Hamburg. Zwei Start-ups aus dem Norden setzen auf einen rasant wachsenden Markt. Metorbike sucht jetzt eine Fertigungshalle in der Hansestadt.
Ihr Marktwachstum ist fast ebenso eindrucksvoll wie ihre Beschleunigungswerte: Um fast 150 Prozent hat der Verkauf von Motorrädern mit Elektroantrieb im ersten Halbjahr 2022 in Deutschland zugelegt. Zwar wird sich nicht jeder Zweiradfan, der auch für E-Mobilität aufgeschlossen ist, gleich eine Harley-Davidson LiveWire für weit über 30.000 Euro leisten wollen. Doch für wesentlich weniger Geld gibt es jetzt E-Motorräder und Elektroroller im Retro-Design von zwei Start-ups aus der unmittelbaren Nähe von Hamburg.
„Wenn ich mit dem Elektro-Sound durch Hamburg fahre, muss ich an fast jeder Ampel Fragen zu diesem Motorrad beantworten“, sagt Marvin Rau, der zusammen mit seinem Schulfreund Michael Szpitalny die Firma Metorbike gegründet hat. Beide wohnen in Hamburg und haben ihr Produkt, dessen Design sich an den sogenannten Café-Racer-Modellen der frühen 1960er-Jahre orientiert, auch in der Hansestadt entwickelt. Eine erste Kleinserie von 50 Stück wird jedoch in Meddewade bei Bad Oldesloe gebaut – in der früheren Tischlerei von Marvin Raus Großvater.
Elektromobilität: Metorbike kostet mindestens 9900 Euro
Mit 9,5 PS kommt das Metorbike auf eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h, gefahren werden kann es mit einem Pkw-Führerschein. Im Vergleich zu anderen elektrisch angetriebenen Zweirädern mit ähnlichen Daten erscheint der Preis von mindestens 9900 Euro zweifellos hoch. „Aber wir wollten etwas Kompromissloses anbieten“, sagt Rau, „wir wollten zeigen, dass auch ein E-Motorrad schön sein und Spaß bringen kann.“
Alle der ersten 50 Exemplare – bisher existieren zwei Prototypen – werden in Handarbeit von Rau und Szpitalny sowie einem einzigen Angestellten ganz nach den Ausstattungswünschen der Kunden gefertigt. So kann man etwa bestimmen, welches Leder man für das Sitzbank-Polster möchte, wie das Holz der Bank bearbeitet wird und welche Farbe das Akkugehäuse haben soll. Einstellbar ist zudem ein Wunschklang, wobei auch ein Retro-Motorgeräusch dabei ist. Den innovativen Klanggenerator will man auch anderen Herstellern anbieten.
Metorbikes teilweise in Hamburg gefertigt
Von den beiden Gründern werden die Metorbikes ausdrücklich als nachhaltiges Produkt beworben. So kommen 90 Prozent der Komponenten aus Deutschland, manche davon werden sogar in Hamburg und Umgebung gefertigt oder bearbeitet: Bauteile aus dem 3-D-Drucker stammen aus der Hansestadt, Kunststoffteile aus Norderstedt, der Eloxierer arbeitet in Hamburg und die Sattlerin in Lasbek.
Aus Norddeutschland bezogen werden auch die Akkus. Es handelt sich um recycelte Batterien aus E-Autos von Volkswagen, wo Rau ein duales Studium als Maschinenbauer absolvierte. „Die Akkus werden vorher durchgeprüft, und sie sind praktisch neuwertig, weil sie nur wenige Wochen oder Monate in Erprobungsfahrzeugen genutzt wurden“, sagt Szpitalny. „Würden wir die Akkus nicht abnehmen, dann würden sie verschrottet.“
„Unser erster Showroom wird in Hamburg sein"
Für rund 20 Motorräder haben sich nach Angaben von Szpitalny bereits Käufer gefunden. Derzeit läuft das Marketing vor allem über die sozialen Medien. „Unser erster Showroom wird in Hamburg sein, aber bisher konnten wir uns den nicht leisten“, sagt Rau. Da ist Karl-Heinz Riggers, Geschäftsführer des Start-ups Dreems e-mobilities aus Seevetal, schon weiter. Im Juli hat er einen Showroom in der HafenCity eröffnet, und er hat auch schon 1400 elektrische Motorroller der Amalfi-Reihe verkauft.
Ihr Design erinnert wohl nicht zufällig stark an den italienischen Klassiker Vespa, gebaut ab 1946. Mit Preisen zwischen 3290 und 4290 Euro sind die E-Roller weitaus günstiger als das Metorbike, aber dafür sind sie nur 4,1 bis 5,4 PS stark und werden in China gebaut. Neben der Amalfi-Reihe vertreibt Riggers seit kurzer Zeit auch E-Motorroller der Marke Silence aus spanischer Produktion. „Der Verkauf erfolgt über bundesweit mehr als 60 Autohäuser“, sagt Riggers. „Die haben häufig schöne Ausstellungsräume, anders als viele Motorradhändler.“ Das Interesse an den Amalfi-Rollern sei „wahnsinnig groß“, im kommenden Jahr soll der Absatz auf „weit über 2500 Stück“ steigen.
Für 2023 plant Metorbike ein etwas günstigeres Modell
Darüber hinaus will Riggers zusammen mit Partnern einen eigenen neuen E-Roller entwickeln, der in Europa hergestellt werden soll. „Wir hoffen, im Herbst 2023 den ersten Prototypen fertig zu haben, im Frühjahr 2024 könnte dann der Marktstart sein“, sagt der Unternehmer.
Ausbaupläne hat man auch bei Metorbike, obwohl dort das Geschäft gerade erst anläuft. „Für nächstes Jahr planen wir eine Serienfertigung mit einer weniger stark individualisierbaren Ausstattung zu einem günstigeren Preis von 7000 bis 8000 Euro“, so Szpitalny. „Von diesen Bikes würden wir gern 300 bis 500 pro Jahr bauen.“ Natürlich geht das dann nicht mehr in der alten Tischlerei. Die Metorbike-Gründer sind schon auf der Suche nach einer Produktionshalle mit Büros, gern auch in Hamburg.
Elektromobilität: Firmensitz bleibt wohl in Schleswig-Holstein
Für die geplante Serienfertigung würden voraussichtlich sieben Monteure benötigt, außerdem Beschäftigte für die Buchhaltung und den Vertrieb. Der juristische Firmensitz wird aber wohl in Schleswig-Holstein bleiben – wegen der Förderung. „In dieser Hinsicht war Schleswig-Holstein deutlich unkomplizierter als Hamburg“, sagt Rau. Seit einem Jahr ist zudem die Ahrensburger Kroschke-Gruppe, ein bundesweit tätiger Dienstleister rund um Kfz-Zulassungen, als Investor mit an Bord.
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Auch bei Metorbike denkt man bereits über ein weiteres Modell nach – mit Doppelsitzbank und höherem Lenker. „Gerade etwas ältere Menschen fänden das cool“, ist Szpitalny sicher. Die sind aber auch tendenziell kaufkräftiger, wie man an den Harley-Fahrern beobachten kann.