Hamburg. Opposition nennt den Regierungskurs „grob fahrlässig“. Doch Kerstan und Tschentscher lassen ihre Pläne nicht komplett fallen.

Man wollte den gordischen Knoten durchschlagen und Hamburg aus dem Klammergriff der Energieknappheit befreien. Monatelang hat der Hamburger Senat dazu die Einrichtung eines LNG-Hafens an der Süderelbe geplant. In Moorburg sollte ein großes schwimmendes Terminal zur Speicherung von flüssigem Erdgas (Liquefied Natural Gas, LNG) entstehen, mit dem die Hansestadt das fehlende Gas aus Russland ersetzen wollte.

Doch zumindest die große Lösung ist nun vom Tisch. Mehrere Gutachten ergaben, das die nautischen Einschränkungen zur Befahrbarkeit der Elbe und die Sicherheitsbedenken dagegen stehen. Stattdessen will der Senat nun eine kleine Anlage bauen. Doch auch dabei sind viele Fragen noch ungeklärt.

Hafen Hamburg: Kein großes LNG-Terminal in Moorburg

„Ein temporäres LNG-Terminal im Hamburger Hafen ist nur sinnvoll, wenn die übrige Hafennutzung dadurch nicht zu stark eingeschränkt wird", sagte am Donnerstag ein Sprecher der Umweltbehörde. Der Senat habe eine intensive Prüfung durchgeführt. Dazu seien entsprechende gutachterliche Untersuchungen vorgenommen worden, die zeigten, dass die vom Bund bisher geplante Größe des LNG-Terminals mit den Rahmenbedingungen des Hafens nicht kurzfristig zusammenzubringen sei.

„Insbesondere stehen dem die erforderlichen Gewässerausbaumaßnahmen und das Risiko einer weitreichenden Sperrung des südlichen Teils des Hafens für die Seeschifffahrt entgegen." Die Süderelbe hätte nämlich zweimal pro Woche für den Schiffsverkehr gesperrt werden müssen – nämlich immer dann, wenn ein Betankungsschiff mit frischem LNG am schwimmenden Terminal festgemacht hätte – und zwar für 24 bis 48 Stunden. So lange dauert der Entladevorgang.

Wie berichtet hatte Hamburg das Bundeswirtschaftsministerium sogar vorgewarnt, dass im Falle der Inbetriebnahme eines solchen Terminals mit Schadenersatzklagen von betroffenen Unternehmen zu rechnen sei. Der Behördensprecher bestätigte damit Aussagen des Amtsleiters für Energie und Klima in der Behörde, Anselm Sprandel, die dieser am Vorabend im Wirtschaftsausschuss der Bürgerschaft gemacht hat. Denn auch laut Sprandel hat der Senat vom Bau eines großen LNG-Terminals Abstand genommen.

Zu große Einschränkungen für Hafenwirtschaft

Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) hatte sich relativ rasch gegen das Projekt ausgesprochen, weil ihm die Einschränkungen für den Hamburger Hafen zu massiv erschienen. Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und sein für Energie zuständige Umweltsenator, Jens Kerstan (Grüne), hatten die Pläne aber weiterverfolgt. Zum einen weil Tschentscher einen Hamburger Beitrag zur Sicherung der Energie in Deutschland leisten wollte.

Zum anderen aus der Not heraus: denn nach der Abschaltung des Kohlekraftwerks in Moorburg, fehlt Hamburg Energie. Um die Lücke zu füllen, lässt Kerstan ein Gas- und Dampfkraftwerk auf der Dradenau bauen. Dieses kann aber nur in Betrieb gehen, wenn seine Gasversorgung sichergestellt ist.

Kleinere LNG-Installation: Ebenfalls in Moorburg

Deshalb lassen Kerstan und Tschentscher ihr Pläne auch nicht komplett fallen. Sie lassen nur die Installation eines kleinen Umschlagterminals für LNG prüfen. Der Standort soll ebenfalls in Moorburg sein. „Hamburg hat in Abstimmung mit dem Bundeswirtschaftsministerium angeboten, im Sinne eines strategischen Gesamtansatzes die Stationierung eines kleineren LNG-Terminalschiffs zu prüfen“, so die Umweltbehörde in gestelztem Deutsch.

Wegen der wesentlich kleineren Dimension fielen viele der Herausforderungen geringer aus, die sich bei einem großen LNG-Terminal ergeben hätten. Nach Informationen des Abendblatts ist jetzt geplant, eine kleinere, schwimmende LNG-Plattform über Feeder-Schiffe zu versorgen, die in Brunsbüttel betankt werden und dann nach Moorburg pendeln.

Da dieses provisorische kleine LNG-Terminal keine eigenen Heizkessel an Bord hat, ist für den Betrieb in den Wintermonaten eine Wärmeversorgung von Land aus notwendig. Die technischen Optionen hierzu werden nach Abendblatt-Recherchen von einem behördenübergreifenden Projektteam unter Leitung der Hamburger Energiewerke geprüft. Das Festhalten an Moorburg als künftigen Standort macht Sinn, denn hier verfügt Hamburg über eine direkte Anbindung an das öffentliche deutsche Gasnetz.

LNG aus Brunsbüttel soll kleines Terminal in Hamburg versorgen

Und warum soll das Gas aus Brunsbüttel kommen? Die große LNG-Plattform, die dort geplant ist, kann im Jahr bis zu acht Milliarden Kubikmeter Gas verarbeiten. Aufgrund der Leitungsgröße können ins Netz in Brunsbüttel aber nur nur etwa 3,5 Milliarden Kubikmeter eingespeist werden. Die etwa vier Milliarden Kubikmeter überschüssiges Gas könnten dann mit kleineren Schiffen nach Hamburg gebracht werden. Das wäre die doppelte Jahresverbrauchsmenge der Stadt Hamburg.

Harsche Kritik kommt von der Opposition. „Ein großes LNG-Terminal wird nicht kommen, weil der Senat jahrelang die Vorbereitung zur Sicherstellung des Hafenbetriebs unterlassen hat. Jetzt wird über kleine Lösungen nachgedacht, aber auch diese stecken im Streit zwischen Rot und Grün fest, die erforderliche Genehmigungen liegen nicht vor“, sagte der Hafenexperte der CDU-Fraktion Götz Wiese.

Linke erleichtert über aus für LNG-Terminal im Hamburger Hafen

Die vom Bundeswirtschaftsminister ins Spiel gebrachten schwimmenden Öl-Kraftwerke (Power Barges) würden in Hamburg noch nicht einmal erwogen, das Kohlekraftwerk in Moorburg trotz technischer Möglichkeit nicht für den Notbetrieb am Netz gehalten. „Dieser Senat macht nichts, um das Angebot von Energie auszubauen. Dies ist für den Industrie- und Wirtschaftsstandort Hamburg und unsere ganze Stadt nicht nur grob fahrlässig, es ist gefährlich“, so Wiese.

Stephan Jersch von der Fraktion der Linken zeigte sich erleichtert über das Aus für das große LNG-Terminal. „Das hätte man alles vorher wissen können. Das Hickhack um das Terminal hat unnötig personelle Ressourcen gebunden, die besser hätten eingesetzt werden können.“ Nun wird wieder geprüft. Und einige Fragen bleiben offen. Die Diskussion um LNG-Terminals in Hamburg geht weiter.