Hamburg. Umlage und hohe Börsenpreise können Kilowattstundenpreis auf 34 Cent steigen lassen. Welcher Anbieter in Hamburg am günstigsten ist.

Noch nie war die Lage am Gasmarkt wegen der ausbleibenden russischen Gaslieferungen angespannter als jetzt. Doch die tatsächlichen Preise sind bei den meisten Kunden noch gar nicht angekommen. Gemessen am aktuellen Börsenpreis für Gas könnten sie 31 Cent je Kilowattstunde (kWh) erreichen. Die neue staatliche Gasumlage von bis zu fünf Cent ist darin noch nicht enthalten. Wie ist die Lage in Hamburg? Was kommt auf Verbraucher zu? Mit welchen Kosten müssen sie künftig rechnen? Gibt es noch günstige Anbieter? Das Abendblatt sprach mit Experten und beantwortet die wichtigsten Fragen.

Gas in Hamburg: Wie ist die Lage am Markt?

Die Lage wird immer schwieriger, erste Anbieter nehmen keine Neukunden mehr auf. Das Hamburger Unternehmen Lichtblick bietet Neukunden keine Tarife mehr an. „Ökogas heizt euch ein, nicht dem Klima“, ist nur noch ein Werbeversprechen auf der Seite des Anbieters, das nicht erfüllt werden kann. „Um unsere 1,7 Millionen Bestandskunden weiterhin zuverlässig zu versorgen und ihren Energiebedarf langfristig zu decken, können wir seit dem 1. Juli keine Neukunden für Ökogas mehr annehmen“, sagt eine Sprecherin von Lichtblick auf Anfrage. Zuletzt konnten Kunden den Relax-Tarif noch für 14,41 Cent je kWh buchen.

Auch bei E.on Energie sind Tarife von der Internetseite des Anbieters verschwunden. Außerhalb der Grundversorgung wird nur noch ein einziger Öko-Tarif für rund 40 Cent je kWh angeboten – das ist eher eine Abwehrkondition. Wie viele Tarife aus dem Angebot genommen wurden, will E.on Energie Deutschland auf Anfrage nicht sagen. Ein Unternehmenssprecher teilt nur allgemein mit: Die weitere Zuspitzung der Lage am Gasmarkt habe sich auf die Neukundenangebote ausgewirkt, „da die Energiemengen für diese zu großen Teilen nach den aktuellen Bedingungen der Märkte eingekauft werden müssen“.

Gaspreise: Wer hat die günstigsten Tarife?

Seit Ende Juni haben sich die Gaspreise für Neukunden steil nach oben entwickelt (siehe Grafik). Der Durchschnittspreis, der auch schon den Grundpreis enthält, liegt nach Angaben des Vergleichsportals Verivox bei 26 Cent je kWh. Damit dürfte aber noch nicht das Preishoch erreicht sein. Denn an der Börse kostet eine kWh Erdgas aktuell rund 20 Cent. Das ist aber bei Weitem noch nicht der Endpreis für den Verbraucher. Die Megawattstunde Erdgas zur Lieferung im September wird für rund 200 Euro gehandelt. Tendenz steigend. Noch im Mai lagen die Preise bei unter 100 Euro. „Für Vertrieb, Gewinn und Risikozuschläge kalkulieren die Versorger noch einen Aufschlag, der in der Vergangenheit bei bis zu 3 Cent lag“, sagt ein Branchenkenner. Der Aufschlag dürfte umso höher ausfallen, je mehr Zwischenhändler an dem Geschäft beteiligt sind. Aus 20 Cent Börsenpreis werden so 23 Cent. Dazu kommt noch eine Reihe von Abgaben wie Netzentgelt, das ebenfalls von Jahr zu Jahr steigt, Konzessionsabgabe, Erdgassteuer und der CO2-Preis.

Zusammen ergibt das einen Nettopreis von 25,79 Cent, auf den noch die Mehrwertsteuer berechnet werden muss. Unterm Strich stehen dann 30,69 Cent je kWh für den Endverbraucher. „Dieser Preis wäre nur relevant, wenn der Versorger sein gesamtes Kontingent an der Börse beschaffen müsste“, sagt der Branchenkenner. Das ist aber noch nicht der Fall. Aber die Durchschnittspreise für Neukunden mit rund 26 Cent gehen in diese Richtung. Noch nicht berücksichtigt ist die geplante Gasumlage, deren Höhe noch nicht feststeht. Läge sie bei 3 Cent, wären dann schon 34,27 Cent je kWh fällig.

Was kommt mit der Gasumlage auf Verbraucher zu?

Beim Strom wurde die Umlage zur Finanzierung der erneuerbaren Energien abgeschafft. Dafür kommt jetzt eine Gasumlage. Die von Anfang Oktober an geltende Umlage soll deutsche Gasimporteure wie Uniper, VNG oder Wingas stützen. Aufgrund der Lieferausfälle von russischem Gas müssen sie befürchten, Langfristverträge mit ihren Kunden nicht mehr bedienen zu können. Sie müssen deshalb teuer Gas von anderen Lieferanten einkaufen. Angesichts dieser Zusatzausgaben könnten sie in die Insolvenz schlittern und auch ihre Kunden, Stadtwerke oder große Betriebe, gefährden.

Nach den Worten von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) könne die Umlage zwischen 1,5 und fünf Cent je kWh liegen. Das Vergleichsportal Check24 hat berechnet, wie hoch die zusätzliche Belastung je nach Verbrauch und Höhe der Umlage ausfallen kann. „Für einen Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 20.000 kWh könnte es durch die neue Umlage von fünf Cent je kWh bis zu 1190 Euro im Jahr teurer werden“, sagt Billy Scheufler, Geschäftsführer Energie bei Check24. Beträgt die Umlage 3 Cent, beläuft sich die Mehrbelastung auf 714 Euro. Gezahlt werden soll die Umlage von Oktober 2022 bis zum 1. April 2024. „Wichtig ist, diese Umlage wird von weiteren Entlastungen begleitet. Diese werden von der Bundesregierung derzeit erarbeitet“, so das Wirtschaftsministerium.

Gas: Wie funktioniert die Umlage?

Vom Tisch ist mit der Umlage die Möglichkeit, dass Anbieter künftig die Mehrkosten nach eigener Berechnung an die Kunden direkt weiterreichen können. Das wäre auch für Kunden möglich gewesen, die sich einen Festpreis für eine bestimmte Zeit gesichert haben. Darauf wird zwar die Gasumlage auch keine Rücksicht nehmen, aber die Umlage ist für alle Kunden gleich, unabhängig davon, wie stark ihr Gasversorger von langfristig vereinbarten Lieferausfällen betroffen ist und welche Mehrkosten entstanden sind.

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„Damit sie diese Mehrkosten schultern können, bekommen sie in Zukunft über den Marktgebietsverantwortlichen Trading Hub Europe (THE) eine Erstattung gezahlt, die aus der Umlage finanziert wird“, so eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. Die Höhe der Mehrkosten müssen die Unternehmen gegenüber der THE nachweisen und von einem Wirtschaftsprüfer testieren lassen. Bis zum 1. Oktober müssen die Gasimporteure die höheren Kosten noch selbst tragen, so das Wirtschaftsministerium.

Gas: Wie kann ich Mehrbelastung ermitteln?

Die Tabelle (siehe oben) mit Wohnungsgröße und Jahresverbrauch gibt eine Übersicht, was auf Verbraucher künftig zukommt. Die Kosten beruhen auf einem Preis von 26 Cent je kWh. Das ist der Durchschnittspreis für Neukunden. Die Gasumlage ist hier noch nicht berücksichtigt. Bei einem Verbrauch von 20.000 kWh beläuft sich dann die Jahresrechnung auf 5176 Euro oder 431 im Monat. Wenn der aktuelle eigene Monatsabschlag mit den monatlichen Kosten in der Tabelle verglichen wird, lässt sich die künftige Mehrbelastung abschätzen. Natürlich ist nicht gesagt, dass jeder Kunde künftig einen Preis von 26 Cent zahlt. Aber mit Blick auf die Gasumlage wird es für viele Kunden in diese Richtung gehen. Schwieriger ist es für Mieter, die den Gaseinkaufspreis ihres Vermieters nicht kennen.

Wer hat die günstigsten Gas-Tarife?

Auch nach der Erhöhung der Tarife zum 1. August um 57 Prozent ist die Grundversorgung von E.on Energie mit 12,48 Cent je kWh in Hamburg am günstigsten, wie der Preisvergleich zeigt. Die Jahresrechnung für einen Verbrauch von 18.000 kWh liegt mit 2418 Euro deutlich unter den anderen Angeboten, die das Vergleichsportal Verivox als die günstigsten Anbieter für Hamburg ausweist. Interessant erschien am Dienstag auch noch der Tarif Alsterperle von Hamburg Energie mit 20,91 Cent, weil er eine voll Preisgarantie bis Ende 2023 verspricht.

Kaum hatte sich das Abendblatt danach erkundigt, ob die „volle Preisgarantie für alle Preisbestandteile“ auch die Gasumlage erfasst, stieg der Preis bis Mittwochmorgen um 26 Prozent auf 26,37 Cent je kWh. Das könnte wegen der Preisgarantie noch eine Option sein, wenn die Gasumlage wegen der „vollen Preisgarantie“ nicht an die Kunden weitergegeben würde. Doch darauf wollte sich der städtische Versorger nicht festlegen. „Inwieweit die derzeit diskutierte Umlage für die Gasersatzbeschaffung der Gasimporteure in der Lieferkette bis zum jeweiligen Endkunden weitergegeben werden kann, ist abzuwarten und bedarf einer weitergehenden, rechtlichen Prüfung“, sagt eine Firmensprecherin. Die Verbraucherzentrale Hamburg warnt davor, in dieser angespannten Lage Preisgarantien eine besondere Bedeutung beizumessen. „Eine solche Preisgarantie ist nichts mehr wert“, sagt Energieexperte Jan Bornemann. Nur noch bei wenigen Tarifen wie bei Vattenfall gibt es eine Preisgarantie über einen Zeitraum von zwölf Monaten. Aber staatliche Eingriffe in den Markt wie mit der Gasumlage sind davon meist nicht abgedeckt.

Was kann ich tun, wenn ich mit Tariferhöhungen konfrontiert werde?

Normalerweise würde man sich einen günstigeren Versorger suchen. Doch das macht in dieser Zeit keinen Sinn. Kündigt man und unternimmt nichts, so fällt man in die Grundversorgung von E.on Energie. Ob das Unternehmen mit der jüngsten Preiserhöhung über den Winter kommt, will es nicht sagen. „Die weitere und vor allem konkrete Entwicklung der Preise ist aktuell aber nicht seriös prognostizierbar“, sagt ein Firmensprecher. Die Kunden spürten die Verwerfungen an den Märkten noch nicht in vollem Umfang. Aber der Versorger scheint noch in einer relativ komfortablen Lage zu sein, denn weiter teilt das Unternehmen mit: „Durch unsere grundsätzlich langfristige Beschaffung konnten wir für unsere Kunden einen Großteil der aktuellen Preisentwicklung bisher abfedern. Darüber hinaus erfüllen unsere Vertragspartner derzeit ihre vertraglichen Lieferverpflichtungen uns gegenüber in vollem Umfang.“

Ob E.on Energie in Hamburg einen besonders starken Zulauf in der Grundversorgung hat, wollte das Unternehmen nicht konkret sagen. Die Lage sei aber nicht vergleichbar mit der Situation zu Beginn der letzten Heizperiode, in der zahlreiche Billiganbieter ihre Kunden nicht mehr belieferten und diese in die Ersatzversorgung gefallen waren.