verbraucherschützer sagen.

Milch, Mehl oder Eier – die Preise für nahezu alle Lebensmittel haben sich in den vergangenen Monaten drastisch erhöht. Die Inflation liegt mittlerweile bei gut zehn Prozent. Die Folge: Immer mehr Kunden greifen im Supermarkt oder Discounter zum Sonderangebot. Und viele Hamburger prüfen nach dem Einkauf den Kassenbon.

Nicht wenige stellen dann fest: Die Angaben am Regal oder in den Prospekten stimmen nicht mit den tatsächlich gezahlten Preisen für Tomaten, Müsli oder andere Produkte überein.

Preis-Wirrwarr in Supermärkten

„Uns werden viele falsche Preisauszeichnungen gemeldet“, sagt Carolin Groth von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Zum Beispiel, dass ein Produkt laut Prospekt oder laut App im Angebot ist, aber das Preisschild im Handel noch nicht angepasst wurde.“

Unterschiedliche Preise am Supermarktregal und auf dem an der Kasse ausgehändigten Bon entdeckten Kunden bei praktisch allen Händlern, ob Penny, Rewe, Netto oder Lidl, wie die Verbraucherschützer bestätigen. Betroffen sind nach den Angaben dabei Filialen in mehreren Stadtteilen.

Inflation: Einige Unternehmen äußern sich nicht zu falschen Preisen

Bei den Meldungen, die bei der Verbraucherzentrale von Kunden eintrafen, handelt es sich um ganz verschiedene Beobachtungen: In Winterhude ging es in einem Supermarkt um einen falschen Preis bei Spielzeug, in Harburg bemerkten Kunden, dass reduzierte Saucen und Säfte an der Kasse plötzlich teurer waren, bei einem Discounter in Volksdorf handelte es sich nach Angaben der Käufer um Fisch, der auf dem Bon einen höheren Preis hatte als am Regal ausgezeichnet.

Auf Abendblatt-Nachfrage, wie die Fehler zu erklären seien, reagieren einige Unternehmen gar nicht. Vom Discounter Netto, der zu Edeka gehört, hieß es zu angeblichen Preis-Unregelmäßigkeiten, die der Verbraucherzentrale gemeldet worden waren: „Die von Ihnen geschilderten vermeintlich uneinheitlichen Preisauszeichnungen entsprechen in keiner Weise unseren Unternehmensvorgaben und bedauern wir sehr.“ Zu einem optimalen Einkaufserlebnis gehöre selbstverständlich „eine korrekte, einheitliche Preisauszeichnung“, sagte Christina Stylianou, die Leiterin der Unternehmenskommunikation von Netto Marken-Discount.

Inflation: Kurioser Aushang bei Edeka

Kurios erscheint ein Fall in Langenhorn: Eine Frau hatte sich bei Edeka Hollender im Krohnstieg Center über einen Hinweis neben den Kassen gewundert. Der Aushang richtete sich an die Kundschaft: „Liebe Kunden, aufgrund der hohen Inflation kann es zu Differenzen von ausgezeichneter Ware vom Regal an der Kasse kommen. Vielen Dank für Ihr Verständnis“. Mit dieser Beobachtung wandte sich die Hamburgerin an die Verbraucherzen­trale.

Auf eine entsprechende Abendblatt-Anfrage reagierte Edeka wie folgt: „Bei Edeka Hollender im Krohnstieg Center werden die Preise über elektronische Etiketten am Regal ausgezeichnet“, schreibt ein Sprecher des Handelsunternehmens. Das heißt: Eine Preisdifferenz zwischen Etikett/App und Kasse könne eigentlich nicht vorliegen – denn die Informationen kämen aus einem identischen System.

„Edeka Hollender hat uns aber bestätigt, dass der Aushang im Kassenbereich hing“, ergänzte der Sprecher. „Leider kann aktuell nicht nachvollzogen werden, wer diesen platziert hat.“ Aufgrund der beschriebenen technischen Voraussetzung im Markt sei der Aushang inhaltlich falsch und entfernt worden.

Kein Recht auf den Preis vom Preisschild

Laut Verbraucherschützerin Carolin Groth lief die Notiz, die an der Kasse bei Edeka hing, ohnehin ins Leere: „Falsche Preisauszeichnungen widersprechen der Preisangabenverordnung. Darauf hinzuweisen, dass sich hier falsche Preisauszeichnungen an den Regalen befinden, befreit einen nicht von dieser Verordnung“, so die Lebensmittelexpertin mit Blick auf die Pflichten der Händler.

Wie sollte man sich im Supermarkt verhalten, wenn man einen offenbar falsch ausgezeichneten Preis vorfindet? Zunächst gilt grundsätzlich: Kunden werden bei einer Diskussion an der Kasse möglicherweise den Kürzeren ziehen. Denn sie haben nicht das Recht, auf den Preis am Regal zu pochen.

„Rechtlich gesehen kommt erst an der Kasse der Kaufvertrag zustande, daher ist der Preis an der Kasse der bindende“, beschreibt die Verbraucherschützerin die gesetzliche Lage. „Es besteht kein Recht auf den Preis auf dem Preisschild.“

Nicht nur im Supermarkt gibt es falsche Preise

Mit Preisschildern sei es wie mit Angeboten im Schaufenster oder Internet: Sie laden Kunden und Kundinnen lediglich zum Kauf ein. Wenn der Einzelhändler dann auf den Wunsch eingehe, den niedrigeren Preis zu gewähren, geschehe dies aus reiner Kulanz. Es ist also wichtig, den Kassenbon vor Ort zu kontrollieren, um gegebenenfalls schnell reagieren zu können. Wer den höheren Preis an der Kasse nicht bezahlen will oder kann, hat dann die Möglichkeit, den Kauf rückgängig zu machen. Wem erst zu Hause Preisunterschiede auffallen, der ist wiederum auf die Kulanz des Händlers angewiesen.

Nicht nur im Supermarkt, auch bei anderen Händlern stoßen Kunden beim Bezahlen auf Fehler. Bei einem Kaufhaus in Hamburg kam es kürzlich zu einem solchen Fall in der Spielzeugabteilung. Die-drei-???-Geheimschrift war mit 3,99 Euro am Regal ausgezeichnet. An der Kasse sollte die minderjährige Kundin aus Sasel für die Zaubertinte dann 6,99 Euro von ihrem Taschengeld zahlen, ein herber Schlag.

„Das ist nur die Spitze des Eisbergs“

Erst nach Rückfragen des Vaters ging die Kassiererin auf den Wunsch nach dem niedrigeren Preis ein. Das Produkt sei zwar im Warenwirtschaftssystem mit 6,99 Euro aufgeführt, aber man wolle in diesem Fall kulant sein, hieß es.

Das Preiswirrwarr-Phänomen, das Kunden derzeit in Hamburg beobachten, gab es auch schon früher. Allerdings führe derzeit offensichtlich die Preis-Sensibilität wegen der hohen Inflation dazu, dass die Ungereimtheiten aktuell häufiger auffielen, vermuten Marktbeobachter. Im ganzen Bundesgebiet, neben Hamburg auch häufig in Berlin, melden Kunden derzeit ihre negativen Erlebnisse beim Blick auf den Kassenbon.

„Das ist nur die Spitze des Eisbergs“, vermutet Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. Schließlich fielen die falsch ausgezeichneten Preise nur den Käufern auf, die ihre gezahlten Beträge auf der Quittung auch nachträglich kontrollierten. Valet hat selbst noch in den vergangenen Tagen bei einem Discounter zwei falsch ausgezeichnete Preise gesehen. Hier waren Sonderangebote für den nächsten Tag bereits am Regal ausgewiesen, aber nicht in der Kasse registriert. Valet geht von „mangelnder Sorgfaltspflicht“ der Ladenbetreiber aus.

Inflation als Ausrede für Preis-Wirrwarr

Zudem nutzten viele die Inflation als Begründung, höhere Preise zu verlangen. Um satte 18,7 Prozent sind die Lebensmittelpreise nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im September 2022 zum Vorjahresmonat gestiegen. Die größten Preissprünge gab es bei Grundnahrungsmitteln. Fleisch und Käse, aber auch Mehl, Butter, Öl und Eier waren am stärksten betroffen. Hier fällt der Verzicht besonders schwer – weshalb die Kunden aktuell auch noch stärker in Prospekte schauen oder entsprechende Apps der Lebensmittelhändler mit Werbeangeboten nutzen.

Auf Handzetteln finden die Verbraucher Aktionsartikel, die in einer bestimmten Woche reduziert sind, in Kunden-Apps wiederum können Haushalte Coupons nutzen, mit denen einzelne Produkte für die Nutzer der jeweiligen Apps günstiger werden. Auch in Kundenmagazinen finden sich neben Informationen zu Lifestyle-Themen häufig Coupons zum Ausschneiden, die an der Supermarktkasse bares Geld wert sein können.

Weitere Erklärung für Preis-Wirrwarr in Supermärkten

Zum Preis-Wirrwarr trägt offensichtlich auch die manchmal komplizierte Struktur der Handelsunternehmen bei: So sind bei Rewe und Edeka verschiedene Kaufleute für ihre Märkte verantwortlich. Hier können verschiedene Prospekte mit Rabatten, die nur in ganz bestimmten Läden gelten, für Verwirrung sorgen.

Lebensmittel dürften in den kommenden Monaten übrigens noch teurer werden. So hat Nestlé, der weltgrößte Nahrungsmittelkonzern mit Marken wie Nesquik, Wagner Pizza oder Felix Katzenfutter, gerade angekündigt, seine Preise erneut anheben zu wollen.

Allerdings gibt es zwischen Herstellern und Händlern immer wieder Streit um die Konditionen. Die Folge: Manche Markenprodukte werden in bestimmten Läden gar nicht mehr angeboten. Neben dem Preis-Wirrwarr ist dies eine weitere Herausforderung, vor der aktuell viele Kunden stehen. Einkaufen in Zeiten hoher Inflationsraten – kein allzu einfaches Unterfangen.