Hamburg. In den kommenden Jahren wird sich auf Grasbrook und Veddel viel verändern. Wie die beiden Stadtteile zusammenwachsen sollen.

Rund um die Elbbrücken sollen neue, gemischt genutzte Quartiere, attraktive Freiräume und öffentlich zugängliche Wasserlagen geschaffen werden – auf einer Fläche, die insgesamt 161 Hektar umfasst und in vier Bereiche unterteilt ist: das Elbbrückenquartier in der HafenCity und der Billebogen in Rothenburgsort nördlich der Elbe, der Grasbrook und die nördliche Veddel südlich des Stroms.

Als komplett neuer Stadtteil bietet der Grasbrook die einmalige Chance einer von Anfang an integrierten Stadtentwicklung. Neben dem Schaffen neuer Wohnungen und Gewerbeflächen steht auch die Verbindung zum Nachbarstadtteil Veddel im Fokus. Zudem soll der Grasbrook Hamburgs erster CO2-neutraler Stadtteil werden.

Veddel und Grasbrook sollen zusammenwachsen.
Veddel und Grasbrook sollen zusammenwachsen. © HA Grafik | Frank Hasse

3000 Wohnungen auf dem Grasbrook

Auf dem heute nahezu komplett versiegelten Hafenareal entstehen in den kommenden Jahren zwei Quartiere: Im nördlichen Moldauhafenquartier sind 3000 Wohnungen geplant, sozial gefördert und frei finanziert, auch für Genossenschaften und Baugemeinschaften, außerdem Einkaufsmöglichkeiten, Bildungseinrichtungen, Sport- und Freizeitangebote, ein großer Park und zahlreiche Grünanlagen. Das Hafentorquartier ist überwiegend zum Arbeiten da, behält durch den Erhalt historischer Lagerhallen aber seine Hafenatmosphäre und bietet Potenzial für 16.000 Arbeitsplätze und die Entwicklung und Erprobung neuer Arbeitswelten. Insgesamt wird der Grasbrook ein Stadtteil der kurzen Distanzen, in dem alles Wesentliche zu Fuß erreichbar ist. Neue Brückenverbindungen und gemeinschaftlich genutzte soziale Einrichtungen sollen das Zusammenwachsen mit der Veddel befördern.

1) Stadteingang

Das Entree des neuen Stadtteils wird von drei großen Projekten geprägt: Die „Veddeler Brücke“ schafft für Fußgänger und Radfahrer eine Verbindung zwischen der Veddel und dem Grasbrook. Dadurch wachsen die zwei Stadtteile zusammen. Für das Bauwerk wird im Herbst ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben.

Der Stadtplatz:Im Zentrum des Quartiers und des gesamten Stadtteils finden sich alle wesentlichen Angebote für den täglichen Bedarf. Mit der Lage an der neuen U-Bahn-Haltestelle „Grasbrook“ bildet der Stadtplatz die Mitte der wichtigen Ost-West-Achse, die von der Veddeler Brücke über das „Dach“ und die Hafenpromenade bis hin zum großen Park führt.

Grundschule mit Sportplatz: Die vier- bis fünfzügige Grundschule am Stadtplatz ist sowohl aus dem Grasbrook als auch von der Veddel zu Fuß und mit dem Rad sehr gut erreichbar. Die Grundschule kann als Bildungsinstitution zum Zusammenwachsen einen wichtigen Beitrag leisten.

2) Hafenbeckenpark / Neue U-4-Station

Im Zentrum des neuen Stadtteils bildet der Zusammenfluss von Moldau- und Saalehafen ein großes Hafenbecken, das als stadträumliche und hafenhistorische Verbindung zwischen Moldauhafenquartier, Hafentorquartier und der Veddel betrachtet werden kann. Hier haben sich in den letzten Jahrzehnten durch Verschlickung wertvolle Flusswattbiotope entwickelt.

Neue U-4-Station: Die U-Bahn-Linie 4 wird auf den Grasbrook verlängert und wird auf einem Viadukt diagonal über den Hafenbeckenpark fahren – nur etwa zehn Minuten vom Hauptbahnhof entfernt. Die Haltestelle befindet sich unmittelbar über dem Wasser.

Um das Moldau- und Saalehafenbecken sollen drei Hochhäuser weithin sichtbare Akzente schaffen und ihren Nutzern einen einzigartigen Blick über das Hafengebiet ermöglichen.
3) Wohnen im Moldauhafenquartier

Zwischen dem Grasbrook-Boulevard und dem großen Park liegen fünf Wohninseln, die durch grüne Innenhöfe, bepflanzte Dächer und Fassaden, Grünzüge und Quartiersplätze geprägt sind. Jede besteht aus einem Ensemble aus sieben- bis zwölfgeschossigen Wohnhäusern, die einen durchlässigen Block bilden. Insgesamt wird es hier rund 1800 Wohnungen geben.

Am nördlichen Elbufer liegt die Nordkante mit rund 780 Wohnungen, zudem Flächen für Arbeitsplätze in den Erdgeschossen und teilweise auch in den oberen Etagen. Mit hellen Fassaden und stattlichen Gebäudefronten werden sie gegenüber der HafenCity die „Skyline des Grasbrooks“ bilden.

Blick in einen Wohnhof auf dem Grasbrook.
Blick in einen Wohnhof auf dem Grasbrook. © Herzog de Meuron


4) Park und Dach

Der große Elbpark reicht vom neuen Stadtplatz bis zum Veddelhöft an der Spitze zur Elbe. Er ist mit 5,3 Hektar die größte Grünfläche im neuen Stadtteil und soll durch die Lage am Wasser, den weiten Wiesen und wertvollen Bestandsflächen, den Bezug zum Sportplatz sowie den geplanten Nutzungen unterhalb des Daches für Menschen aus ganz Hamburg ein attraktiver Anziehungspunkt werden. Er weist sehr unterschiedliche Bereiche auf.

Blick von Westen auf Park und Moldauhafen.
Blick von Westen auf Park und Moldauhafen. © Herzog de Meuron

Als östlicher Auftakt des großen Freiraumensembles steht das sogenannte Dach, eine Reminiszenz an das alte große Schleppdach des Überseezentrums, das den Grasbrook viele Jahrzehnte prägte. Mit seiner großen Dachoberfläche wird das neue Konstrukt das Potenzial haben, auch zur Versorgung des Stadtteils mit Solarenergie beizutragen. Allerdings wird es etwas kleiner, als in einem ersten Entwurf (siehe Abbildung) vorgestellt.

Entwurf des Dachs auf dem Grasbrook.
Entwurf des Dachs auf dem Grasbrook. © Herzog de Meuron

5) Das Veddelhöft

Den Abschluss des Freiraumensembles bildet das Veddelhöft. Die Parkflächen der Landzunge sind neben der imposanten Kulisse des geplanten Deutschen Hafenmuseums und der frisch sanierten Viermastbark „Peking“ vor allem durch den für Indus­triebrachen typischen Krautbewuchs und hafenhistorische Relikte wie Gleise und Prellböcke geprägt.

Blick von oben auf das Veddelhöft mit Peking und Hafenmuseum.
Blick von oben auf das Veddelhöft mit Peking und Hafenmuseum. © Herzog de Meuron/moka-studio 2021


6) Arbeiten im Hafentorquartier

Südlich und westlich von Moldau- und Saalehafen liegt das Hafentorquartier. An der Schnittstelle von Stadt und Hafen ist hier ein urbaner Gewerbestandort neuen Typs geplant: exzellent vernetzt, mit vielfältigen Gebäudetypologien für Forschung und Entwicklung, urbane Produktion und Dienstleistungen sowie Uferflächen für Sport und Erholung.

Blick auf das Hafentorquartier.
Blick auf das Hafentorquartier. © Herzog de Meuron

7) Historische Lagerhäuser

Im Gebiet des Hafentorquartiers finden sich die drei unter Denkmalschutz stehenden Lagerhäuser D, F und G. Sie sollen weitestgehend erhalten und durch neue Nutzungen belebt werden und so dazu beitragen, den typischen Hafencharakter des Grasbrooks weiterzuführen. Das älteste Gebäude im Gebiet ist das 1903 errichtete Lagerhaus G ganz im Süden des Hafentorquartiers an der Dessauer Straße. Als heute seltener Gebäudetyp dokumentiert es die historische Form der Lagerhaltung außerhalb der Speicherstadt und ihrer zeittypischen Architektur. Im Zweiten Weltkrieg wurde es als Außenlager des KZ-Neuengamme und als Kriegsgefangenenlager genutzt. Das ursprünglich in einem Zuge und teilweise baugleich errichtete Lagerhaus F wurde nach der Zerstörung zwischen 1957 und 1961 auf dem weitgehend erhaltenen Unterbau wiederaufgebaut. Ähnlich verhält es sich mit dem Lagerhaus D, in dem Edeka heute seine Bananen reifen lässt.

Die Veddel soll weitergebaut und im Stadtbild sichtbarer werden

8) Der Veddeler Marktplatz

Die Veddel soll durch zusätzliche Bebauung und die Anbindung an den Grasbrook extrem profitieren – und erstmals von der Autobahn und der Elbe aus sichtbarer werden. Auf der nördlichen Veddel steht die Weiterentwicklung des Veddeler Marktplatzes mit dem denkmalgeschützten Zollhallen-Ensemble im Fokus. Anders als anfangs geplant, soll die dort ansässige Veddeler Fischgaststätte nicht umgesiedelt werden, sondern an ihrem Standort bleiben.

Für das Areal um die Zollhallen, in die kleinteiliges Gewerbe, gastronomische Einrichtungen, Einzelhandel und soziokulturelle Einrichtungen ziehen können, wurden zwei Varianten ausgearbeitet: Eine vollständige Umbauung der historischen Gebäude (Variante A) mit einem großen Backsteinblock würde die geschlossene Bauweise des Viertels aufgreifen – und ausreichend Lärmschutz bieten, sodass im inneren Bereich der Bau von Wohnungen zulässig wäre. Im Erdgeschoss sind öffentliche Nutzungen denkbar. Zollhallen und Fischgaststätte wären von außen bei dieser Lösung jedoch nur noch bedingt wahrnehmbar.

Variante A: Blick in den Innenhof.
Variante A: Blick in den Innenhof. © moka-studio

Eine offene Einfassung der alten Bestandsgebäude mit lang gestreckten Gebäudezeilen zu beiden Seiten (Variante B) würde wegen des geringeren Lärmschutzes kein Wohnen mehr erlauben, dafür aber den Bezug zur Elbe deutlich stärken.

Variante B des Veddeler Marktplatzes.
Variante B des Veddeler Marktplatzes. © gmp Architekten

9) Der Veddeler Balkon

Die Entwicklung des Elbufers ist ein weiterer Schwerpunkt der im Rahmenplan beschriebenen Entwicklung der Veddel. So entsteht mit dem Veddeler Balkon nicht nur ein neuer Park an der Elbe, er bietet auch die Chance, auf „grünen“ Wegen auf den Grasbrook zu gelangen. Möglich macht das der Veddeler Stieg: eine neue Verbindung, die zunächst als Brücke auf den Deich und von dort unter den Elbbrücken zum Elbpark führt. Der denkmalgeschützte Turmbunker bleibt, drum herum entsteht ein kleiner, bepflanzter Platz.

Lesen Sie morgen in Teil 3 der Mini-Serie: Quartier Elbbrücken und Billebogen. Teil 1 finden Sie hier.