Hamburg. Eine Hamburgerin berichtet, dass ihr der Weg in den aktuell preiswerten Tarif verwehrt werden sollte. Wie die Rechtslage ist.
Als Ellen Hammerstein (Name geändert) im Frühjahr Post von ihrem Gasversorger im Briefkasten hatte, schwante ihr nichts Gutes. Tatsächlich erhöhte das Unternehmen den monatlichen Abschlag der Hamburgerin kurzfristig von 190 Euro auf 320 Euro. „Ich habe damals noch gedacht, ,ganz schön happig’“, sagt sie und akzeptierte dann aber angesichts der allgemeinen Tarifsteigerungen den neuen Preis.
Schon im August kam der nächste Brief, dieses Mal verdreifachte die EMB Energie Mark Brandenburg (Havelgas) den Monatsbetrag auf 1117 Euro. „Es war sofort klar, dass ich das nicht bezahlen kann“, sagt die alleinerziehende Mutter, die mit ihrem Sohn in Lurup lebt und in Teilzeit als Lehrerin arbeitet. Ihr Haus ist schon älter, der jährliche Gasverbrauch liegt bei 35.000 Kilowattstunden für Heizung und Warmwasser.
Gaspreise: Ellen Hammerstein wurde der reguläre Tarif der Grundversorgung verwehrt
Hammerstein machte von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch – und handelte damit so, wie der Versorger es offenbar erhofft hatte. Am Telefon habe man ihr gesagt, das sei der „Rausschmeißerpreis“ für Kunden außerhalb der Stammregion von Havelgas. Für die Hamburgerin fingen die Probleme damit erst an. Zwar ist gesetzlich geregelt, dass sie zu E.on als Grundversorger in Hamburg wechseln kann.
Während eines Telefonanrufs mit dem Energieunternehmen wurde ihr allerdings mitgeteilt, dass in ihrem Fall nicht der reguläre Tarif der Grundversorgung gelte, sondern die deutlich teurere Ersatzversorgung berechnet würde. Das heißt konkret: Zusätzlich zum Grundpreis von 144 Euro im Jahr würde sie von November an für eine Kilowattstunde (inkl. Mehrwertsteuer) 25 statt rund 16 Cent in der Grundversorgung zahlen. Die monatlichen Mehrkosten: etwa 270 Euro.
Die neue Regelung ist auf die Dauer von drei Monaten begrenzt
Für die Alleinerziehende ein Betrag, der ein ordentliches Loch ins Monatsbudget reißt. „Der Mitarbeiter hat auf eine Gesetzesänderung verwiesen, die das möglich machen soll“, sagt Hammerstein. In die günstigere Grundversorgung sollte sie als Neukundin demnach erst nach drei Monaten mit Ablauf der Ersatzversorgung rutschen. Hammerstein protestierte und beharrte auf einer Prüfung durch die Vorgesetzten. „Auch für drei Monate sind 25 Cent pro Kilowattstunde für mich zu viel.“ Ihr Verdacht: „Vermutlich geht es auch anderen so. Die Energiekrise wird auf dem Rücken der Leute ausgetragen, die sowieso nicht zu den Topverdienern gehören.“
Dass Kunden die günstigere Grundversorgung verwehrt wird, kommt tatsächlich inzwischen immer häufiger vor. Hintergrund ist eine Änderung im Energiewirtschaftsgesetz, die seit 1. August in Kraft ist. Danach können Energieversorger für einen Zeitraum einen höheren Tarif verlangen, wenn die Beschaffungskosten für die kurzfristige Ersatzversorgung höher sind als die der längerfristigen Grundversorgung. Die neue Regelung gilt für Gas sowie Strom und ist auf die Dauer von drei Monaten begrenzt, danach wechseln die Kunden – wenn sie keinen anderen Liefervertrag abgeschlossen haben – automatisch in die zumeist günstigere Grundversorgung. Auf diesem Weg soll den Grundversorgern die Möglichkeit geben werden, zu reagieren, wenn etwa nach einer Insolvenz eines Anbieters eine große Zahl von Neukunden in die Grundversorgung drängt. Allerdings gibt es darüber, wann und unter welchen Bedingungen die Gesetzesänderung greift, unterschiedliche Auffassungen.
Energieversorger E.on: Ersatzversorgung hat eine Art „Auffang-Funktion“
So teilte der Energieversorger E.on auf Abendblatt-Anfrage mit: Die Ersatzversorgung habe grundsätzlich eine Art „Auffang-Funktion“. E.on habe seit etwa einem Jahr eine außergewöhnlich hohe Zahl an Kunden in die Ersatz- und Grundversorgung aufgenommen, weil sich andere Anbieter ihrer Verantwortung entzogen hätten. „Getrennte Preise in der Grund- und Ersatzversorgung helfen dabei, die Preise für Bestandskunden in der Grundversorgung stärker abzufedern.“ Zu dem konkreten Fall der Hamburger Gas-Kundin äußerte sich das Unternehmen nicht. Auch Zahlen, wie viele Kunden sich bei E.on seit Inkrafttreten der neuen Regelung in der Ersatzversorgung befinden, wurden nicht genannt.
Aus Sicht von Verbraucherschützern gilt die Option, Kunden in die Ersatzversorgung höhere Preise als in der Grundversorgung abzuverlangen, nur in „Ausnahmefällen“ – etwa wenn der bisherige Anbieter Insolvenz angemeldet hat. „Nach unserer Rechtsauffassung greift weiterhin die Grundversorgung, wenn ein Sonderkündigungsrecht in Anspruch genommen wurde“, sagt Jan Bornemann, Energieexperte bei der Hamburger Verbraucherzentrale. Das würde auch für den konkreten Fall der Hamburgerin Ellen Hammerstein gelten. Hinzu kommt, dass der Grundversorger laut Energiewirtschaftsgesetz genau darstellen muss, wie es zu dem erhöhten Preis in der Ersatzversorgung kommt. Dabei reicht nicht die bloße Behauptung, dass Energie teurer eingekauft werden musste.
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Gaspreise: Begründung für Ersatzversorgung genau ansehen
Dennoch wurden inzwischen erste Fälle bekannt, bei denen Verbraucher in die teurere Ersatzversorgung geschickt wurden. Berichtet wird das für Gas- und-Kunden Strom etwa in Chemnitz und Augsburg. Das Vergleichsportal Stromauskunft.de meldete Anfang der Woche einen Fall aus dem Hochsauerlandkreis. Demnach kostet beim Grundversorger HochsauerlandEnergie GmbH eine Kilowattstunde in der Ersatzversorgung 87,72 Cent, während der Verbrauchspreis in der Grundversorgung bei 28,65 Cent liegt.
Der Hamburger Verbraucherschützer Jan Bornemann rät Betroffenen, sich die Begründung für die Einstufung in die Ersatzversorgung genau anzusehen. Er ist überzeugt, dass der örtliche Anbieter im Regelfall die günstigere Grundversorgung anbieten muss. Das gilt auch, wenn ein Vertrag zum Laufzeitende nicht verlängert wird, nach der Kündigung des bisherigen Anbieters oder nach einem Umzug. Grundsätzlich lautet die Empfehlung der Verbraucherzentralen, möglichst frühzeitig auf den Grundversorger zu zugehen und schriftlich um den Abschluss eines Grundversorgungsvertrags zu bitten.
„Im Zweifelsfall sollten sich Kunden rechtlichen Beistand suchen, entweder über einen Rechtsanwalt oder über uns“, so der Energieexperte. In Hamburg sei ihm bisher noch kein Fall bekannt geworden, in dem E.on Kunden tatsächlich zuerst in die Ersatzversorgung geschickt habe. „Das lief immer problemlos.“ Bei Gas-Kundin Ellen Hammerstein hat jetzt offenbar auch der Protest geholfen. Inzwischen hat E.on mitgeteilt, dass sie ihr Gas sofort zum Grundversorgungstarif beziehen kann.