Hamburg. Supermarkt Hoody am Eppendorfer Baum hat kaum Personal, ist fast immer geöffnet – und Zugang bekommt man über eine App.
Bananen, Milch und frische Brötchen, gefüllte Tortellini und Müsli, Grillkohle, Gesichtscreme, Riesling, frisches Obst und Gemüse – es ist so ziemlich alles da, was man mal eben ganz gut gebrauchen könnte, aber leider gerade nicht im Hause hat. Was in dem kleinen Lebensmittelgeschäft am Eppendorfer Baum aber fehlt, ist die Möglichkeit, den Einkauf auch – wie in anderen Läden – zu bezahlen: keine Kasse mit Personal, kein Kartenterminal, nicht einmal ein sogenannter Selfscanner. „Kann ich jetzt wirklich einfach gehen?“, sei die zweithäufigste Frage, die sie höre, sagt Ladenmanagerin Elena Gärtner. Die Antwort lautet: Ja, man kann bei Hoody wirklich einfach so gehen mit seinen Einkäufen. Das bezahlen geschieht quasi automatisch.
Hoody in Eppendorf: Hamburgs erster Supermarkt ohne Kassen
Der vor wenigen Tagen eröffnete Laden ist Hamburgs erster Supermarkt ohne Kassen und gilt als ein Teil der Antwort auf die Frage, wie das Einkaufen der Zukunft aussehen könnte: weitgehend ohne Personal, weitestgehend digitalisiert und fast rund um die Uhr. „Unser Bestreben war es, das einfachste und überzeugendste Einkaufserlebnis zu schaffen. Und ich denke, genau das haben wir auch verwirklicht“, sagt Patrick Müller-Sarmiento, Gründer des Hamburger Start-ups Autonomo, das hinter dem innovativen Einzelhandelskonzept steht. Es erinnert stark an die Läden von Amazon go in den USA.
Um bei Hoody – der Name leitet sich von neighborhood (Nachbarschaft) her – einkaufen zu können, müssen sich die Kunden allerdings eine App herunterladen und registrieren. Mobilnummer und Kreditkartendaten sind verpflichtend, alles weitere, selbst der Name, ist optional. „Wir können deshalb gar nicht wissen, wer bei uns einkauft“, sagt Fabian Winner, der das operative Geschäft von Hoody leitet und auch für die Expansion zuständig ist.
Einkaufen ohne Kassen in Hamburg: So funktioniert es
Mittels der App auf dem Smartphone öffnen Kunden die Ladentür und die dahinter installierte Schranke. Danach haben sie beide Hände frei, um ihre Einkäufe aus den Regalen und Kühltheken zu holen, einzustecken – und danach einfach zu gehen. „Derzeit dauert ein durchschnittlicher Einkauf bei uns drei Minuten, wobei wir davon ausgehen, dass sich viele Kunden erst mal etwas umschauen, weil sie das erste Mal im Geschäft sind. Später wird es vermutlich nur noch eine Minute sein“, sagt Winner.
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Welcher Kunde welche Produkte mitnimmt, wird komplett automatisch erfasst. Unter der Decke sind 32 Kameras installiert, die jeden Menschen im Laden als eine Art virtuellen und nicht identifizierbaren Besucher ständig im Blick haben. Die Ware selbst ist in den Regalen auf Waagen platziert, die signalisieren, ob ein Produkt entnommen oder zurückgestellt wurde. Die Kameras zeichnen zwar keine Bilder der Einkäufer auf, können aber erkennen, ob es etwa ein normales Pils oder die etwas teurere Variante mit einem Schuss Grapefruit in der gleichen Flasche ist, sagt Winner. Auch zwei Kunden, die gemeinsam einkaufen, bewältigt die Technik. Mehr als sechs Einkäufer gleichzeitig sollen es in der Anfangsphase aber nicht sein. Und an Wein und Bier in den verschlossenen Kühlschränken kommen nur Kunden, die die Hoody-App mit einer Altersverifizierung erweitert haben.
Hoody ist zwar kassenlos, Personal ist trotzdem da
Kurz nachdem der Kunde den Laden verlassen hat, meldet die App zunächst das Ende des Einkaufs. Wenige Minuten später kommt die detaillierte Abrechnung in Form eines elektronischen Bons. Eine Reklamationsfunktion hat die App auch.
„Wir wollen eine Art netter Nachbar sein, der Bekannten einen Schlüssel gibt, damit sie sich schnell holen können, was sie benötigen“, erklärt Winner das Hoody-Konzept. Das ist am Eppendorfer Baum nun von montags um 0 Uhr bis sonnabends um 24 Uhr möglich, sonntags nur von 10 bis 15 Uhr. Mehr lässt das Gesetz nicht zu. Gut 550 Produkte führt der Laden mit gerade einmal 70 Quadratmetern Verkaufsfläche. „Beim Sortiment gehen wir in die Breite, nicht in die Tiefe“, sagt Winner. Bei Hoody gebe es eine Sorte Ketchup – nicht acht oder neun. Weil fast alle Produkte eines der gängigen Biosiegel wie Demeter oder Bioland tragen, ist das Geschäft sogar eher ein Bio- als nur ein Supermarkt. Einzige Ausnahme sind einige Produkte aus Hamburg.
Hoody ist zwar kassenlos, Personal ist trotzdem da. Derzeit von 8 bis 22 Uhr, weil viele Kunden noch Fragen haben. Später solle der Laden jeweils einige Stunden am Vor- und Nachmittag besetzt sein, um Ware entgegenzunehmen und die Regale aufzufüllen, heißt es.
Das kassenlose Geschäft experimentiert mit flexiblen Preisen
Günstig aber ist der schnelle Einkauf trotz geringerer Personalkosten nicht, zeigt eine Stichprobe. So kostet ein 250-Gramm-Stück vegane Margarine dort 1,79 Euro, im Supermarkt einige Hundert Meter entfernt aber nur 1,19 Euro. Und für eine Flasche Ratsherrn-Bier, die bei Edeka für 1,19 Euro zu haben ist, verlangt Hoody 1,99 Euro. Für den stationären Einzelhandel in Deutschland noch äußerst ungewöhnlich: Das kassenlose Geschäft experimentiert sogar mit flexiblen Preisen.
Je nach Tageszeit und Lagerbestand können die Produkte mal teurer, mal billiger sein. „Nach 22 Uhr kostet eine Flasche Bier 10 Cent mehr. Wir bleiben aber grundsätzlich unter Tankstellen- und Kioskpreisen“, sagt Winner. Gekauft werde von den Eppendorfern nachts – so viel lässt sich nach einigen Tagen schon sagen – aber eher Obst als Alkoholisches.
Autonomo hat angekündigt, noch in diesem Jahr in anderen deutschen Städten weitere Hoody-Filialen eröffnen zu wollen. Gründer Müller-Sarmiento, der einst die Supermarktkette Real führte, will die von dem Hamburger Start-up selbst entwickelte Technologie aber auch anderen Händlern anbieten. „Bereits heute haben mehrere Handelspartner Vereinbarungen mit Autonomo unterzeichnet, um die Technologie zu integrieren“, teilte das Unternehmen vor der Hoody-Eröffnung mit.
Weitere Standorte auch in Hamburg „denkbar“
Einzelhändlern helfe „das hochprofitable Geschäftsmodell“ dabei, Probleme bei der Suche nach Mitarbeitern für den Beruf des Kassierers zu lösen. Nicht allein im Lebensmittelhandel. „Mit der Technologie lassen sich ja problemlos zum Beispiel auch T-Shirts oder USB-Sticks verkaufen“, sagt Fabian Winner.
Für Hoody werden einstweilen noch keine ganz konkreten Expansionspläne genannt, am Eppendorfer Baum sollen noch Erfahrungen gesammelt werden. Weitere Standorte auch in Hamburg seien aber „denkbar“ heißt es. Laden-Managerin Elena Gärtner ist überzeugt, dass das funktionieren würde. „Die häufigste Frage, die ich jetzt höre ist: Wann kommt ihr in meinen Stadtteil?“, sagt sie.