Hamburg. Neuzulassungen brechen wegen langen Lieferzeiten im ersten Halbjahr stark ein. Kunden müssen um staatliche Kaufprämien bangen.
Schon im dritten Jahr in Folge kommt Hamburgs Automarkt nicht in Fahrt. In den ersten sechs Monaten 2022 ist der Neuwagenverkauf sogar noch schlechter gelaufen als im gleichen Zeitraum 2021 und 2020, aber aus einem anderen Grund. Den Herstellern fehlen wichtige Bauteile wie Chips oder Kabelbäume – und das von den Fahrzeugherstellern immer wieder in Aussicht gestellte Ende der Mangelsituation lässt weiter auf sich warten.
„Ich kann keine Entspannung bei den Lieferzeiten erkennen“, sagt Kurt Kröger, geschäftsführender Gesellschafter der Hamburger Autohandelskette Dello, die neben Opel und Toyota eine Reihe weiterer Marken im Angebot hat. „Im Moment ist die Liefersituation stabil – im negativen Sinn.“ Martin Krohn, Präsident des Landesverbandes des Hamburger Kfz-Gewerbes, bestätigt das: „Die Versorgung der Autohäuser mit Neuwagen hat sich nicht verbessert.“ Selbst bei asiatischen Herstellern verzeichne man Lieferzeiten von bis zu 13 Monaten.
Autokauf in Hamburg: Auch Gebrauchtwagen fehlen
Stützend könnte die laut Kröger „gute Nachfrage“ bei Gebrauchtfahrzeugen wirken, in diesem Bereich würden auch nach wie vor höhere Preise bezahlt als noch vor wenigen Jahren. „Viele Kunden, die nicht gerade ein spezielles Elektroauto wollen, überlegen sich wegen der langen Lieferzeiten jetzt, lieber einen Gebrauchten zu nehmen“, berichtet Kröger.
Nur: Bei vielen Autohäusern sind die Stellplätze für die Fahrzeuge mit Vorbesitzern seit Monaten praktisch leer. „Wenn es keine Neuwagen gibt, dann gibt es auch keine Gebrauchtwagen“, bringt Krohn das Problem auf den Punkt – schließlich werden die älteren Autos häufig beim Kauf eines neuen in Zahlung gegeben. Dello sei „noch einigermaßen gut sortiert“, sagt Kröger: „Die Dello-Gruppe ist regional sehr breit aufgestellt. Da ergeben sich eher mal Möglichkeiten, das gewünschte Modell zu beschaffen.“
Kunden wegen Energiepreisen verunsichert
Allerdings kann das Gebrauchtwagengeschäft die Absatzflaute bei den Neuwagen nicht ausgleichen – und da sieht es wirklich düster aus. Im ersten Halbjahr sind die Neuzulassungen in Hamburg um 24,2 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum 2021 zurückgegangen. Ursache dafür sind wohl nicht allein die Lieferschwierigkeiten der Hersteller. „Da kommen mehrere Faktoren zusammen“, räumt Kröger ein. So sei auch eine „gewisse Verunsicherung bei Verbrauchern“ unter anderem wegen der hohen Energiepreise zu spüren.
Ein Lichtblick sei zwar die Nachfrage nach Elektroautos – der auch von Dello angebotene Opel Corsa-e steht immerhin auf Platz sechs der im ersten Halbjahr meistverkauften E-Fahrzeuge. „Aber auch da gibt es einen Bremseffekt durch die langen Lieferzeiten“, sagt Kröger. Nach Angaben des Neuwagen-Vergleichsportals Carwow müssen Kunden aktuell sieben bis zwölf Monate auf den Corsa-e warten.
Kunden müssen über ein Jahr auf Fahrzeug warten
Bei den Volkswagen-Modellen ID.3 und ID.4 sind es zwölf bis 14 Monate, ein BMW i4 wird erst nach 15 bis 18 Monaten geliefert und ein Audi Q4 e-tron sogar erst nach 18 bis 20 Monaten.
Allerdings gibt es jetzt nicht mehr nur bei manchen Elektroautos lange Lieferfristen, sondern auch bei einigen Typenreihen mit Verbrennungsmotor: Für den Audi A4 werden immerhin zehn bis zwölf Monate angegeben und für die Mercedes C-Klasse 13 bis 15 Monate. „Für die Kunden sind solche Wartezeiten eine Zumutung“, sagt Martin Rumpff, Geschäftsführer des Landesverbands des Hamburger Kfz-Gewerbes.
Preise für Autos deutlich gestiegen
Wie sich aus den Halbjahresberichten von Konzernen wie Volkswagen und BMW ablesen lässt, ist es den Herstellern zuletzt jedoch gelungen, die Knappheit ihrer Produkte für Preisanhebungen zu nutzen. Das deckt sich mit Berechnungen des Branchenexperten Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Duisburger CAR Center Automotive Research, wonach die Internet-Rabatte bei den „Top 30“ der Neuwagen im Juni auf nur noch 15,8 Prozent, den niedrigsten Wert der vergangenen elf Jahre, gesunken sind.
Im Vergleich zum Spitzenwert von 20,7 Prozent im Juli 2017 mache das beim durchschnittlichen Neuwagenwert von 38.000 Euro einen Unterschied von immerhin knapp 1900 Euro aus.
Nach Einschätzung von Dudenhöffer steht der Markt vor einem Nachfragerückgang, zu dem auch die Bundesregierung beitrage. Denn während sich Elektroautos und Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge durch Rohstoffpreissteigerungen etwa bei Lithium und Nickel dem Experten zufolge verteuern werden, hat die Bundesregierung eine Absenkung der Förderung ab dem 1. Januar 2023 beschlossen (siehe Grafik).
Kaufprämie für Plug-in-Hybride soll wegfallen
Für die Plug-in-Hybride soll die staatliche Kaufprämie dann sogar komplett entfallen. Dieses Fahrzeugsegment – das bisher bei den Neuzulassungen in Hamburg noch vor den reinen Elektroautos rangiert – werde damit im Privatkundenmarkt zum „Ladenhüter“, erwartet Dudenhöffer.Zwar könnten potenzielle Autokäufer versuchen, sich die aktuellen Prämien noch zu sichern, sagt Kröger: „Es kann Vorzieheffekte geben. Die Frage ist aber, ob wir rechtzeitig liefern können.“
Denn die Förderung ist an den Zeitpunkt der Auslieferung, nicht an den der Bestellung gebunden. „Das kann zum Problem werden“, so Kröger. Für ein Plug-in-Hybrid-Auto, das erst im neuen Jahr beim Händler eintrifft, gibt es keine Prämie mehr. Weitere Absenkungen der staatlichen Kaufhilfen ab 2024 sind schon beschlossen, zudem ist der Fördertopf gedeckelt. Im Laufe des Jahres 2024 könnte er leer sein.
Autokauf: Autohändler erwartet schwierige Zeit
Doch zunächst müssen sich die Autohändler in der Hansestadt wohl auf ein rabenschwarzes Jahr 2022 einstellen. Auch die zweite Jahreshälfte hat für die Branche jedenfalls nicht gut begonnen, wie bundesweite Zahlen deutlich zeigen: Angesichts der Produktionskrise der Hersteller sind die Neuzulassungen im Juli in Deutschland um fast 13 Prozent gegenüber dem Juli 2021 gesunken.
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„Für die Hamburger Autohäuser wird es entscheidend sein, wie die Liefersituation im weiteren Verlauf des zweiten Halbjahrs aussieht“, sagt Kröger. Sollte sie sich nicht bessern, könnten bei dem einen oder anderen Autohändler die finanziellen Reserven zu Ende gehen und er zur Aufgabe gezwungen sein, befürchtet Martin Rumpff, Geschäftsführer des Landesverbands des Hamburger Kfz-Gewerbes: „Vorstellen kann ich mir das.“