Hamburg. Das Unternehmen ist durch gestiegene Energiekosten und die hohe Inflation stark belastet. Was das für die Filialen bedeutet.
Als Görtz-Chef Frank Revermann im April die Sommer-Kollektion präsentierte, war die Dekoration rosarot. Tiefrot hätte wohl besser zu der finanziellen Situation des Hamburger Schuhhändler gepasst. Denn nur vier Monate später ist das Traditionsunternehmen offiziell ein Sanierungsfall. Um noch eine Insolvenz abzuwenden, hat die Geschäftsführung für die Muttergesellschaft Ludwig Görtz GmbH sowie für die beiden Tochterfirmen am Dienstag die Einleitung eines Schutzschirmverfahrens beim Amtsgericht Hamburg beantragt.
„Mit den gerichtlichen Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung will sich die Görtz-Gruppe konsequent restrukturieren und zukunftssicher aufstellen“, hieß es in einer Mitteilung. Demnach hat das Gericht das Schutzschirmverfahren noch am gleichen Tag bewilligt. Nach den massiven Umsatzrückgängen in den beiden Corona-Jahren haben den Angaben zufolge die gestiegenen Energiekosten durch den Ukraine-Krieg und die Kaufzurückhaltung in Folge der hohen Inflation zu der aktuellen Krise geführt. Konkrete Zahlen nennt Görtz nicht.
Görtz Hamburg: Läden bleiben geöffnet
Bei dem Schutzschirmverfahren handelt es sich um ein besonderes Verfahren zur Sanierung des Unternehmens in Eigenverwaltung. Die Geschäftsführung um Frank Revermann und Finanzchef Tobias Volgmann bleibt im Amt. Rechtsanwalt Sven-Holger Undritz von der Kanzlei White & Case wurde zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Er werde im Auftrag des Gerichts die Geschäftsführung im Rahmen des Sanierungsverfahrens beaufsichtigen und dieses im Interesse der Gläubiger begleiten, hieß es.
Der Geschäftsbetrieb in den 160 Filialen in Deutschland und Österreich, der Zentrale in Hamburg und den beiden Zentrallagern läuft uneingeschränkt weiter. Alle Läden haben geöffnet. Auch der Onlineshop ist weiterhin verfügbar. Für die Monate September, Oktober und November 2022 übernimmt die Bundesarbeitsagentur die Löhne und Gehälter der 1800 Beschäftigten. Von Dezember 2022 an will das Familienunternehmen die Löhne und Gehälter wieder aus eigenen Mitteln zahlen. Die Geschäftsführung will bis dahin einen Sanierungsplan erarbeiten. „Wenn die Gläubiger diesem Plan zustimmen und das Gericht ihn bestätigt, wird der Erhalt und die nachhaltige Fortführung von Görtz gesichert“, so das Unternehmen.
Schuhe mit hohen Rabatten verkauft
Dass es bei Deutschlands größter Schuhkette nicht gut läuft, lässt sich seit einiger Zeit beobachten. In vielen Filialen werden Sneakers, Sandalen und Stiefel aus mehreren Saisons mit hohen Rabatten verkauft. Auch im Görtz-Stammhaus in der Spitalerstraße ist seit Monaten Schluss-Verkauf. Offizieller Grund: Die Filiale soll im Herbst modernisiert werden. Was daraus jetzt wird, ist offen. „Hinter uns liegen zwei katastrophale Jahre“, hatte Görtz-Chef Revermann im April im Abendblatt-Interview gesagt. „Wir müssen uns neu erfinden, weil der stationäre Handel sich neu erfinden muss.“
Das Unternehmen kämpft mit den Folgen der Pandemie mit monatelangen Lockdowns. Für 2020 hat die Muttergesellschaft Ludwig Görtz GmbH unter dem Strich einen Jahresfehlbetrag von 35,5 Millionen Euro stehen, lässt sich im Bundesanzeiger nachlesen. Aktuellere Zahlen wurden bislang nicht veröffentlicht. Bekannt ist allerdings, dass Görtz 2021 einen staatlichen Unterstützungskredit von 28 Millionen Euro erhalten hatte, um damit Ausfälle wegen der Corona-bedingten Ladenschließungen auszugleichen.
KfW-Bank seit Jahren als stiller Partner beteiligt
Die Mittel stammten aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds der Bundesregierung. Im Rahmen ihres Corona-Sonderprogramms ist die staatliche KfW-Bank seit dem Jahr 2020 als stiller Partner an der Finanzierung des Unternehmens beteiligt.Parallel hatte das 1875 gegründete Familienunternehmen zahlreiche Maßnahmen eingeleitet, um etwa bei Mieten und mit Filialschließungen Geld zu sparen.
Vor allem mit dem Ausbau des Online-Shops zu einem Marktplatz mit mehr als 100.000 Artikeln, über den auch andere Schuhanbieter ihre Waren verkaufen können, sollen die Geschäfte gleichzeitig angekurbelt werden. Dort ist inzwischen auch Mode verschiedener bekannter Marken erhältlich. Nach Unternehmensangaben macht der Onlinehandel mit zweistelligen Wachstumszahlen einen Umsatzanteil von 30 Prozent aus.
„Görtz ist eine starke und bekannte Marke"
Trotzdem: Während die Branche wieder etwas positiver in die Zukunft blickt, hat die aktuelle Entwicklung die Hoffnung auf eine schnelle Trendwende bei dem Hamburger Branchenprimus erstmal zunichte gemacht. Das ist besonders bitter, weil Görtz sich in den vergangenen Jahren nach der schweren Krise im Jahr 2014 in einem zähen Restrukturierungsprozess aus den roten Zahlen gearbeitet hatte. Revermann gibt sich zumindest schriftlich optimistisch, es auch dieses Mal zu schaffen.
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„Görtz ist eine starke und bekannte Marke, die weiterhin viel Potenzial in sich trägt. Als Omnichannelhändler sind wir überzeugt, dass wir nach der Sanierung eine erfolgreiche Zukunft erwarten können und ein nachhaltiges Wachstum erzielen werden“, so der 52-Jährige, der nach der Umbildung des Gesellschafterkreises 2020 auch Anteilseigner ist. Hauptgesellschafter ist mit 60 Prozent weiterhin die Gründerfamilie. Die Beteiligungsgesellschaft Afinum, die Seniorchef Ludwig Görtz ins Unternehmen geholt hatte, ist nicht mehr dabei.