Hamburg. Allein im Norden will das Unternehmen 3300 Stellen neu besetzen. Bislang ist nur ein knappes Viertel der Beschäftigten weiblich.
Bis vor gut einem Jahr hatte Valentina Alexy einen ziemlich normalen Arbeitsalltag. Der begann für die Einzelhandelskauffrau bei einem großen Hamburger Sportartikelhändler zumeist am Vormittag. Mittlerweile klingelt der Wecker bisweilen bereits um 3 Uhr nachts, damit die 25-Jährige rechtzeitig zum Dienstbeginn in der Fahrerkabine des S-Bahn-Zuges ist, den sie über das Hamburger Schienennetz steuern wird. „Ich bin ohnehin eher eine Frühaufsteherin, mir gefällt das ganz gut“, sagt Alexy.
Ihr Wechsel vom Sportgeschäft zur S-Bahn Hamburg hat viel mit der Corona-Pandemie und deren Folgen für den Einzelhandel zu tun – aber auch mit der „Frauenoffensive“, die die Bahn AG seit einigen Jahren fährt. Der Konzern, der allein in diesem Jahr bundesweit 24.000 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und allein 1700 Zugführerinnen und Zugführer einstellen will und dessen jährlicher Personalbedarf in den kommenden Jahren noch steigen wird, umwirbt gezielt Frauen.
Jobs in Hamburg: Frauenanteil bei der Bahn noch gering
„Wir können es uns schlicht nicht leisten, auf die Hälfte der Bevölkerung zu verzichten“, sagt Fabian Wylenzek, der Chef der Personalgewinnung des Unternehmens in Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen. Allein dort sind dieses Jahr 3300 Einstellungen geplant, darunter 370 sogenannte Triebfahrzeugführerinnen.
Das Umdenken des Konzerns und die besonderen Kampagnen, die jedes Jahr im März rund um den Internationalen Frauentag gefahren werden, zeigen inzwischen Wirkung. Der Frauenanteil unter allen Beschäftigten lag zuletzt bei 23 Prozent. Vor wenigen Jahren waren es noch weniger als ein Fünftel. Feste Ziele hat sich das Unternehmen einstweilen nur für Führungspositionen gesetzt. 2024 sollen 30 Prozent aller dieser Positionen mit Frauen besetzt sein. Derzeit sind es 25 Prozent.
Deutsche Bahn setzt auf einen 30-Punkte-Plan
Das Unternehmen hat einen 30-Punkte-Plan entwickelt, der helfen soll, mehr Frauen zu gewinnen. Das fängt damit an, dass in Werbekampagnen des Unternehmens Frauen inzwischen stark im Vordergrund stehen, geht über Mentoring-Programme bis hin zum Umbau von Umkleideräumen und Toiletten in den Werkstätten. Noch vor dem sogenannten Fahrpersonal sind Fachkräfte für Reparatur und Wartung besonders rar.
Viele dieser Maßnahmen sollen es nicht nur, aber eben auch für Frauen attraktiver machen, bei der Bahn anzuheuern: Kinderbetreuungsangebote auch am frühen Morgen und späten Abend, Teilzeitangebote für annähernd alle Stellen. Zudem gibt es nun im Unternehmen die sogenannten Wo-du-willst-Jobs. Wer eine Stelle hat, darf innerhalb Deutschlands arbeiten, wo er möchte. Für S-Bahn-Fahrerin Valentina Alexy kommt das naturgemäß nicht infrage.
Jobs in Hamburg: Deutsche Bahn wird attraktiver für Frauen
Auch sie ist – im vergangenen Jahr – über die Frauenoffensive im März auf die Bahn als möglichen neuen Arbeitgeber aufmerksam geworden. „Zwei Freunde, die schon im Unternehmen sind und S-Bahn und Regionalzüge fahren, haben mich bestärkt. Die haben gesagt: ,Das passt für dich‘“, erzählt sie. Dass beim Einstellungsgespräch eine S-Bahn-Fahrerin und eine Fahrdienstleiterin dabei waren, habe geholfen. Im August begann ihre Ausbildung, seit zwei Monaten ist Alexy allein im S-Bahn-Netz unterwegs. Im Kollegenkreis sind Frauen weiter in der Minderheit. Zu ihrem achtköpfigen Ausbildungslehrgang gehörte neben Alexy nur eine weitere Frau.
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Einen Exotenstatus aber hat sie allenfalls noch bei einigen Fahrgästen. „Man wird schon mal freundlich-interessiert gefragt, wie man denn als junge Frau zu diesem Job kommt und warum man das macht.“ Als Frau jedenfalls fühle sie sich gut aufgehoben bei der Bahn, die Arbeitsbedingungen stünden einer Familienplanung nicht entgegen. Nur eines, sagt Alexy, würde sie sich von ihrem neuen Arbeitgeber noch zusätzlich wünschen: Ein Training für den Umgang mit schwierigen Fahrgästen und Situationen. Denn an Bahnhöfen wie der Reeperbahn kann es schon mal hoch hergehen.