Hamburg. Der Konzern begründet die Preiserhöhung nicht nur mit den gestiegenen Energiekosten. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Im Winter kommen extrem hohe Energierechnungen auf die Hamburger zu. Nicht nur die Gaspreise sind auf Rekordniveau, auch die Strompreise ziehen an, wie die erst am Donnerstag angekündigte kräftige Erhöhung des Grundversorgungstarifs von Vattenfall zum 1. Oktober zeigt.

Was sind die Ursachen? Bleibt man besser in der Grundversorgung oder entscheidet sich für einen Tarif mit Preisgarantie? Droht ein Blackout, wenn Millionen Heizgeräte an das Netz gehen? Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zur Stromkrise.

Wie ist die Lage am Strommarkt?

Im Juli kostete eine Megawattstunde an der Strombörse im Schnitt 304 Euro. Gegenüber dem Vorjahr hat sich der Preis damit fast vervierfacht. Für neu abgeschlossene Verträge liegt der Durchschnittspreis für eine Kilowattstunde (kWh) bereits bei 50 Cent, so das Vergleichsportal Verivox und bei Bestandsverträgen bei 42 Cent. Die Kosten für fossile Brennstoffe sind stark gestiegen. Hitze und Dürre lassen Atomkraftwerke in Frankreich ausfallen.

Auch der aus Gas gewonnene Strom wird teurer. Der Plan, diese Gaskraftwerke durch bereits stillgelegte Kohlekraftwerke zu ersetzen, kommt kaum voran. Nach Angaben der Bundesnetzagentur ist bisher lediglich ein Kohlekraftwerk in Mehrum in Niedersachsen wieder ans Netz gegangen. „Die Entscheidung über eine Rückkehr an den Strommarkt liegt in der Verantwortung des jeweiligen Kraftwerksbetreibers“, sagt ein Sprecher der Bundesnetzagentur. Bisher seien keine weiteren Ankündigungen von Kraftwerksbetreibern über eine Rückkehr bekannt.

Wer ist der günstigste Stromanbieter in Hamburg?

Bisher verlangt Vattenfall in der Grundversorgung einen Arbeitspreis von 28,88 Cent je kWh. Mit der Erhöhung um 15,3 Prozent zum 1. Oktober steigt er auf 33,29 Cent je kWh. Damit liegt Vattenfall einschließlich seiner Sondertarife aber immer noch vor den anderen vergleichsweise günstigen Anbietern, die mithilfe des Vergleichsportals Verivox ermittelt wurden (siehe Tabelle).

„Unsere Kundinnen und Kunden in der Grundversorgung profitieren derzeit noch von der langfristigen Beschaffungsstrategie und dem Zeitpunkt der Beschaffung des Stroms“, sagt eine Sprecherin von Vattenfall. Die Preise in der Grundversorgung wurden zuletzt zum 1. Juli 2022 angepasst, weil zu diesem Zeitpunkt die EEG-Umlage für Stromkunden weggefallen ist. Entsprechend wurde der Tarif gesenkt.

Wie lange wird der Grundversorgungstarif stabil bleiben?

Da jetzt eine Erhöhung zum 1. Oktober angekündigt wurde, dürften die Preise in der Grundversorgung für einige Monate stabil bleiben, sodass die nächste Erhöhung wahrscheinlich frühestens im Frühjahr kommt. Laut Grundversorgungsordnung müssen Preiserhöhungen sechs Wochen vorher angekündigt werden.

Anders als bei den Sondertarifen gibt es in der Grundversorgung keine Preisgarantie. Nach einer Übersicht des Vergleichsportals Check24 haben seit März bereits mehr als 700 Stromgrundversorger ihre Tarife um im Schnitt 20 Prozent erhöht. Die individuellen Sondertarife werden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit erhöhen, wenn die Preisgarantie endet. Auch die in der Tabelle ausgewiesenen Neukundentarife können sich täglich ändern.

Wie komme ich in den Grundversorgungstarif?

Wer nicht in der Grundversorgung ist, hat in der Regel einen Sondertarif, an den man meist für ein Jahr gebunden ist. Die Kündigungsfrist beträgt meist einen Monat. Bei einer Preiserhöhung gibt es ein Sonderkündigungsrecht. Läuft der Vertrag aus, kann man in die Grundversorgung wechseln – in Hamburg zu Vattenfall. „Man sollte dem Grundversorger rechtzeitig vor Auslaufen des Vertrages mitteilen, dass man über den Grundversorgungstarif beliefert werden will“, sagt Tom Janneck, Leiter des Referats Energiewende Nachhaltigkeit bei der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. Auf der Internetseite von Vattenfall ist es möglich, den Grundversorgungstarif Hamburg Basis Privatstrom online zu bestellen.

Lohnt ein aktuell höherer Sondertarif wegen der Preisgarantie?

Das ist eine Abwägungssache. Auch ab Oktober ist der Grundversorgungstarif von Vattenfall immer noch etwas günstiger als der nächstteurere Tarif von Vattenfall mit 24 Monaten Preisgarantie (s. Tabelle). „35 Cent je Kilowattstunde bei diesem Tarif sind in dem aktuellen Preisumfeld ein akzeptabler Preis“, sagt Janneck.

Der Grundversorgungstarif kann früher oder später erhöht werden. „Andererseits bin ich mit einem solchen Vertrag sehr flexibel, weil er jederzeit mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden kann“, sagt Janneck. Aber der Strompreis werde in den nächsten Monaten sicherlich nicht sinken. Insofern kann es sich lohnen, bei einem Verbrauch von 3500 kWh mit 1381 Euro im Jahr einen etwas teureren Tarif zu wählen, mit dem relativ sicher die Kosten über zwei Jahre festgezurrt sind.

„In der Beratung zeigen wir Verbrauchern beide Optionen auf, die Entscheidung müssen sie selber treffen, weil keiner eine sichere Prognose zur Entwicklung der Strompreise in dieser Lage abgeben kann“, sagt Jan Bornemann, Energieexperte der Verbraucherzentrale Hamburg.

Mit Blick auf den Durchschnittspreis von 50 Cent je kWh bei Neuabschlüssen wird eine langfristige Bindung noch attraktiver. Auch der Abstand zum nächstgünstigsten Anbieter Eins mit 24 Monaten Preisgarantie (1591 Euro) zeigt die gute Wettbewerbsposition von Vattenfall. Andere Anbieter mit 24 Monaten Preisgarantie wie Lichtblick (Jahrespreis 1755 Euro) oder E.on (2243 Euro) sind noch deutlich teurer.

Wie sicher ist die Preisgarantie?

Die Anbieter übernehmen keine Preisgarantie, wenn sich die Mehrwertsteuer ändert oder die Stromsteuer erhöht wird. Auch neue gesetzliche Abgaben, wie sie jetzt beispielsweise beim Gaspreis eingeführt werden sollen, sind davon nicht abgedeckt. Allerdings zeichnet sich eine solche Abgabe für Strom nicht ab. „Wir beobachten aber, dass einige Anbieter versuchen, die einmal gegebene Preisgarantie mit Verweis auf hohe Energiepreise wegen des Ukraine-Krieges auszuhebeln“, sagt Janneck. Deshalb sei es auch wichtig, die Seriosität des Energieversorgers einschätzen zu können.

Was hat die Abschaffung der EEG-Umlage gebracht?

Diese Umlage wurde zum 1. Juli abgeschafft. So wurde der Strompreis um 3,72 Cent je Kilowattstunde abgesenkt. Nach Berechnungen des Vergleichsportals Verivox wird ein Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4000 kWh zunächst um 177 Euro entlastet. Versorger sind gesetzlich dazu verpflichtet, diese Senkung weiterzugeben, sie darf also nicht direkt mit höheren Beschaffungskosten verrechnet werden.

„Es sieht aber so aus, als wenn die Absenkung des Strompreises um die EEG-Umlage durch die aktuelle Situation letztlich wieder aufgezehrt wird, da auch die Strompreise steigen“, sagt Janneck. Seit ihrer Einführung im Jahr 2000 hat die EEG-Umlage für einen Drei-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4000 kWh zusammengerechnet Kosten in Höhe von 3583 Euro verursacht. Ein Sin­gle-Haushalt (1500 kWh) zahlte für den Ausbau der erneuerbaren Energien in 22 Jahren 1344 Euro, ermittelte das Vergleichsportal Verivox.

Welche Belastungen drohen für die Stromversorgung im Winter?

Nach einer Umfrage des Vergleichsportals Verivox wollen 40 Prozent der Haushalte mit Strom heizen, wenn im Winter die Gasversorgung ausfällt. Zehn Prozent der Haushalte haben bereits ein elektrisches Heizgerät gekauft (s. Grafik). „Wir sehen die aktuelle Entwicklung mit einiger Sorge, da unsere Stromversorgung für eine derartige gleichzeitige Zusatzbelastung nicht ausgelegt ist“, sagt Martin Kleimaier vom Verband der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik.

Er zeichnet folgendes Szenario: In Deutschland existieren 20 Millionen Gasheizungen. Wenn nur jeder zweite Haushalt an einem kalten Wintertag ein elektrisches Heizgerät mit einer typischen Leistungsaufnahme von 2000 Watt in Betrieb nimmt, entspricht das einem zusätzlichen elektrischen Verbrauch von rund 20 Gigawatt. Das würde die aktuellen Jahreshöchstlast in Deutschland um ein Viertel steigern. Das könnten weder die Stromnetze noch die vorhandenen Kraftwerke leisten.

Diese Einschätzung bestätigt Stromnetz Hamburg. „Dann haben wir für Hamburg ein Pro­blem“, so eine Sprecherin. Es drohen Lastabwürfe. Das bedeutet, dass ein Stromverbraucher ungeplant abgeschaltet wird. Meist trifft es zunächst Industriebetriebe, die gegen eine Entschädigung ihren Stromverbrauch zurückfahren. Nach Angaben der Sprecherin stehe es noch nicht fest, wie man bei einer Strommangellage in Hamburg reagieren werde.