Hamburg. Die Hamburger Fischfeinkost-Firma verlegt die Produktion wegen der Energiekosten komplett nach Polen und hofft auf bessere Zeiten.

Es ist die vorerst jüngste Wendung in der wechselvollen und zuletzt jahrelang krisenhaften Geschichte eines traditionsreichen Hamburger Unternehmens: Die Eigentümer der Gottfried Friedrichs KG sind auf der Suche nach einem neuen Besitzer für die Fischfeinkost-Firma.

„Das Unternehmen wurde unter Einsatz erheblicher Ressourcen restrukturiert und auf einen guten Weg gebracht und soll nun altersbedingt an einen strategischen Partner zur erfolgreichen Weiterentwicklung verkauft werden“, erklärte Friedrichs-Geschäftsführer Mathias Schlüter. Der Verkaufsprozess sei gerade angestoßen worden. Die Management- und Strategieberatung Deloitte ist mit der Suche nach einem neuen Eigner beauftragt.

Hamburger Unternehmen wird verkauft

Zum Verkauf steht ein Unternehmen, das nach eigenen Angaben Marktführer für Premium-Räucherlachs hierzulande ist. 1908 von Namensgeber Gottfried Friedrichs in Altona gegründet, verweist die Firma bis heute schon in der Schreibweise auf ihre mehr als hundertjährige Geschichte. Man bezeichnet sich als „Erste Hanseatische Feinfisch-Manufactur“ und hat auch „Caviar“ sowie Forellen- und Matjesspezialitäten im Sortiment. Friedrichs ist die eine Marke des Unternehmens, Stührk die andere, die vornehmlich im Norden präsent ist und ebenfalls Lachs und „Caviar“ anbietet.

Ob Friedrichs oder Stührk – in den Kühlregalen der Supermärkte steht der Räucherlachs aus der Produktion der Hamburger an der Stelle des Sortiments, wo es ein bisschen (Stührk) oder richtig teuer (Friedrichs) ist. Im eigenen Onlineshop vertreibt das Unternehmen ganze Lachsseiten und Filetstücke zu Preisen zwischen 8,70 und 16,33 Euro – pro 100 Gramm.

KG legte Jahresabschluss nicht offen

Ein großer Teil der Arbeitsschritte erfolge weiterhin in traditioneller Handarbeit, betont das Unternehmen. In der jüngsten Untersuchung durch Ökotest erhielt von 20 getesteten Filets allein der Kodiak Wildlachs aus dem Hause Friedrichs die Bewertung „sehr gut“. Doch wirtschaftlich erfolgreich waren die Hamburger mit ihrer Premiumware offensichtlich nicht. Die KG selbst nutzte zuletzt die Möglichkeit, ihren Jahresabschluss nicht offenzulegen.

Im Konzernabschluss des Mutterunternehmens Drago Friedrichs finden sich Hinweise auf Verluste in Millionenhöhe im Geschäftsjahr 2020/21. Dort wird auf teils deutlich gestiegene Kosten bei der Beschaffung der Rohware aus Wildfang und Aquakulturen verwiesen. Zudem habe die Corona-Pandemie zu höheren Aufwendungen etwa in der Logistik geführt. Und mehrfach findet sich der Hinweis, die gestiegenen Kosten hätten nicht oder nur in geringem Umfang durch Preiserhöhungen im Geschäft mit den Abnehmern im gehobenen Lebensmittel-Einzelhandel kompensiert werden können. Ein weiterer erheblicher Kostenfaktor: Abfindungen und ein Sozialplan.

Produktion nach Polen verlegt

Friedrichs hat in den vergangenen Monaten seine Produktion erneut Richtung Osten verlegt. Veredelt werden Lachs und Matjes inzwischen ausschließlich im Werk im polnischen Doble nahe Stettin. Dort seien die Energie- und Lohnkosten deutlich geringer als in Deutschland, begründete das Unternehmen die Schließung seines Werks mit 120 Beschäftigten in Waren/Müritz Ende März dieses Jahres. Friedrichs-Gesellschafter Horst-Otto Gerberding erklärte dazu: „Um nachhaltig wettbewerbsfähig zu bleiben und die Zukunft unseres Unternehmens zu sichern, mussten wir an dem einzig wirk­samen Hebel ansetzen: der Optimierung unserer internen Kosten-, Betriebs- und Produktionsstrukturen.“

Auf Verständnis durfte das Unternehmen bei diesem Schritt nicht hoffen, denn die Produktion war erst knapp zwei Jahrzehnte zuvor von Hamburg nach Waren verlegt worden. Laut Presseberichten hatte die Landesregierung in Schwerin Friedrichs die Ansiedelung an der Müritz über die Jahre mit insgesamt um die zehn Millionen Euro Subventionen versüßt.

Hamburger Unternehmen musste Jobs streichen

Von der jüngsten Restrukturierung war auch der Friedrichs-Standort in Hamburg betroffen. Im Herbst vergangenen Jahres wurde die eigene Logistiksparte aufgelöst, deren Aufgaben outgesourct. Und auch in der Verwaltung fielen Stellen weg. Nach Firmenangaben hat die Zentrale im Gewerbegebiet am Hermann-Wüsthof-Ring nahe der Autobahnanschlussstelle Allermöhe (A 25) derzeit um die 30 Beschäftigte. Im Werk im polnischen Doble seien nun 190 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig, heißt es.

Hauptgesellschafter Gerberding sieht nun offenbar einen guten Zeitpunkt zum Ausstieg. Einen Namen hat er sich in einer anderen Branche gemacht – als Vorstandschef und Mitinhaber des Duft- und Geschmacksstoff-Herstellers Dragoco, eine Keimzelle des Weltmarktführers Symrise. Das Wirtschaftsmagazin ­„Forbes“ schätzte das Gerberding-Vermögen zuletzt auf knapp eine Milliarde Dollar.