Hamburg. Aussteiger möbelt alten Kornspeicher in Hamburgs Westen auf. Der Eröffnungstermin ist genauso ungewöhnlich wie die Vita des Chefs.

  • Im Grenzgebiet zwischen Ottensen und Othmarschen hat im vergangenen Herbst ein kleines Eiscafé eröffnet
  • Das Eishörnchen ist in einem kleinen Turm untergebracht und gerade bei Kindern beliebt

Mitten im Herbst ein neues Eiscafé eröffnen? Das muss man sich erstmal trauen. Während die meisten Eisdielen sich schon in die Winterpause verabschiedet haben, startete Stefan Timm im vergangenen Herbst durch. „Es ist ein ungewöhnlicher Termin, aber wir sind auch ungewöhnlich“, sagt er. Eishörnchen hat er den kulinarischen Neuzugang genannt, der ein bisschen versteckt im Grenzgebiet zwischen Ottensen und Othmarschen inmitten von Obstbäumen liegt.

Noch ist das kleine Gartenlokal mit den bunten Fähnchen ein Geheimtipp. „Wir machen keine Werbung“, sagt Neu-Gastronom Timm. „Aber wir merken, dass es sich rumspricht, dass es uns gibt.“ Bei schönem Wetter, vor allem am Wochenende, stehen große und kleine Eisfans Schlange vor dem Verkaufskiosk, die Plätze an den schlichten Holztischen sind gut gefüllt.

Eishörnchen Hamburg: Ein kaum bekannter Ort

„Wir haben einfach darauf gesetzt, dass es funktioniert“, sagt Stefan Timm. Auch wenn er oft „wir“ sagt, der Hamburger ist die maßgebliche Kraft hinter dem Eishörnchen. Seit zehn Jahren lebt er mit seiner Familie im sogenannten Tantenhaus auf dem Areal des historischen Röperhofs direkt nebenan. Das große denkmalgeschützte Reetdach-Haus ist schon lange zu einem Gasthof umgebaut, der sehr beliebt ist und häufig für Familienfeiern genutzt wird.

Die Rückseite des Grundstücks ist mehr oder weniger ungenutzt. Ein kaum bekannter Ort, mit Schrebergärten und der Einfahrt in den Elbtunnel in direkter Nachbarschaft. Mittendrin ein ehemaliger Getreidespeicher aus den 1930er Jahren, der jahrzehntelang als Lager genutzt wurde und völlig runtergekommen war. „Ich habe immer darauf geguckt und gedacht, da könnte man was draus machen“, sagt Timm.

Immer den Wimpeln nach: Das Eishörnchen liegt oberhalb der A7 zwischen Röperhof und Schrebergärten.
Immer den Wimpeln nach: Das Eishörnchen liegt oberhalb der A7 zwischen Röperhof und Schrebergärten. © HA

Eishörnchen: Besitzer wagt kompletten Neustart

Dafür, dass aus der vagen Idee schließlich ein konkreter Plan wurde, kamen mehrere Dinge zusammen. Seine Schwiegereltern Christoph und Friederike Mühlhans, die als Pächter und Verwalter seit Jahrzehnten für den Erhalt des denkmalgeschützten Röperhofs zuständig sind und ebenfalls auf dem Gelände wohnen, hatte der Gründer Kontakt zur Röperschen Familienstiftung. Schnell kam von dort das Plazet, den ungenutzten Speicher zu einem Café umzubauen.

Für Stefan Timm ein kompletter Neustart. Der 44-Jährige hat mal Tourismusmanagement studiert, danach ein kleines Reisebüro geführt. Mehr als zwölf Jahre arbeitete er als Berater in der Baufinanzierung, zuletzt bei einer Hamburger Bank. „Ich wollte in meiner zweiten Lebenshälfte etwas mit den Händen arbeiten“, erklärt der zweifache Vater, der mit einer Lehrerin verheiratet ist. Als sich die Chance für einen eigenen Betrieb auf dem Röperhof ergab, kündigte er seinen Job in der Finanzbranche.

Eishörnchen Röperhof: Turm wurde aufgestockt

Das war 2021. Seitdem hat Stefan Timm seine gesamte Zeit in das Projekt Eishörnchen gesteckt. Tagelang schaffte er Müll und Schutt aus 40 Jahren aus dem alten Gebäude, darunter kaputte Kotflügel, Glasscherben und sogar tote Marder. „Der Entwurf für den Umbau stammt von meinem Schwiegervater“, sagt er. Das Gebäude ist nicht denkmalgeschützt, sollte aber den ursprünglichen Charakter wieder bekommen.

Nachdem das Bauamt die Pläne genehmigt hatte, legte er los. Er stockte den oberen Teil des kleinen Turms auf, verschalte ihn mit Holz, baute unten Fenster und Türen ein, verlegte Fußböden und eine Wandheizung. „Ich habe fast alles in Eigenarbeit und mit Hilfe meiner Familie und einem guten Freund gemacht“, sagt Timm. Unter anderem schweißte sein 18-jähriger Sohn die Treppe. Nach und nach entstand das, was heute das Café Eishörnchen ist.

Interieur stammt von insolventen Biergärten

Im Erdgeschoss steht der Eistresen, eine große Kaffeemaschine und was man sonst noch so braucht für den Café-Betrieb. Im Keller sind Lagerflächen. Was künftig im Obergeschoß passieren soll, ist noch offen. Erstmal gibt es dort einen großen Tisch mit Platz für Besprechungen. Alles in allem hat Timms Türmchen eine Fläche von knapp 50 Quadratmetern.

Die gebraucht gekaufte Einrichtung wurde liebevoll restauriert.
Die gebraucht gekaufte Einrichtung wurde liebevoll restauriert. © HA | Hanna-Lotte Mikuteit

„Fast die gesamte Einrichtung habe ich gebraucht gekauft“, sagt der Gastronom. Die Tische und Stühle etwa kommen von einem Händler, der das Inventar von insolventen Biergärten weiterverkauft. Alles in allem hat die Familie eine sechsstellige Summe in das Umbauprojekt investiert. „Als wir fertig waren, haben wir eröffnet.“ Und das war am 1. Oktober 2022.

Eishörnchen bezieht Eis von der Konkurrenz

Dass das Geschäft so gut anläuft, hat auch mit dem besonderen Eisangebot zu tun. Für 1,80 Euro pro Kugel gibt es eine täglich wechselnde Auswahl von Eisklassikern wie Vanille über Bestseller wie Walnuss- oder Franzbrötchen-Eis bis zu herbstlichen Eis-Kreationen mit Apfel-Sellerie, Birne oder Marone.

Stefan Timm produziert nicht selbst, sondern lässt sich von den Eisprinzessinnen beliefern. Inhaberin Katrin Kerkhoff betreibt ihre Eismanufaktur nicht weit entfernt in Ottensen gegenüber dem Altonaer Kinderkrankenhaus.

„Ein neues Eiscafé ist immer auch eine Konkurrenz. Es ist gut, dass ich mit im Boot bin“, sagt die Unternehmerin, die bereits Kooperationen mit dem Treppenkrämer im Treppenviertel und dem Café Chez Wilma in Blankenese hat. Für die Zusammenarbeit mit dem Eishörnchen sieht sie Potenzial. „Wir wollen das Geschäft ausbauen.“

Kinder können hier unbeschwert spielen

Das kleine Gartenlokal hat im Moment täglich von 12 bis 18 Uhr geöffnet. „Es ist so viel zu tun, dass ich es allein manchmal kaum schaffe“, sagt Betreiber Timm. Nur wenige Schritte entfernt führt ein wichtiger Verbindungsweg über den Elbtunnel vorbei, der vor allem von Radfahrern und Hundebesitzern genutzt wird.

Auch in den nahe gelegenen Schulen und Kitas hat sich das neue Gastroangebot auf dem Gelände des Röperhofs schon rumgesprochen. „Unser großer Vorteil ist, dass es rundum keinen Autoverkehr gibt und Kinder unbeschwert spielen können“, sagt der Eishörnchen-Chef.

Im Außenbereich gibt es lauschige Plätze – und Kinder können hier unbeschwert spielen.
Im Außenbereich gibt es lauschige Plätze – und Kinder können hier unbeschwert spielen. © HA

Eishörnchen plant auch kleinere Speisen

Für die Zukunft gibt es noch einige Pläne, auch die Speisekarte soll erweitert werden. Im Herbst hat er gemeinsam mit Familie und Freunden sechs Zentner Äpfel von der Streuobstwiese des Röperhofs zu Saft verarbeitet. „Wenn es jetzt kühler wird, wollen wir Apfelpunsch anbieten.“

Auch kleine Speisen soll es demnächst geben. Doch Mitte Dezember ging dann auch das Eishörnchen erst einmal in die Winterpause – bis zum jetzigen Frühjahr.