Hamburg. Wirtschaftsminister Habeck will, dass alle Gasheizungen bis Herbst 2023 kontrolliert werden – auch in Hamburg. Jetzt gibt es Kritik.
Tatenlosigkeit angesichts einer drohenden Gas-Knappheit kann man Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wohl kaum vorwerfen. Sein Ministerium hat eine ganze Reihe von Maßnahmen erarbeitet, mit denen Energie gespart werden soll. So will man alle Eigentümer und Eigentümerinnen von Gasheizungen verpflichten, bis zum Beginn der Heizperiode 2023/2024 einen Check der Anlage vom Fachmann vornehmen zu lassen. Zwischen 100 und 150 Euro dürfte das nach Branchenschätzungen kosten. Eine Verordnung, die eine solche Überprüfung vorschreibt, soll schon zum 1. Oktober in Kraft treten.
Nach Schätzung von Lars Rückert, Chef des Wilhelmsburger Heizungstechnik-Betriebs Arnold Rückert und Vorstandsmitglied der Innung Sanitär, Heizung, Klempner (SHK) Hamburg, gibt es in der Hansestadt etwa 800 Betriebe, die solche Arbeiten ausführen. Manche dieser Firmen hätten allerdings nur wenige Gesellen – und sie seien in der Regel schon jetzt gut ausgelastet, etwa in der Sanitärtechnik. In Hamburg gibt es früheren Erhebungen zufolge aber rund 77.000 Gasheizungen, die keine Zentralheizungen sind.
Energiekrise: Überprüfung wird eine "sportliche Aufgabe"
„Das wird eine äußerst sportliche Aufgabe, alle diese Heizungen zu überprüfen“, so Rückert. Schließlich müsse man unter anderem die Abgasverluste am Kessel messen und ihn vorher reinigen, wie bei einer normalen Heizungswartung. „An vielen Anlagen sind auch zu hohe Temperaturen eingestellt“, sagt Rückert, der gespannt ist, welche konkreten Arbeiten die Verordnung vorgeben wird. Doch wer die Heizung prüfen lassen möchte, muss Geduld haben.
„Die Auftragsbücher sind im Moment so gut gefüllt wie selten – für den Sommer ist es ein absoluter Höchststand“, sagt Frank Ebisch, Sprecher des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima. Im Durchschnitt seien die Firmen für 18 Wochen ausgelastet. Nach den Vorstellungen von Habeck sollen aber nicht nur alle Einzel-Gasheizungen kontrolliert werden, sondern auch die Gas-Zentralheizungen in allen Gebäuden mit mehr als sechs Wohneinheiten. Das soll nach einem aufwendigen Verfahren, dem sogenannten hydraulischen Abgleich, geschehen.
Hydraulischer Abgleich soll Probleme erkennen
Hintergrund: Weil die Heizleistung durch Thermostate in den einzelnen Räumen individuell eingestellt wird, schwanken die Durchflussmengen in den verschiedenen Abschnitten des Heizkreislaufs unter Umständen sehr stark. Das kann dazu führen, dass Bewohner in weiter vom Gasbrenner entfernten Wohnungen ihre Thermostate weit aufdrehen müssen, was zu höherem Energieverbrauch führt. Der hydraulische Abgleich soll solche Probleme erkennen und dafür sorgen, dass gegebenenfalls durch den Einbau von Regelventilen eine gleichmäßigere Verteilung des Heizwassers ermöglicht wird. Zu der Prüfung gehört eine Datenaufnahme für jeden beheizten Raum.
Zwar haben mehrere Studien durchschnittliche Energieeinsparungen zwischen knapp sieben Prozent und elf Prozent ergeben. Dennoch wendet sich Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), gegen die flächendeckende Pflicht zu dem hydraulischen Abgleich. Breitner forderte die Landesregierungen in Hamburg, Kiel und Schwerin auf, der entsprechenden Verordnung im Bundesrat nicht zuzustimmen.
"Es werden Kapazitäten und Geldmittel verbrannt"
„Allein in den drei norddeutschen Bundesländern müssten 200.000 Wohnungen begangen werden“, so Breitner, die Kosten lägen bei rund 1000 Euro pro Wohnung. Abgesehen von den entsprechenden Investitionen von etwa 200 Millionen Euro würden die Wohnungsunternehmen durch die Umsetzung der Pflicht „monatelang lahmgelegt“, so der VNW-Direktor. Aus seiner Sicht führt diese Maßnahme am Ende auch nur zu einer „geringen Einsparung von Energie“.
Denn die Mitgliedsfirmen des Verbands, darunter der mit Abstand größte Vermieter Hamburgs, das städtische Unternehmen Saga mit rund 137.000 Wohnungen, nähmen anlässlich von Veränderungen am Gebäude oder an der Anlagentechnik ohnehin einen hydraulische Abgleich vor. „Außerhalb dieser Anlässe werden hier aber Kapazitäten und Geldmittel verbrannt, die woanders im Sinne des Klimaschutzes und der Energieeinsparung nutzbringender eingesetzt werden können“, argumentiert Breitner.
Hamburgs Senat wird Pläne mittragen
Ungeachtet dieser Bedenken wird Hamburgs Senat die Pläne von Habeck aber offenbar mittragen. „Vor dem Hintergrund möglicherweise fehlender Fachkräfte wird es zwar eine Herausforderung, die Vorgabe für einen Teil des Gebäudebestandes innerhalb der nächsten zwei Jahre umzusetzen“, erklärt Renate Pinzke, Sprecherin der Hamburger Behörde für Umwelt und Klima. „Da eine Verbesserung der Energieeffizienz dringend notwendig ist, ist die Verordnung trotz dieser Einschränkungen aus unserer Sicht zu unterstützen.“
Auch die Beschäftigten von Heizungstechnik-Unternehmer Rückert haben schon in den vergangenen Monaten zahlreiche hydraulische Abgleiche vorgenommen. „Wir hatten aber nur deshalb die Kapazitäten dafür, weil wir auf Wärmepumpen, die wir im Februar oder März bestellt haben, noch bis November oder Dezember warten müssen“, sagt Lars Rückert.
Energiekrise: Arbeiten wären im Frühjahr sinnvoller
Nach seiner Einschätzung kommt Habecks Verordnung zu einem „denkbar ungünstigen Zeitpunkt“. Denn zum hydraulischen Abgleich gehöre es, das Wasser aus der Heizungsanlage abzulassen, um die Ventile an den Heizkörpern auszuwechseln: „Das macht man eigentlich nicht in der Heizperiode.“
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Sinnvollerweise würde man diese Arbeiten erst ab April 2023 ausführen. „Dann wird es zeitlich aber viel zu eng bis zum Anfang der Heizperiode“, sagt Rückert. Für ihn ist klar: „Die Verordnung stellt Hamburgs SHK-Betriebe vor eine weitere große Herausforderung – auch, wenn man das Hamburger Klimahandwerk nicht unterschätzen soll.“