Hamburg. Die klassischen italienischen Eisdielen sind nicht mehr ohne Konkurrenz – wie fünf außergewöhnliche Hamburgerinnen beweisen.

Lang waren die Schlangen vor den Eisdielen der Stadt in den fast sommerlichen Tagen vor Ostern. Mit den Temperaturen wächst die Lust auf Eis, und zwar richtig gutes – cremig, mit zartem, sanft rinnendem Schmelz, am besten vegan und ohne künstliche Zutaten. Gemeint ist also nicht der supersüße, bisweilen grell gefärbte Discountkleister, teilweise in skurrilen Aromakombinationen aus dem Labor aufgetischt.

Wenn der Löffel unmittelbar nach Entnahme aus dem Gefrierschrank durch die Masse gleitet wie durch weiche Sommerbutter, wird dem Verbraucher klar: Das kann nicht mit natürlichen Dingen zugehen. Okay, mal ist gegen putzige Fertigprodukte wie Flutschfinger, Calippo, Ed von Schleck und Co. nichts einzuwenden. Doch Genießer tendieren längst zu Eiskunst einer anderen Dimension.

Laben wir uns deshalb lieber an gefrosteten Köstlichkeiten, die Geschmacksknospen bezirzen. Nach traditionellen Rezepturen von Hand gefertigt, kann geeister Schleckerkram die Sinne zum Niederknien bringen. Ohne enormen Werbeaufwand, durch Mundpropaganda, haben sich in allen möglichen Stadtvierteln Hamburgs kleine Eisdielen etabliert, fernab der Kettengeschäfte mit ihren industriell vorgefertigten Instantmischungen.

Die vier kleinen Eisquellen sind persönlich geprägt

Anders als früher Maestros italienischer Abstammung in ihren Eisdielen mit Namen wie „Giuseppe“ oder „Luigi“ fungieren aktuell immer öfter unternehmungslustige, inspirationsfreudige Frauen als Chefinnen charmanter Cafés. Fünf dieser hanseatischen „Eisprinzessinnen“ stellen wir vor. Ihre vier kleinen Eisquellen sind persönlich geprägt und haben Charakter.

Die Kundschaft greift für erstklassige Ware gerne ein bisschen tiefer in die Tasche. Dafür isst das gute, zeitgemäß umweltbewusste Gefühl mit. Und der Autor, durch üppige, leider nicht vom Abendblatt gesponserte Verköstigungen geschmacklich durchtrainiert, hat gelernt: Der Unterschied zergeht einem auf der Zunge.

Bestes Beispiel ist ein inhaberinnengeführter Eisladen am Rathenaupark in Ottensen. Der Name ist Programm und deckt sich mit dem für diese Geschichte passenden Oberbegriff: „Eisprinzessinnen“. Wer gut mit Chefin Katrin Kerkhoff kann, erhält Einblick in ihren Werdegang. Zum Beispiel in Form eines Fotobuchs, das abseits des Tresens liegt und die Entstehung ihres Eiscafés dokumentiert. Zu sehen ist die Gründerin bei handfester Maloche in den Niederungen eigenständiger Geschäftsführung. In Maurerklamotten zerlegen Katrin und Co. den Steinboden im Souterrain mit einem Bohrhammer.

Ohne persönlichen Einsatz gibt’s keine famosen Kugeln auf die Waffel

Für die Produktionsstätte einer Speiseeismanufaktur mussten beide jeweils 40 Quadratmeter großen Etagen des ehemaligen Stempelwerks picobello in Schuss gebracht werden, um bei der Eröffnung im Mai 2014 wahrhaftig glänzen zu können. Merke: Ohne persönlichen Einsatz gibt’s keine famosen Kugeln auf die Waffel. Auch sieben Jahre nach dem Start und trotz florierender Umsätze sind Kredite in sechsstelliger Höhe längst noch nicht getilgt.

„Berufliche Unabhängigkeit hat ihren Preis“, weiß die Unternehmerin aus eigener Erfahrung. Mehr als früher kann die Architektin mit Geburtsort Hameln Ideen und Impulse schnörkellos in die Tat umsetzen. Schmeckte ihr der Geschäftsname „Eisprinzessinnen“ anfangs nicht so sehr, entpuppte sich das Markenzeichen längst als Glücksgriff – nicht nur am Rathenaupark.

Individuell komponierte Eisvariationen

Dass die Niedersächsin mit aktuell 40 Jahren eher eine Königin als eine Prinzessin ist, nimmt sie mit Humor. Im Team mit den festen Mitarbeiterinnen Chantal und Connie sowie mit bis zu 15 zumeist weiblichen Aushilfen hat sich das Café mit dem persönlichen Stil zu einem Anziehungspunkt im Wohnviertel entwickelt – in Sichtweite des Kinderkrankenhauses Altona.

Eisherstellung bei „Eisprinzessin“ Katrin Kerkhoff. Hier kommen keine
Fertigmischungen zum Einsatz, sondern nur hochwertige Zutaten.
Eisherstellung bei „Eisprinzessin“ Katrin Kerkhoff. Hier kommen keine Fertigmischungen zum Einsatz, sondern nur hochwertige Zutaten. © Marcelo Hernandez

Katrin Kerkhoff gehört zu einer wachsenden Anzahl jüngerer Unternehmerinnen, die in Hamburg eine Marktlücke entdeckt haben. Mit individuell komponierten Eisvariationen, ausschließlich aus frischen, natürlichen Zutaten, ist Umsatz zu erzielen. Gutes kommt ins Waffelhörnchen, nichts von der Stange. Zumal das bewusste Gefühl mitisst: Genutzt werden recycelte Pappbecher sowie Löffel aus Papier oder einfach essbare Löffelchen. Oder das klassische, gebutterte Knusperhörnchen.

Andere Hamburgerinnen haben ebenfalls Geschmack am Geschäft mit Eisspezialitäten gefunden. In Deutschland gibt es aktuell rund 4000 Eiscafés. Die Frauenquote ist unbekannt, der Gesamtumsatz nicht: Pro Jahr werden bundesweit mehr als 650 Millionen Liter Speiseeis hergestellt, überwiegend industriell.

Köstliches aus kleinen Manufakturen ist aber auf dem Vormarsch. Jede und jeder werkelt kreativ vor sich hin. Jüngst bildete sich ein Netzwerk mit rund 50 Inhabern persönlich geführter Eiscafés. „Wir verstehen uns nicht als Konkurrentinnen“, sagt Frau Kerkhoff. Die Unternehmerinnen tauschen Rezepturen und Erfahrungen aus.

Zwar darf derzeit coronabedingt kein Verzehr an Tischen in oder direkt vor den Läden stattfinden, unter dem Strich jedoch stimmt die Kasse meist. Die Menschen bleiben in der Stadt. Und Eis bringt ein wohliges Feriengefühl. Mit Abstand wirken die Schlangen vor den Eistheken noch länger als sonst. Geht der Frühling sonnig und warm in den Sommer über, sind die geschäftlichen Aussichten gut.

Hoffen auf eine starken Saison

Nicht nur für Katrin Kerkhoff und ihre „Eisprinzessinnen“. Auch in anderen Vierteln sind Kolleginnen in froher Erwartung einer starken Saison. Gute Beispiele sind Marie Oehler in ihrer Eispatisserie am Eppendorfer Weg, Susann Mardt in ihrem Saseler Schmelzpunkt „Bitte mit Sahne“ sowie das Duo Jasmin Friedt und Milana Hupe am Winterhuder Weg.

Alle erfüllen ihr Geschäft mit Leidenschaft. Jede weist einen erstaunlichen Werdegang auf. Während eine 17 Jahre für eine Krankenkasse arbeitete und zwei sich beim Schaufenstergestalten bei H&M kennenlernten, ist die vierte Jungunternehmerin eine ausgebildete Konditormeisterin.

EISPRINZESSINNEN

Katrin Kerkhoff hatte vor Gründung ihres „Eisprinzessinnen“-Cafés ganz andere Pläne. Nach einer Station als Fotografin in einer Werbeagentur und Studium in Siegen zog die diplomierte Architektin 2009 nach Hamburg. In der Bauleitung für Projekte wie den Marco-Polo-Tower in der HafenCity gehörte es zu ihren Aufgaben, Handwerker zu dirigieren. Couragiert, mit Büro in einem Container. So etwas stählt fürs Leben. Die Idee eines eigenen kleinen Cafés keimte weiter in ihr, seit den Studentenjobs in Restaurants und Kneipen. Das quirlige Leben dort war nach ihrem Gusto.

Seite an Seite mit Freundin Lara, ebenfalls Architektin, schritt Katrin Kerkhoff im Herbst 2013 zur Tat. Seit 2019 führt sie das Geschäft in Alleinregie. Die Kündigung beim Architektur­büro erfolgte damals ohne Netz und doppelten Boden.

„Wir waren von Wagemut beseelt“, erinnert sich Frau Kerkhoff. Der erste Besuch in einem leer­ stehenden Ladengeschäft am Rathenaupark an einem grauen Novembertag bleibt unvergessen. „Ich hatte Herzklopfen“, berichtet sie, „und spürte: Das ist es.“ Vorher wurden auf der Ecke mit spärlicher Laufkundschaft nach und nach Blumen, Stempel und Ebay-Artikel verkauft. Nebenan befindet sich mit dem Ristorante Vito ein beliebter Italiener mit traditioneller Kochkunst.

Süß und salzig verbunden zu einer Eissorte: Caramel Fleur de Sel.
Süß und salzig verbunden zu einer Eissorte: Caramel Fleur de Sel. © Marcelo Hernandez

Im Sauseschritt ging‘s voran. Die beiden Frauen studierten in anderen Hamburger Cafés Kundenbewegungen, zählten Gäste, rechneten hoch. Wie oft muss jemand kommen und wie viel Umsatz tätigen, um schwarze Zahlen schreiben zu können? Nachdem Profis der Handelskammer den Businessplan für umsetzbar hielten, folgte das finanzielle Fundament. Die Sparkasse Südholstein gewährte einen sechsstelligen Kredit. Laufzeit zehn Jahre. Nicht erst bei den Unterschriften war Katrin Kerkhoff klar: „Selbstständigkeit ist nicht nur ein Zuckerschlecken.“

Vor allem muss die Qualität der Eissorten hochwertig sein – und einfach gut schmecken. Das Seminar in einer Eisfachschule in der Wallfahrtsstadt Werl setzte Kreativität frei. Vor allem machte es Appetit auf mehr. Diese Lust auf Eis, die Freude am Komponieren mit natürlichen Zutaten hält unverändert an. Im Team wird an Nuancen gefeilt. „Ausgefallen darf’s durchaus sein“, sagt die Chefin, „aber nicht übertrieben.“

Sortiment besteht aus rund 100 Geschmacksrichtungen

Klassiker wie Vanille, Stracciatella, Zitrone, Schokolade und Erdbeere/Himbeere werden je nach Jahreszeit und Marktangebot ergänzt. Das Sortiment besteht aus rund 100 Geschmacksrichtungen, von denen täglich 13 frisch zubereitet werden.

Anfangs erfolgte die Herstellung im Keller. Mit zunehmendem Geschäftserfolg gönnte sich Katrin Kerkhoff ein separates „Eislabor“ um die Ecke, ein paar Schritte vom Ladenlokal entfernt. Wo sich einst ein Friseur befand, kann man den Eisprinzessinnen nun durchs Fenster bei der Arbeit zusehen. Dabei entstehen Kreationen wie Apfel-Sellerie, Goldene Milch, Maracuja/Minze oder Erdnuss/Schoko/Crunch. Erstaunlich: Sogar Zitrone/Gurke oder Lakritzeis können ein wie von Göttern geschaffener Gaumenkitzel sein.

Es passt ins Bild, dass der griechische Poet Simonides von Keos 500 Jahre vor Christus eine aus Gletscherschnee, frischen Früchten, Honig und Rosenwasser gemischte Süßspeise derart intensiv beschreibt, dass seine Worte Verführung pur sind. Namhafte Granden der Zeitgeschichte wie Alexander der Große oder Hippokrates liebten die gefrostete Köstlichkeit. Konditionsstarke Dauerläufer brachten Schnee und Eis in isolierten Behältern von den Apenninen nach Rom, um die Kaiser und Senatoren zu beglücken. Mancher Feldherr schmolz dahin, wenn er am kunstvoll zubereiteten Eis naschte.

Angeblich wurde Hamburgs erste Eisdiele von einem Franzosen gegründet

Als die Hausfrau Nancy Johnson 1843 erstmals ein Patent für eine mittels Handkurbel betriebene Eismaschine erhielt, wurde die Herstellung einfacher. Hierzulande ging es mit den Speiseeiskugeln im Einklang mit dem Wirtschaftswunder richtig rund. In den 1960er-Jahren exportierten italienische Maestri raffinierte Kompositionen nach Deutschland. Familienrezepte für hausgemachtes Gelato wurden von einer Generation zur nächsten überreicht – unter dem Siegel der Verschwiegenheit.

Wie immer streiten sich die Gelehrten der Gastronomie: Angeblich wurde Hamburgs erste Eisdiele von einem Franzosen gegründet. Anno 1799 eröffnete Vicomte Augustin Lancelot de Quatre Barbes am Jungfernstieg den Alsterpavillon. Dort wurde auch schon Eiscreme kredenzt.

Täglich werden die Eissorten neu
gemischt, das Repertoire umfasst
100 Geschmacksrichtungen.
Täglich werden die Eissorten neu gemischt, das Repertoire umfasst 100 Geschmacksrichtungen. © Marcelo Hernandez

Unumstritten sind die Auszeichnungen für den „Eisprinzessinnen“-Laden im Grenzgebiet zwischen Ottensen und Othmarschen. Im Eröffnungsjahr 2014 zeichnete eine Jury unter Mitwirkung des Gourmetkochs Christian Rach das neue Geschäft mit dem „Gastro-Gründerpreis“ aus. Regelmäßig nehmen Feinschmeckermagazine die Adresse in ihre Bestenlisten auf.

Als Veganerin legt Katrin Kerkhoff Wert darauf, dass ihr Angebot entsprechende Sorten beinhaltet. Und: Sie schmecken. Jede Kugel kostet übrigens 1,50 Euro. Da die Inhaberin vor Ort in Ottensen wohnt, ist sie im Nu mit dem Fahrrad zur Stelle. Täglich. Und mit dem Geschäftsnamen hat sich die 40-Jährige längst angefreundet. Mit dem Erscheinungsbild der „Eisprinzessinnen“ ebenfalls. Es fiel aus wie gewünscht: nicht plüschig, keinesfalls kitschig, ohne Glitzer. „Mit Tussis hat es nichts zu tun“, sagt sie. Es passt prima, dass sich die Krone im Logo schräg rechts befindet. So bleibt es eine Prinzessin, aber keine gewöhnliche.

Eisprinzessinnen,

Am Rathenaupark 15,

22763 Hamburg,

www.eisprinzessinnen.de

Öffnungszeiten: täglich 12–20 Uhr

DELZEPICH EIS

Beim Eisgeschäft Delzepich sorgen die Inhaberinnen Milana Hupe (l.) und Jasmin Friedt für leckere Tüten.
Beim Eisgeschäft Delzepich sorgen die Inhaberinnen Milana Hupe (l.) und Jasmin Friedt für leckere Tüten. © Marcelo Hernandez

Für was es doch alles gut sein kann, wenn man gemeinsam bei H&M im Alsterhaus Schaufenster dekoriert. Letztlich gab die Zusammenarbeit in Diensten des schwedischen Textilunternehmens den Impuls für einen Wechsel in die berufliche Selbstständigkeit. Und da Jasmin Friedt und Milana Hupe zudem eine Leidenschaft für lecker zubereitetes Speiseeis teilen, schritten sie im März vergangenen Jahres zur Tat. Bei „Delzepich Eis“ am Winterhuder Weg im Stadtteil Uhlenhorst sind die beiden Freundinnen als geschäftsführende Gesellschafterinnen aktiv.

Früher arbeiteten sie dort als Aushilfen. „Für uns ist dieses Geschäft das pure Glück“, sagt Milana Hupe ein Jahr nach Öffnung unter eigener Regie. Trotz ­Corona und widriger Umstände „haben wir nichts bereut und freuen uns über jeden Tag“.

Während Jasmin aus Reinbek stammt, zog Milana aus der Nähe von Dortmund nach Hamburg. Frau Hupe arbeitete von 2007 bis 2017 für H&M. Die beiden unternehmungslustigen Frauen waren dort als Schaufensterdekorateurinnen im Einsatz, offiziell „Visual Merchandiser“ genannt. Seit mehr als zehn Jahren sind sie Freundinnen. Im Anschluss an den Einsatz im Modegeschäft gönnten sie sich 2018 ein Jahr in Australien und Neuseeland. Motto: Work and Travel. Sie verdienten sich den Aufenthalt dort also durch Arbeit, beispielsweise in der Gastronomie. Es war eine faszinierende, abenteuerliche Erfahrung in Übersee. Das Geld für die Flüge und Extraausgaben verdienten sich Jasmin und Milana zuvor als Eisverkäuferinnen bei „Delzepich“.

Jasmin Friedt und Milana Hupe nutzten die Gunst der Stunde

Zurück in der Heimat führte der Weg immer wieder zurück in den favorisierten Eisladen am Winterhuder Weg/Höhe Mühlenkamp. Als kundige Kundinnen, aber bald erneut als Aushilfen hinterm Tresen und bei der Eisherstellung. „Delzepich“ ist eine Geschichte für sich. So hieß ein Kaufmann mit Nachnamen, der nach dem Zweiten Weltkrieg in Aachen ein Geschäft für Milchprodukte eröffnete. Daraus entwickelte sich im Laufe der Zeit eine Institution, die hausgemachtes Speiseeis verkaufte. Wer einmal als Student in Aachen immatrikuliert war, kennt Ruf wie Qualität. Zwei frühere Studentinnen fanden Namen und Produkte klasse.

Als Larissa und Miriam, so hießen die beiden Gründerinnen, Ende 2019 die Absicht verkündeten, ihren etwa 45 Quadratmeter großen Laden verkaufen zu wollen, nutzten Jasmin Friedt (33) und Milana Hupe (34) die Gunst der Stunde. Kurzentschlossen übernahmen sie das wirtschaftliche Kommando. Im Team mit fünf Aushilfen (im Sommer ein paar mehr) wurde das bewährte Konzept beibehalten. Ausschließlich natürliche Zutaten ergeben in der Mischung Geschmackserlebnisse. Neben den Standardsorten Vanille und Schokolade befinden sich sechs weitere Varianten im täglichen Angebot, davon ein Sorbet.

Eis wird täglich frisch zubereitet

Das Eis wird täglich frisch zubereitet. Und zwar in zwei klassischen Eismaschinen aus den 1960er-Jahren. Was bis Feierabend nicht verkauft ist, wird im Freundeskreis verteilt. „Oder selbst gegessen“, verrät Milana Hupe. Dem Vernehmen nach verfügen die Geschäftsführerinnen auch auf diesem Gebiet über eine ausgezeichnete Kondition. Milana persönlich liebt Milchreiseis; Jasmin bevorzugt Cheesecake. Letzteres gehört zu den Rennern im Laden. Aktuell sind zudem Karamell-Meersalz und Erdnussbutter/Nutella besonders nachgefragt.

Eine Zeit lang favorisierte Frau Hupe die Geschmacksrichtung Toffeelikör. Mit der Folge, dass ihre französische Bulldogge den Namen Toffee trägt. Über persönliche Nuancen wie diese freut sich nicht nur die Stammkundschaft. Und noch etwas: Bei „Delzepich“ wird das Eis nicht in Kugeln offeriert, sondern gespachtelt. Eine Portion kostet 1,40 Euro. Online werden die tagesaktuellen Sorten angekündigt. Zudem können Isoboxen und mobile Eistheken als Partyservice gebucht werden.

Delzepich Eis,

Winterhuder Weg 67,

22085 Hamburg,

www.delzepicheis.de

Öffnungszeiten: täglich 12–18.30 Uhr

OEHLERS EISPATISSERIE

In diesem Fall führte der Weg von St. Pauli nach Hoheluft-West über Berlin und Mosambik. Vorläufige Endstation für die gebürtige Hamburgerin Marie Oehler ist ein Geschäft, das ihren Namen trägt: „Oehlers Eispatisserie“, von der Stammkundschaft kurz „Oe“ genannt. Für ihre kühlen, teilweise kühnen Kreationen aus eigener Herstellung erntet die 31-Jährige Zuspruch weit über den Stadtteil hinaus. Warteschlangen vor der Tür beweisen, dass es in dem ehemaligen Marmeladenladen am Eppendorfer Weg in Höhe Mansteinstraße Gutes auf die Waffel oder in den Becher gibt.

Gelernt ist gelernt: Frau Oehler ist ausgebildete Konditormeisterin sowie staatlich geprüfte Speiseeisherstellerin. Die Rezepturen für rund 50 Sorten, von denen sich jeweils 20 im aktuellen Angebot befinden, sind in einem Ordner enthalten. Seit zehn Jahren wird er gepflegt und ergänzt. Intensiv nachgefragt sind im Moment die Geschmacksrichtungen Zimtschnecke, rote Grütze, angereichert mit Baiserstückchen, sowie veganes Schokoeis. Die selbstständige Geschäftsfrau, der man ihre Leidenschaft körperlich nicht ansieht, lebt ihre Fantasie aus.

In Mosambik leitete Marie Oehler eine Backstube

Anfangs im Stadtteil St. Pauli aufgewachsen und immer wieder umgezogen, kochte die kleine Marie schon früh sehr gern. Auf einem Kinderherd backte sie Pfannkuchen oder bereitete Apfelmus zu. Das schmeckte auch den vier älteren Geschwistern. Der Ratschlag ihrer Mutter – eine promovierte Philosophin – war einfach: „Mach‘ erst Abi und danach das, was dir Freude bringt.“

Marie Oehler und Mitarbeiter in
ihrer gläsernen Produktionsstätte
in Eimsbüttel.
Marie Oehler und Mitarbeiter in ihrer gläsernen Produktionsstätte in Eimsbüttel. © Marcelo Hernandez

Das ließ sich die Jüngste der Familie nicht zweimal sagen: Nach dem Schulabschluss an einem Eppendorfer Gymnasium und der Etappe in einer Hamburger Konditorei machte Marie am Prenzlauer Berg in Berlin ihren Meister. Vorher folgte die junge Frau dem Lockruf der weiten Welt. Auf der Messe Internorga auf das Sozialprojekt „Brot gegen Not“ aufmerksam geworden, wechselte Marie Oehler für ein Jahr in den Südosten Afrikas: In Mosambik leitete sie eine Backstube. „Diese Erfahrung möchte ich nicht missen“, meint sie rückblickend.

Naschen gehört zum Geschäft

Zurück in ihrer Heimatstadt sah sie beim Spaziergang am Eppendorfer Weg Handwerker in einem kleinen Laden­lokal. Auf Nachfrage traf sie die Hausbesitzerin, berichtete von ihrem Traum eines Eisgeschäfts – alles Weitere entwickelte sich rasant. Im April 2020 eröffnete „Oehlers Eispatisserie“. Es war ein grandioser Moment; und der erste Geburtstag in diesen Tagen kann mit Zufriedenheit gefeiert werden. Denn trotz Corona ging die Rechnung bisher auf.

Beim Start in die Selbstständigkeit halfen die Konditionen des Bankkredits: Die ersten Raten müssen erst nach zwei Jahren überwiesen werden. Mit dem Grundkapital konnte Marie Oehler das gut 70 Quadratmeter große Geschäft nach ihrem Gusto gestalten. In einer gläsernen Produktion können Besucher zugucken, wie Eis entsteht. Traditionelle Handarbeit ist Trumpf – das gesamte Jahr über: Im Winter werden hier nämlich Gebäck und Kuchen aus eigener Konditorei feilgeboten.

Kräftige Farben kennzeichnen einige Sorten bei „Oehlers Eispatisserie“.
Kräftige Farben kennzeichnen einige Sorten bei „Oehlers Eispatisserie“. © Marcelo Hernandez

Jetzt jedoch ist Frühling. „Patisserie Eis bedeutet Verzicht auf Fertig­mischungen sowie Geschmacksverstärker, Aromazusätze und Farbstoffe. Gemeinsam mit ihrem Mitarbeiter Christian Heinrich, einem Konditor und Koch, bereitet sie jede Eissorte individuell zu. Die Ware gibt es ausschließlich auf die Hand oder eingepackt außer Haus. Eine Kugel kostet 1,60 Euro.

Die festangestellten Verkäuferinnen Johanna und Tatjana sowie Aushilfen nach Bedarf runden im „Oe“ ein Team ab, dem Nachbarn übereinstimmend sommerliche Laune attestieren. Hin und wieder darf in Hoheluft-West ein kleines Mädchen mit Heimvorteil zur Waffel mit dem wohlschmeckenden Inhalt greifen. Auch für Marie Oehlers vierjährige Tochter Helena gehört Naschen zum Geschäft.

Oehlers Eispatisserie,

Eppendorfer Weg 161,

20253 Hamburg,

Öffnungszeiten: täglich 13 – 18 Uhr

BITTE MIT SAHNE EISCAFÉ

Susann Mardt
führt das Eiscafé
„Bitte mit Sahne“
am Saseler Markt.
Susann Mardt führt das Eiscafé „Bitte mit Sahne“ am Saseler Markt. © Marcelo Hernandez

Mancher im Nordosten Hamburgs meint zu wissen, dass am Saseler Markt Eiskugeln besonders lustvoll dahinschmelzen. Im rund 50 Quadratmeter großen Café von Susann Mardt ist der Name Programm: „Bitte mit Sahne“. Die Kundschaft mag Klassiker wie Vanille, Schoko oder Mango, schätzt aber auch ausgefallene Geschmacksrichtungen wie Mascarpone/Erdbeer/Baiser oder Schoko/Karamell-Cookies, angereichert mit selbst gebackenen Keksen.

Varianten wie Birne/Parmesan oder Cassis/Rotwein/Zimt fanden gleichfalls Wiederholungskäufer. Wie auch bei den anderen vorgestellten Eisgeschäften kommt bei Frau Mardt ausschließlich Natürliches und Frisches in die Tüte.

Und weil es sich bei „Bitte mit Sahne“ zudem um einen Nachbarschaftstreff handelt, freut sich die Chefin über Anregungen und Rezeptideen der Gäste. Susann (41) und Mathias Mardt (48) übernahmen das vor gut drei Jahrzehnten an zentralem Ort etablierte Eiscafé vom italienischen Vorbesitzer. Nach zwei Monaten Umbau wurde im Februar 2018 Eröffnung gefeiert – bei Eiseskälte, zwei Tage lang.

Der Laden lief von Anfang an

Susann Mardt hat aber auch den
Klassiker Spaghetti-Eis parat.
Susann Mardt hat aber auch den Klassiker Spaghetti-Eis parat. © Marcelo Hernandez

Da das Ehepaar Mardt mit zwei aktuell neun und 14 Jahre alten Schulkindern erstklassig im Viertel verankert ist, kennt man sich. Der Laden lief von Anfang an. Ebenso wie Eis-Unternehmerinnen in anderen Stadtteilen schildert Frau Mardt die Selbstständigkeit nicht nur als Vergnügen und Einnahmequelle, sondern auch als Wagnis. Anfangs aufgenommene Kredite sind noch längst nicht abgelöst.

Das Geschäftsmodell am Saseler Markt: Susann Mardt ist Inhaberin der Firma, während Ehemann Mathias offiziell als Angestellter im Einsatz ist. Eine weitere Festangestellte und rund ein Dutzend Aushilfen komplettieren das Team. Stammkunden wissen um die individuellen Pluspunkte des Ehepaars, von der Eiszubereitung mal abgesehen. Sie gilt als Verkaufstalent und Meisterin lebendiger Kundenkontakte, er als kreativer Kopf in der kleinen Küche.

Beide sind Quereinsteiger. Mathias Mardt arbeitete vor dem Wechsel in die Selbstständigkeit als Anlagenbuchhalter für die Universität Hamburg. Susann Mardt war 17 Jahre als Sozialversicherungsangestellte bei der Techniker Krankenkasse angestellt. Hin und wieder hatte sie als Aushilfe in einem nicht mehr existierenden Eisladen in Poppenbüttel gejobbt.

Sortiment umfasst 150 Sorten

Eines Tages hörte sie von den Ruhestandsplänen des Eismanns am Marktplatz in Sasel. Aus einer spontanen Idee entwickelte sich mehr, viel mehr. 2017 besuchten die Mardts eine Eisfachschule in Berlin; später nahmen sie an Fortbildungen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen teil. Von Anfang an war klar, keinerlei Fertigpasten oder andere künstliche Zutaten anzuwenden. „Alles ist handgemacht“, sagt Susann Mardt, „auch die Soßen.“

Bei „Bitte mit Sahne“ in Sasel gibt’s
eine Mini-Eistüte zum Cappuccino.
Bei „Bitte mit Sahne“ in Sasel gibt’s eine Mini-Eistüte zum Cappuccino. © Marcelo Hernandez

Da das Geschäft Freude bereitet und mit einer Menge Einsatz Ertrag bringt, keimen frische Ideen. Da die jeweils 25 Sitzplätze drinnen wie draußen coronabedingt nicht genutzt werden durften, wurde ein Lieferservice eingeführt. „Im Alstertal sind wir oft Retter für Homeoffice und Homeschooling“, weiß die Inhaberin. Wahrscheinlich soll alsbald ein Onlineshop entstehen. Ist die Pandemie vorbei, könnte ein Eis-Workshop folgen.

Das Sortiment umfasst 150 Sorten, von denen sich 15 jeweils frisch produziert im Angebot befinden. Eine Kugel kostet 1,40 Euro. Die Resonanz ist nicht nur am Kundenzuspruch abzulesen. Bei einer „Gelato Worldchallenge“ wurde das Saseler Café mit dem persönlichen Charme 2019 zum Hamburger Meister ernannt. Und im Vorjahr wurde „Bitte mit Sahne“ zum beliebtesten Eisladen der Hansestadt befördert. Bundesweit hatten 40.000 Personen an der Abstimmung des Magazins „Falstaff „teilgenommen.

Bitte mit Sahne Eiscafé,

Saseler Markt 3,

22393 Hamburg,

www.bittemitsahne.de

Öffnungszeiten: Montag bis Sonntag von 13–18 Uhr