Hamburg. Arbeitgeber und Gewerkschaft haben in der zehnten Runde einen Kompromiss gefunden. Doch Ver.di möchte nun noch mal die Basis befragen.

Die Dramatik war allen Beteiligten klar. Als sich die Verhandlungskommissionen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer für die rund 12.000 Beschäftigten in den deutschen Seehäfen am Montagmorgen in einem Bremer Hotel zu ihrer zehnten Gesprächsrunde über einen neuen Tarifvertrag trafen, wussten beide Seiten, was auf dem Spiel steht. Sollten sie sich nicht einigen, würde es wieder zu Streiks kommen. Die Häfen könnten wieder zum Stillstand gebracht werden, wie bereits im Juni und Juli, weil in dieser Woche die Friedenspflicht endet, auf die sich beide Seiten verständigt hatten.

Am Montag gab es zunächst kein Ergebnis. Und auch am gestrigen Dienstag taten sich die Verhandler schwer. Erst am Nachmittag sickerten erste Meldungen über eine Einigung durch. Nach stundenlangen Beratungen drang aus der Bundes­tarifkommission der Gewerkschaft Ver.di nach draußen, dass man sich darauf verständigt habe, das Angebot der Arbeitgeberseite anzunehmen. Damit können die härtesten Tarifauseinandersetzungen in der Hafenbranche seit Jahrzehnten womöglich ein Ende finden.

Hafen Hamburg: Ver.di will sich rückversichern

Allerdings nicht sofort: Bevor Ver.di dem neuen Tarifvertrag zustimmt, will die Gewerkschaft sich erst bei ihren Mitgliedern rückversichern. Die Ver.di-Verhandlungsführerin Maya Schwiegershausen-Güth sprach am Abend von einem „sehr guten Ergebnis“. Die Gewerkschaft werde aber nun einen Diskussionsprozess mit den Mitgliedern in den Betrieben über das Tarifergebnis einleiten. In der nicht bindenden Befragung will sich die Bundes­tarifkommission den nötigen Rückhalt holen, um dem Tarifvertrag endgültig zuzustimmen. Dies soll am 5. September geschehen. Die Verhandler der Arbeitnehmer tun sich also weiter schwer.

Hintergrund ist, dass Ver.di einen Tarifvertrag für ein Jahr abschließen wollte, die Arbeitgeber beharrten auf zwei Jahre. Weil niemand voraussagen kann, wie sich die bereits hohe Inflation im zweiten Jahr entwickeln wird, wollten die Arbeitnehmer einer Pauschalerhöhung der Löhne und Gehälter der Hafenarbeiter nicht zustimmen. Herausgekommen ist eine komplizierte Rechnung, die Ver.di schließlich einlenken ließ.

Neuer Tarifvertrag läuft zwei Jahre

Demnach wird der neue Tarifvertrag 24 Monate laufen. Die Hafenarbeiter erhalten rückwirkend zum ersten Juni 1,20 Euro pro Stunde mehr Gehalt. Laut Ver.di steigen die Entgelte in Vollcontainerbetrieben in der wichtigsten Lohngruppe 6 inklusive Sonderzahlungen um 9,4 Prozent; in den konventionellen Hafenbetrieben legen sie in der gleichen Referenzlohngruppe um 7,9 Prozent zu. Ab 1. Juni 2023 erhöhen sich die Entgelte dann in den genannten Betriebsformen um jeweils weitere 4,4 Prozent.

Sollte die Preissteigerungsrate darüber liegen, tritt eine Inflationsklausel in Kraft, die eine Preissteigerungsrate von bis zu 5,5 Prozent ausgleichen würde. Beträgt die Inflation mehr als 5,5 Prozent, können die Arbeitnehmer zwei Nachverhandlungsrunden verlangen. Wird man sich dann nicht einig, tritt schließlich ein Sonderkündigungsrecht zum vorzeitigen Ausstieg aus dem Tarifvertrag in Kraft. „Das ist ein sehr gutes Ergebnis“, sagte Ver.di-Verhandlungsführerin Maya Schwiegershausen-Güth. „Unser wichtigstes Ziel war ein echter Inflationsausgleich, um die Beschäftigten nicht mit den Folgen der galoppierenden Preissteigerung alleinzulassen. Das ist uns gelungen.“

Große Warnstreiks im Juni und Juli

Auch der ZDS zeigte sich erleichtert. „Wir begrüßen, dass unser Angebot von der Bundestarifkommission zur Annahme empfohlen wurde. In einer gemeinsamen Kraftanstrengung ist es uns auch mithilfe neuer Instrumente gelungen, einen Kompromiss zu finden“, hieß es in einer Stellungnahme des Arbeitgeberverbands. „Gleichwohl stellt dieses Verhandlungsergebnis für die Seehafenbetriebe eine immense Kraftanstrengung dar. Wir warten nun die weitere Entscheidungsfindung bei Ver.di ab.“ Schon zu Beginn der Verhandlungen im Mai hatten die Arbeitgeber gewarnt, dass die Forderungen der Arbeitnehmerseite die Hafenunternehmen schwächen würde.

Ver.di war mit Forderungen von Gehaltssteigerungen um bis zu 14 Prozent an den Start gegangen. Weil es in mehreren Verhandlungsrunden zu keinen Ergebnissen kam, wurden im Juni und im Juli Warnstreiks ausgerufen, die die deutschen Seehäfen stilllegten: in der ersten Runde für 24 Stunden, dann für zwei Tage. Es handelte sich um die ersten Hafenstreiks seit 40 Jahren. Die Arbeitsniederlegungen führten zu weiteren Verzögerungen beim Containerumschlag, der seit Beginn der Pandemie aus dem Takt geraten ist.

Hafen Hamburg: Entscheidung fällt im September

Solange der Tarifkonflikt schwelte, waren viele Hafenarbeiter auch nicht dazu bereit, den Stau in den Containerlagern durch Mehrarbeit zu verringern. Das könnte sich jetzt ändern. Sollte die Mitgliederdiskussion aber am Ende negativ ausfallen, dann wäre auch noch ein Nein zu dem Kompromiss möglich. Am 5. September wissen alle mehr.