Hamburg. Die Verhandlungen im Tarifstreit um die Löhne für Hafenarbeiter gehen in die zehnte Runde. Doch die Zeichen stehen nicht auf Einigung.
Nach neun Verhandlungsrunden und einer Serie von Warnstreiks tritt der Tarifkonflikt um die Löhne für Hafenarbeiter in den Nordseehäfen in eine entscheidende Phase. Die Gewerkschaft Ver.di und die Hafenbetriebe nehmen am Montag in Bremen ihre Tarifgespräche wieder auf.
Bei Hafenlogistikern herrscht die große Sorge, dass Verdi im Falle einer ergebnislosen Runde sogleich zu einem weiteren Warnstreik aufrufen könnte – und schlimmstenfalls sogar eine Urabstimmung über einen längeren Erzwingungsstreik initiiert. „Deshalb hoffen wir, dass bei Verdi in der kommenden Woche die Vernunft obsiegt und sich die kompromissbereiten Kräfte durchsetzen und es zu einem Abschluss kommt“, heißt es beispielsweise beim Hamburger Hafenlogistiker HHLA. Auch auf Arbeitgeberseite hieß es jedoch schon, das vorliegende Angebot sei „final“.
Hafen Hamburg: Nach dieser Verhandlungsrunde endet die Friedenspflicht
Beide Seiten haben zuvor zwar ihren Einigungswillen bekundet, liegen in der Einschätzung des Verhandlungsstandes aber auseinander. Während der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) nach der neunten Runde vor knapp zwei Wochen von Annäherungen sprach, hatte sich Verdi-Verhandlungsführerin Maya Schwiegershausen-Güth „enttäuscht über die geringe Annäherung“ geäußert. Am Freitag forderte sie vom ZDS abermals ein verbessertes Angebot. Es liege nun an den Arbeitgebern, ob es zu einem Verhandlungsergebnis komme.
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Die zehnte Runde ist der letzte von drei Terminen, die die Tarifparteien nach einem gerichtlichen Vergleich vereinbaren mussten. Im Gegenzug wurde vereinbart, dass weitere Warnstreiks bis zu dieser Runde ausgeschlossen sind. „Wir erwarten nach wie vor, dass die Arbeitgeberseite die gerichtlich verordneten drei Verhandlungstermine nutzt, um einen Tarifabschluss voranzubringen und entsprechende Angebote zu unterbreiten“, sagte Schwiegershausen-Güth.
Tarifstreit: Das sind die Positionen von Gewerkschaft und Arbeitgebern
Im Kern geht es in dem Konflikt darum, die Verdi-Forderung nach einem Ausgleich der aktuell sehr hohen Inflation mit dem Wunsch der Arbeitgeber nach einer 24-monatigen Laufzeit zusammenzubringen. Im Gespräch waren zuletzt mögliche Mechanismen und Kriterien, die im Falle einer 2023 anhaltend hohen Teuerung eine Nachbesserung oder Nachverhandlung für das zweite Jahr der Laufzeit ermöglichen würden. Nach Verdi-Angaben haben die Arbeitgeber in der vorigen Verhandlungsrunde „ein Modell vorgelegt, das das Risiko für mögliche Preissteigerungen im zweiten Jahr zu 30 Prozent auf die Beschäftigten verlagert“.
Die Gewerkschaft war mit einem Forderungspaket in die Verhandlungen gegangen, das nach Verdi-Angaben in der Spitze Lohnerhöhungen von bis zu 14 Prozent bei einer Laufzeit von 12 Monaten bedeuten würde. Auf dem Tisch liegt seit Anfang Juli ein als „final“ bezeichnetes Angebot der Arbeitgeber - bei allerdings 24 Monaten Laufzeit - mit 12,5 Prozent mehr für die Beschäftigten in Containerbetrieben und 9,6 Prozent für Mitarbeiter in konventionellen Betrieben. Für „Beschäftigungssicherungsbetriebe“ mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten und einem Sanierungstarifvertrag taxiert der ZDS das Angebot auf 5,5 Prozent.
Hafen Hamburg: In Großbritannien streiken die Hafenarbeiter bereits
Im Hafen ist die Sorge groß, dass es – sollten die Verhandlungen ohne Ergebnis bleiben – zu einem Streik kommen könnte, der mehr als nur einige Stunden oder wenige Tage dauern könnte. In Großbritannien hat ein solcher bereits begonnen: Am größten Containerhafen des Vereinigten Königreichs in Felixstowe wollen die Hafenarbeiter von Sonntag an für acht Tage die Arbeit niederlegen.
Der Streik droht, die durch den Brexit und die weltweiten Krisen angespannten Lieferketten weiter zu belasten: „Fast die Hälfte des britischen Containerverkehrs geht durch den Hafen in Felixstowe hindurch und 65 Prozent der ankommenden Container“, sagte die britische Handelsexpertin Rebecca Harding der Deutschen Presse-Agentur. Ein achttägiger Streik, wie er von Sonntag an geplant ist, bedeute ein Risiko für Im- und Exporte im Wert von rund 800 Millionen Pfund (rund 950 Mio Euro) - besonders betroffen sei die Kleidungs- und Elektronikbranche. Auch in Großbritannien entzündete sich der Streit an Lohnerhöhungen im Angesicht der stark gestiegenen Inflation – in Großbritannien lag sie im Juli bei mehr als zehn Prozent.