Hamburg. Fünf Standorte in Hamburg sollen geschlossen werden. Können Mietminderungen helfen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Kahlschlag oder Sanierungsversuch? Nach der Ankündigung von Galeria Karstadt Kaufhof, in Hamburg vier der sieben Kaufhäuser sowie die Karstadt-Sports-Filiale an der Mönckebergstraße zu schließen, sitzt der Schock bei Beschäftigen, Kunden und Politikern tief.
Bundesweit steht auf der Streichliste der letzten deutschen Warenhauskette mindestens ein Drittel der 172 Kaufhäuser. Außerdem droht 20 der 30 Sporthäuser das Aus. Allein in Hamburg sind 450 Arbeitsplätze betroffen.
Die Gewerkschaft Ver.di und die Beschäftigten hoffen noch auf eine Rettung in letzter Minute. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wie kam es zu der Krise?
Auslöser für die dramatischen Schließungspläne sind nach Angaben von Galeria Karstadt Kaufhof Milliardenausfälle im Zuge der Corona-Pandemie. Tatsächlich hat der Shutdown die Krise des Warenhauskonzerns nur verschärft. Die Ursachen für die Schieflage des Unternehmens, das im vergangenen Jahr aus den ehemaligen Konkurrenten Karstadt und Kaufhof entstanden war, sind vielschichtiger. Einerseits hat sich das Einkaufsverhalten von einem Angebotsmarkt zu einem Nachfragemarkt entwickelt. Da kann selbst ein großes Kaufhaus nicht mit dem Internet mithalten. Außerdem haben die zahlreichen Besitzerwechsel zunächst Karstadt und dann auch Kaufhof finanziell massiv zugesetzt. Weniger Personal, wenig moderne Gebäude und reduzierte Auswahl führten zu Kundenschwund. Und trotz des Neustarts unter dem Dach der Signa-Gruppe von René Benko fehlt bislang ein schlüssiges Zukunftskonzept.
Welche Pläne gibt es für die Hamburger Galeria-Häuser?
In Hamburg droht den beiden Kaufhof-Filialen an der Mönckebergstraße (160 Beschäftigte) und im Alstertal-Einkaufszentrum (120) die Schließung sowie Karstadt in Wandsbek (110) und in Bergedorf (60). Auch für Karstadt Sports an der Mönckebergstraße (110) sieht der Konzern offenbar keine Zukunftschancen. Bislang äußerte sich die Unternehmensleitung in Essen allerdings nicht zu den konkreten Gründen für das Aus einzelner Standorte.
Als Termin für die Schließung ist der 31. Oktober im Gespräch. Erhalten bleiben sollen Karstadt an der Mönckebergstraße sowie die Häuser in Eimsbüttel und Harburg. Auch für Karstadt Sports im Harburger Phoenix-Center gibt es Hoffnung. Aktuell laufen Verhandlungen über Mietnachlässe mit dem Vermieter, der ECE Gruppe.
Wem gehören die Hamburger Häuser?
Es zeichnet sich ab, dass die Vermieter eine entscheidende Rolle für die Zukunft der Warenhäuser spielen – diese halten sich allerdings sehr bedeckt. Nach Recherchen des Abendblatts sind es in Hamburg folgende Unternehmen: Württembergische Versicherung (Kaufhof Mö), Ärzteversorgung Berlin (Karstadt Sports Mö), Union Investment (Karstadt Wandsbek), Quantum Immobilien (Karstadt Mö und Osterstraße).
Die ECE-Gruppe vermietet die Flächen im Auftrag von verschiedenen Eigentümern, darunter die Familie Otto und der Zigarettenkonzern BAT (Kaufhof AEZ) und die Deusche Euroshop und die Familie Otto (Karstadt Sports Phoenix Center). Die Immobilien in Bergedorf und Harburg gehörten bis Juli 2019 dem Immobilienkonzern RFR Holding. Jetzt ist in Bergedorf und offensichtlich auch in Harburg die 3D Vermögensverwaltung aus Bad Honnef Eigentümer.
Was sagt die Politik?
Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) nannte die angekündigten Schließungen „sehr bedauerlich“. „Die Warenhäuser sind wichtige Ankerpunkte in der Innenstadt und den Bezirkszentren mit großer Strahlkraft auf die umliegenden Geschäfte. Deshalb ist es unser Ziel, dass möglichst viele Häuser und Arbeitsplätze erhalten bleiben.“
Hinter den Kulissen hat sich die Behörde nach Informationen des Abendblatts in Gespräche mit Vermietern über mögliche Nachlässe eingeschaltet. Dennis Thering, Vorsitzender der CDU-Bürgerschaftsfraktion, kritisierte, dass GaleriaEigner René Benko gleichzeitig das Milliardenprojekt Elbtower finanziert, während Hunderte Beschäftigte in Hamburg auf die Straße gesetzt werden. „Soziale Verantwortung stelle ich mir anders vor.“ Um zu verhindern, dass die Häuser lange leer stehen, forderte er vom Senat, Perspektiven mitzuentwickeln. „Hier darf sich der rot-grüne Senat nicht aus der Verantwortung stehlen.“
Wie reagieren Gewerkschaft und Betriebsräte?
Bei den Beschäftigten sind Trauer und Wut groß. „Es gibt immer noch keine Informationen darüber, warum unser Haus geschlossen werden soll“, sagt etwa Mark-Oliver Thöne, Betriebsratsvorsitzender in Wandsbek. Er hat jetzt einen Brief an die Konzernleitung geschrieben.
Mut machten die Reaktionen der Kunden. Am Sonnabend, einen Tag nachdem die Streichliste bekannt geworden war, habe es einen Kundenansturm gegeben. „Im Vergleich zum Vorjahr hatten wir ein Umsatzplus von 30 Prozent.“ Auch die Gewerkschaft hofft weiter darauf, Schließungen abzuwenden. „Wir kämpfen um jeden Standort. Wir versuchen mit Vermietern und Politikern Kontakt aufzunehmen und konkrete Gespräche zu führen“, sagte Heike Lattekamp, Fachbereichsleiterin Handel bei Ver.di in Hamburg.
Die Zeit drängt. Am 30. Juni läuft das Schutzschirmverfahren aus, in das sich Galeria Karstadt Kaufhof Ende März gerettet hatte. Danach gilt das Insolvenzrecht. Auch deshalb wollen Arbeiternehmervertreter und Gewerkschaft weitere Protestaktionen an den Hamburger Standorten organisieren.
Was erwartet die Beschäftigten der Warenhäuser, die geschlossen werden?
Ver.di schreibt sich auf die Fahnen, bei Verhandlungen über das Sanierungskonzept für die bundesweit knapp 6000 betroffenen Mitarbeiter eine Transfergesellschaft für einen sechsmonatigen Übergangszeitraum ausgehandelt zu haben. Bitter für die Betroffenen, die seit Jahrzehnten bei Kaufhof oder Karstadt sind, ist die Höhe der Abfindungen. Wegen des laufenden Insolvenzverfahrens werden diese voraussichtlich nur das 1,5-Fache des letzten Monatslohns betragen.
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Am Mittwoch und Donnerstag soll den Betriebsräten in Köln Sozialplan und Interessenausgleich vorgestellt werden. Große Hoffnungen, in anderen Filialen einen neuen Job zu finden, können sich die Beschäftigten kaum machen. Zwar konnte die Gewerkschaft den geplanten Abbau von zehn Prozent des Personals an den 110 verbleibenden Standorten verhindern – aber angesichts der schwierigen Corona-Situation gibt es aktuell wenig Fluktuation im Handel.
Welche Folgen hätte die Schließung der fünf Häuser für das Umfeld?
Vor allem in der Hamburger Innenstadt ist der Verlust von zwei wichtigen Einkaufsmagneten am Anfang der Mönckebergstraße ein schwerer Schlag. City-Managerin Brigitte Engler sagte: „Das ist beängstigend.“ Es werde heute kaum noch möglich sein, so große Flächen als Gesamtheit zu vermieten. Schon vor der Corona-Pandemie hatten mehrere Händler zwischen Bahnhof und Gänsemarkt aufgegeben. Sie schlägt daher vor, die oberen Stockwerke zu Wohnungen umzubauen.
Auch in Bergedorf gibt es Ängste, dass die Schließung sich negativ auswirkt. „Karstadt hat eine herausragende Bedeutung für die Frequenz und das Sortiment unserer gesamten City“, hatte Marc Wilken, Geschäftsführer des Bergedorfer Wirtschaftsverbands WSB, bereits vor einiger Zeit gesagt. Ähnlich die Befürchtungen des Wandsbeker Bezirksamtsleiters Thomas Ritzenhoff: „Ich bedaure die Schließungen. Die Karstadt-Filiale ist seit Jahrzehnten ein wichtiger Anlaufpunkt und neben dem Quarree ein zentraler Anker für die Einzelhändler am Wandsbeker Markt. Ich hoffe, dass für die Beschäftigten gute, soziale Lösungen gefunden werden.“
Etwas positiver beurteilt Holger Gnekow, Vorsitzender der Interessenvertretung City Wandsbek, die Lage. „Für so ein wertvolles Grundstück wird sich eine Alternative finden.“ Die Kundenfrequenz bei Karstadt habe in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen. Der Grund: „Die Menschen finden das Sortiment auch im Einkaufszentrum und in den Geschäften nebenan.“