Hamburg. Die Brauerei in der Schanze feiert zehnjähriges Bestehen – und produziert nur noch mit selbst angebauter Gerste.

Oliver Nordmann wäre es sehr recht, wenn die Hamburger etwas patriotischer wären. Mindestens bei der Auswahl ihrer bevorzugten Biermarke. „Es wäre doch schön und auch nachhaltiger, wenn noch mehr Leute sagen: Ich trinke lieber ein Bier aus der Heimat“, sagt der Mitinhaber der Nordmann-Gruppe.

Natürlich denkt er dabei auch an die Ratsherrn-Brauerei in Hamburg, die ein Teil des Firmenimperiums rund um Gastronomie, Getränke und Lebensmittel ist.

Hamburger Brauerei will Lieblingsbier werden

Seit mittlerweile zehn Jahren wird Ratsherrn – die Anfang der 1950er-Jahre geschaffene Premiummarke der damaligen Elbschloss-Brauerei in Nienstedten – mitten in der Stadt gebraut. Am Freitag und Sonnabend wird das Jubiläum mit einem Hoffestival in den Schanzenhöfen gleich neben dem Bahnhof Sternschanze begangen. Es ist zugleich einer von vielen Bausteinen auf dem Weg zu einem großen Ziel: Ratsherrn will und soll zum Lieblingsbier der Hamburger werden.

Nachdem die Corona-Krise weitgehend überwunden scheint, und Ratsherrn in diesem Jahr voraussichtlich wieder annähernd so viel Bier verkaufen kann wie im Vor-Pandemie-Jahr 2019, geben Oliver Nordmann und sein Sohn Niklas der Marke mit vielerlei Innovationen und Aktionen einen Schub. Ein wichtiges Ziel: „Wir wollen den Bekanntheitsgrad erhöhen, wir müssen lauter und sichtbarer werden“, sagt Niklas Nordmann. Das belegen die Ergebnisse der Konsumentenforschung. „Vielen Hamburgern ist der Name Ratsherrn zwar geläufig, aber gleichzeitig wissen viele nicht, dass es komplett hier in Hamburg gebraut wird“, sagt sein Vater.

Sonderedition für 20 Stadtteile

Nun sollen Stadtteil-Editionen dabei helfen, die Marke im Bewusstsein der Käufer stärker mit Hamburg zu verknüpfen. In einigen Tagen kommt das Pilsener mit unterschiedlichen Etiketten in den Handel, auf denen – von Winterhude bis Wilhelmsburg, von Bergedorf bis Billstedt – 20 Stadtteile genannt werden. Es ist ein Stück Lokalpatriotismus auf der Flasche. Zeilweise wird es das Pilsener nur mit diesen Etiketten geben.

Auf Dauer angelegt ist die Idee, den Kunden zu vermitteln, dass Ratsherrn das frischeste Bier ist oder zumindest zu den frischesten Bieren gehört, die in den Regalen von Super- und Getränkemärkten stehen – und zumeist erst zwei bis drei Wochen zuvor abgefüllt wurde. „Wir drucken schon sehr bald nicht nur das Mindesthaltbarkeitsdatum, sondern auch das Abfülldatum des Biers auf das Etikett“, kündigt Niklas Nordmann an.

Gebraut wird nur noch mit eigener Gerste

Und auch in der Flasche ändert sich etwas. Die gesamte jährliche Produktionsmenge von bis zu 50.000 Hektolitern (fünf Millionen Litern) Bier wird nun aus eigener Gerste gebraut, die im Sommer auf Rügen geerntet wurde. „Wir betreiben bereits seit 20 Jahren Öko-Landwirtschaft auf Rügen. Jetzt hatte sich die Gelegenheit ergeben, gemeinsam mit einem Partner einen großen Betrieb direkt in der Nachbarschaft zu erwerben“, sagt Oliver Nordmann. Die Ernte auf den insgesamt 167 Hektar Sommergerste sei sehr gut gewesen.

Der eigene Anbau sichert der Brauerei dauerhaft den wichtigen Rohstoff Braugerste. „Bisher haben wir sie bei Großhändlern gekauft. Da ist einfach schwer nachvollziehbar, woher sie stammt und wie lang die Transportwege waren.“ Gemälzt wird die Gerste von der Ostseeküste bevor sie in der Brauerei verarbeitet wird, in einem Hamburger Unternehmen. Bioqualität hat das Ratsherrn-Getreide zwar nicht, aber es stamme aus sogenanntem integrierten Anbau, bei dem der Einsatz von Pflanzenbehandlungsmitteln auf ein Mindestmaß reduziert wird, heißt es.

Auch auf Sylt trinkt man jetzt Ratsherrn

Auf Nachhaltigkeit setzt Ratsherrn auch bei der Abfüllung des Biers. In der 2020 eröffneten eigenen Abfüllanlage gibt es zwar auch die Möglichkeit, Dosen zu befüllen, doch genutzt wurde dies bisher kaum – obwohl der Dosenanteil beim Bier derzeit steigt. „Ich bin kein Freund der Dose“, sagt Oliver Nordmann, „aber beim Export ist ihre Ökobilanz besser – und wir müssen auch darauf gucken, was die Kunden wollen.“ Sohn Niklas sagt: „Wir werden Ratsherrn in Dosen jedenfalls nicht offensiv in den Markt drücken.“

Er ist es, der die Geschicke der Brauerei inzwischen maßgeblich mitbestimmt. Eine Verdoppelung der Produktionskapazität auf 100.000 Hektoliter pro Jahr, wie sie vor der Pandemie schon einmal angekündigt war, sei weiterhin denkbar, sagt er. Aktuell stehe sie aber nicht an. Zu groß sind die Unsicherheiten, wie sich der Absatz in der Gastronomie nach Corona entwickele. Als neue Absatzregionen gelten vor allem die Hansestädte. Aber auch auf Sylt ist Ratsherrn mittlerweile durchaus präsent. „Wir gehen gezielt dahin, wo viele Hamburger sind.“ Auf der Insel konnten zunächst einige Gastronomen gewonnen werden, bald darauf stand das Bier aus der Schanze in ersten Sylter Supermärkten.

Hamburger Brauerei Ratsherrn setzt auf die Heimat

Die neuen Sorten Hamburger Helles und das 0,0-Prozent-Bier verkaufen sich sehr gut. Nun soll in wenigen Tagen ein Märzen folgen, das klassische Oktoberfestbier. Und insgesamt werde es künftig mehr Saisonbiere für Sommer oder Winter geben, heißt es. Auch das soll Ratsherrn weiter nach vorne bringen Richtung Hamburgs Lieblingsbier. „Eine in ihrem Heimatmarkt gut verwurzelte Marke hat dort einen Anteil von mindestens zehn Prozent. Wir liegen im Hamburger Handel derzeit bei drei Prozent. Das zeigt, welche Hausaufgaben wir noch haben“, sagt Oliver Nordmann.

Insgesamt hat die Unternehmensgruppe nach seinen Angaben bislang um die 30 Millionen Euro in Ratsherrn investiert. Zahlt sich das aus? „Eine Brauerei ist ein langfristiges, ein generationenübergreifendes Investment“, sagt Nordmann lächelnd – und fügt hinzu: „Aber mittlerweile sehen wir gute Chancen, dass auch mal eine Rendite kommt.“ Was wohl niemals kommt, ist der Schriftzug Ratsherrn an der Fassade der Brauerei, den er sich so wünscht. Die Schanzenhöfe stehen unter Denkmalschutz.