Immobilieninvestor Dieter Becken hat mit seinen Bauten Hamburg verändert. Nun wurde der 73-Jährige für sein Lebenswerk geehrt.

  • Dieter Becken hat mit seinen Wohn- und Geschäftsbauten das Stadtbild Hamburgs wesentlich mitgeprägt
  • Nun wurde der 73 Jahre alte Baulöwe für sein Lebenswerk geehrt
  • Angefangen hat alles in bescheidenen Verhältnissen, die ihn lange begleitet haben

Er steht für den Berliner Bogen am Anckelmannsplatz, das Deichtorcenter an der Willy-Brandt-Straße, das Hanse-Forum am Axel-Springer-Platz, Neubauten am Heidenkampsweg, Hamburgs altes und neues Polizeipräsidium, die Entwicklung der City Süd in Hammerbrook und mehr als 40 weitere Bauprojekte quer durch Deutschland, die meisten davon in Hamburg. Dieter Becken ist Bauinvestor und Projektentwickler.

Er hat mit seinen Wohn- und Geschäftsbauten das Stadtbild Hamburgs wesentlich mitgeprägt. Er ist im wahrsten Sinne ein Baulöwe – hat den Löwen sogar zum Logo seines Unternehmens gemacht. Lernt man Becken aber kennen, wirkt er gar nicht so, wie man sich einen Baulöwen vorstellt, hemdsärmelig, kungelnd, gerissen. Stattdessen sieht man einen gut gekleideten, freundlichen, zurückhaltenden Mann, der seinen Gesprächspartner erwartungsvoll anblickt.

Gründerpreis 2022: Becken sieht sich nicht als Baulöwen

Das Treffen mit dem Abendblatt findet im Finnlandhaus statt, ein weiterer aufsehenerregender Bau an der Esplanade, den Becken vor etwa fünf Jahren zusammen mit einem benachbarten Bürokomplex erworben und saniert hat. Hier in den oberen Stockwerken hat die Becken Holding mit ihren Tochtergesellschaften den Hauptsitz, mit Blick über die Alster. Hier trifft man auch wieder auf den Löwen. Er prangt als Vereinfachung des finnischen Staatswappens gülden leuchtend an der Dachkante. Aus dem Konferenzraum im achten Stock mit einem gefühlt zehn Meter langen Konferenztisch hat man einen Blick über große Teile der Stadt und mindestens 30 Baukräne. „Das ist gut für mich“, sagt Becken zur Begrüßung. „Das zeigt, dass das Baugeschäft läuft.“

Dieter Becken ist 73 Jahre alt, groß, hager und sieht noch so aus wie auf Fotos vor 30 Jahren: graue Haare, hohe Stirn, kantiges Kinn. „Den Baulöwen, den Sie vor Augen haben, gibt es doch nur in schlechten Filmen“, sagt er. „Wäre ich so, stünde ich nicht da, wo ich heute bin“, sagt Becken. Dann zählt er einige hanseatische Tugenden auf – wie Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und Verpflichtungen einhalten. „Ohne die wäre ich nicht weit gekommen.“

Dieter Beckens Vater wurde verhaftet

Man kann der Aufzählung auch noch Ehrgeiz, Durchhaltevermögen und ein großes Gespür für Marktentwicklungen hinzufügen. Denn sie haben ihm dabei geholfen, seine als Einzelkämpfer gegründete Firma zu einem der heute kapitalstärksten Bauunternehmen in Deutschland zu machen. Angefangen hat alles in bescheidenen Verhältnissen, die ihn lange begleitet haben. Geboren wurde er 1949 als ältester Sohn einer Bauerstochter und eines Kriegsheimkehrers in einem kleinen Dorf zwischen Bad Doberan und Rostock in Mecklenburg-Vorpommern.

Mit drei Geschwistern wuchs er bis zum Alter von elf Jahren auf dem großelterlichen Hof auf. Sein Vater war Bauhandwerker. Diesem wurden einige Reisen in den Westen zum Verhängnis. Von dort brachte er Zeitungen mit, die er auch an Freunde in der DDR weitergab. Dafür wurde er verhaftet.

Becken arbeitete selbst auf dem Bau

„Es war Herbst. Ich kam gerade aus der Schule.“ Becken schildert dieses Ereignis ausführlich, weil es seinen weiteren Lebensweg geprägt hat, denn schließlich führten die Repressalien gegen seinen Vater 1960 zur abenteuerlichen Flucht der Familie aus der DDR. Nach einiger Zeit in Lagern landete die Familie in Tornesch. Nach Abschluss der Volksschule sagte ihm ein Berufsberater, er könne „maximal einfache handwerk­liche Berufe erlernen“. Becken wurde Maurer und arbeitete vier Jahre lang auf dem Bau.

„Ich wusste aber von Anfang an, dass ich nicht mein gesamtes Berufsleben mit der Kelle in der Hand verbringen wollte.“ Also besuchte er nebenher die Abendschule, fuhr nach jedem Arbeitstag abends nach Hamburg, um sein Abitur nachzuholen. Sechs Tage in der Woche – während seine Freunde ins Kino oder in die Disco gingen. Nur einmal, ein einziges Mal ist er mitgegangen und traf dort ein Mädchen, das ihm gefiel: seine heutige Ehefrau Ute.

Becken studierte Architektur in Hamburg

Anfangs lebten beide von dem Geld, das sie verdiente, denn Becken brachte kaum etwas nach Hause. Nach dem Abitur studierte er Architektur in Hamburg und nach dem Abschluss Bauingenieurswesen in Hannover. Schon damals war ihm klar: Er wollte keine Anstellung in einer Firma, er wollte selbstständig sein. Völlig blauäugig sei er ins Unternehmertum gestartet. „An einem Freitag erhielt ich mein Diplom, und am darauffolgenden Montag eröffnete ich meine eigene Firma, in einem leeren Friseursalon.“

Die Büromöbel hatte er vom Sperrmüll. „Ich war naiv, hatte keine Aufträge, kein Geld und kein Geschäftsmodell.“ Als er nach drei Wochen noch immer kein Geld verdiente, wurde er nervös. Um wenigstens etwas in die Kasse zu bekommen, arbeitete Becken als Zeichner von Schalungsplänen für Bauteile aus Beton. „Das ging mehrere Jahre so, und ich dachte, so komme ich nie auf einen grünen Zweig.“ Dann erwarb er ein Grundstück in Eidelstedt, wo er sein erstes Haus bauen und verkaufen konnte. „Ich hatte das erste Mal richtig Geld in der Tasche.“ Das war Beckens erstes Geschäftsmodell, nicht sein einziges.

Dieter Becken kaufte in der Baukrise Bauflächen

In den 1980er-Jahren begann Becken Bürokomplexe zu entwickeln und zu bauen. Es war die Zeit, in der die Dienstleistungsgesellschaft aufblühte und Büro­flächen rar waren – fast wie Gold. Becken baute mehrere Unternehmenssitze wie den heutigen VTG -Standort in Hammerbrook und merkte, dass mit Bürogebäuden noch mehr Geld zu verdienen war als mit Wohnhäusern. Zudem verstand er es, antizyklisch zu investieren. Als es Anfang der 2000er-Jahre zu einer Baukrise kam und die Bodenpreise fielen, kaufte und entwickelte er Bauflächen. Als die Nachfrage nach Büroraum wieder anzog, hatte Becken das Angebot.

Auch die Insolvenz der Philipp Holzmann AG 2002, mit der er Verträge hatte, hielt ihn nur kurz auf. „Ich habe damals kein Geld verloren“, sagt er heute, „aber zehn Jahre schlecht geschlafen.“ Denn die Krise verdeutlichte ihm, dass er selbst auf der Klippe balancierte: „Ich war bei allen Projekten im vollen Risiko.“ Zwar kam das Geld für seine Bauten von den Banken, aber Becken stand selbst in der Haftung, falls etwas schiefging. Und so entwickelte er 2006 wieder ein neues Geschäftsmodell.

Die Verleihung des Gründerpreises in der Fischauktionshalle

Die Gründerpreisgala in der Fischauktionshalle.
Die Gründerpreisgala in der Fischauktionshalle. © Marcelo Hernandez
Aldbundespräsident Christian Wulff (v.l.), Preisträger Dieter Becken und Haspa-Chef Harald Vogelsang
Aldbundespräsident Christian Wulff (v.l.), Preisträger Dieter Becken und Haspa-Chef Harald Vogelsang © Michael Rauhe
Die Aufsteiger des Jahres: Traceless Materials mit Moderatorin Vanessa Seifert vom Hamburger Abendblatt.
Die Aufsteiger des Jahres: Traceless Materials mit Moderatorin Vanessa Seifert vom Hamburger Abendblatt. © Marcelo Hernandez
Prof Dr Norbert Aust von der Hamburger Handelskammer begrüßte die Gäste.
Prof Dr Norbert Aust von der Hamburger Handelskammer begrüßte die Gäste. © Marcelo Hernandez
 Til Walz und seine Frau Suzana vom Jumphouse
Til Walz und seine Frau Suzana vom Jumphouse © Michael Rauhe
Kristina und Ulrich Tröger
Kristina und Ulrich Tröger © Michael Rauhe
Hartmut Juhl vom Unternehmen Indivumed mit Ehebrau Bianca.
Hartmut Juhl vom Unternehmen Indivumed mit Ehebrau Bianca. © Marcelo Hernandez
Doreen Hotze (HWWI, v. l.), Norbert Aust (Handelskammer) Ingrid Nümann-Seidewinkel (Patriotische Gesellschaft).
Doreen Hotze (HWWI, v. l.), Norbert Aust (Handelskammer) Ingrid Nümann-Seidewinkel (Patriotische Gesellschaft). © Marcelo Hernandez
Ulf Lunge (v.l.) , seine Frau Katrin und Lars Lunge.
Ulf Lunge (v.l.) , seine Frau Katrin und Lars Lunge. © Michael Rauhe
Josef Katzer mit seinem Sohn Christian.
Josef Katzer mit seinem Sohn Christian. © Michael Rauhe
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Becken führte eine Managementebene ein

Er verkaufte seinen gesamten Immobilienbestand für 650 Millionen Euro an die US-amerikanische Investitionsbank Morgan Stanley. Nur wenige Monate später platzte die Immobilienblase in den USA, die große Finanz- und Wirtschaftskrise begann. „Ich werde heute noch gefragt, wie ich das voraussehen konnte. Aber das konnte ich gar nicht. Es war ein glücklicher Umstand, dass das Geschäft kurz zuvor abgeschlossen wurde.“

Glück hatte er auch, dass Morgan Stanley trotz hoher eigener Verluste die Zahlungsverpflichtungen einhielt. Um das Risiko zu verteilen und künftig die eigene Haftung zu minimieren, strukturierte Becken sein Unternehmen auf eine Holdingstruktur mit einzelnen Kapitalgesellschaften um und führte eine Managementebene ein.

Dennoch handele es sich immer noch um eine Familienfirma, betont Becken. Ehefrau Ute hat bis vor einiger Zeit noch die Lohnbuchhaltung gemacht. Beckens Tochter Nadine führt ein familieneigenes Family Office und sitzt im Verwaltungsrat. Schwiegersohn Michael, der den Familiennamen angenommen hat, leitet eine der Unternehmenstöchter.

Das sind die anderen Preisträger

Becken ist HSV-Fan, wenn auch seine Berufung in den Aufsichtsrat des Vereins 2014 nur ein vierjähriges Gastspiel war. Er bezeichnet sich als politisch interessiert, wenn auch keiner Partei zugehörig. Gleichwohl zählt er den früheren Bürgermeister Ole von Beust (CDU) zu seinen Freunden. Becken gehörte sogar 2001 zu seinem Wahlkampfberaterteam.

Eine besondere Nähe zum Skandalsenator Ronald Schill, die ihm nachgesagt wurde, verneint er: „Ich kannte ihn. Politisch war er mir fern.“ Die Auszeichnung mit dem Gründerpreis bezeichnet Becken als große Ehre. Nur ein Wort sei ihm über die Lippen gekommen, als Haspa-Chef Harald Vogelsang ihn über die Entscheidung informierte: „Gänsehaut“.