Hamburg. Die Gewerkschaft verlangt acht Prozent höhere Löhne. Das Abendblatt hat nachgefragt: Was bekommen Ingenieure und Monteure bisher?
Die Metall- und Elektroindustrie im Norden steuert auf eine ungewöhnlich kämpferische und harte Tarifrunde 2022 zu. Das zeichnet sich ab, nachdem der IG Metall-Bezirk Küste am Donnerstag die Forderung nach 8,0 Prozent mehr Lohn für die Beschäftigten in der im Herbst beginnenden Verhandlungsrunde mit den Arbeitgebern beschlossen hat.
Dabei ist es weniger die Höhe der Lohnforderung, die auf heftige Auseinandersetzungen mit den Arbeitgebern, auf Warnstreiks oder gar Streiks schon bald nach Ende der Friedenspflicht Ende Oktober hindeuten. Es war vor allem die kämpferische Rhetorik, mit der Bezirkschef Daniel Friedrich die kommende Tarifauseinandersetzungen anmoderierte.
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Allerlei Wortgeklingel im Vorfeld und das Umschalten in den verbalen Kampfmodus gehören dabei zwar zum Ritual, doch Friedrich machte diesmal deutlichere Ansagen an den Verhandlungspartner, den Arbeitgeberverband Nordmetall, als üblich. Der Gewerkschaftschef sprach von absehbar „heftigen Auseinandersetzungen“ auf die man sich vorbereite und von Verhandlungen, die „gegebenenfalls schnell in eine Eskalation“ gehen könnten. Der für gewöhnlich „sehr gute Gesprächskontakt“ mit dem Tarifpartner sei nun vorerst beendet. Die Gewerkschaft werde „kraftvoll“ ins erste Gespräch am 16. September gehen.
Die Arbeitgeberseite reagierte eher cool auf die Kampfansage, vermied raue Töne und tat, was sie immer tut: Sie wies die Forderung zurück. 8,0 Prozent, das sei „deutlich überhöht“, sagte Nordmetall-Verhandlungsführerin Lena Ströbele. „Das ist wirtschaftlich nicht darstellbar.“ Statt überhöhte Lohnforderungen zu stellen, sei es in der aktuellen Krise angebracht, „zusammen nach vorne zu schauen“, sagte Ströbele in Richtung Tarifpartner. Sogar ihr sonst gerne genutztes Drohargument, größere Lohnsteigerungen führten zur Abwanderung von Unternehmen und gefährdeten heimische Arbeitsplätze, benutzten die Arbeitgeber einstweilen nicht.
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Die Gewerkschaft begründet die Höhe ihrer Forderung vor allem mit einer insgesamt guten wirtschaftliche Lage in der Branche und mit der aktuell hohen Inflationsrate, die absehbar bis in das nächste Jahr hinein hoch bleiben werde. „Die Auftragsbücher sind übervoll“, sagte der bundesweite IG-Metall-Chef Jörg Hofmann, der zu Diskussion und Beschluss der Forderung nach Hamburg gekommen war. Er wies die Anregung von Bundeskanzler Olaf Scholz zurück, die Tarifpartner sollten sich angesichts der schwierigen wirtschaftlichen und politischen Weltlage auf Einmalzahlungen verständigen.
Der Gewerkschaftsvorstand um Hofmann hatte vor wenigen Tagen den Bezirken eine Lohnforderung zwischen sieben und acht Prozent für ein Jahr empfohlen. Der Beschluss an der Küste liegt also am oberen Rand. Auch andere Gewerkschaftsbezirke beschlossen am Donnerstag acht Prozent. „In unserer Diskussion wurden sogar Stimmen laut, die deutlich mehr forderten. Aber weil es nicht allen Unternehmen derzeit so gut geht wie etwa Airbus und Daimler, ist das ein vernünftiger Kompromiss“, sagte Friedrich.
Einige Tausend Euro mehr pro Jahr
Sollte die Gewerkschaft das von ihr angestrebte Lohnplus auch nur annähernd durchsetzen können, würden Beschäftigte einige Tausend Euro mehr pro Jahr erhalten. Nach Angaben von Nordmetall beträgt das Durchschnittseinkommen in der Branche in den norddeutschen Ländern gut 60.000 Euro im Jahr.
Nach dem Entgeltbarometer des Arbeitgeberverbands erzielen erfahrene Ingenieure in seinen Hamburger Mitgliedsunternehmen bei einer 35-Stunden-Arbeitswoche inklusive aller Zulagen und Sonderzahlungen ein mittleres Jahresgehalt von um die 75.000 Euro. Maschinen- und Anlagenbediener oder sogenannte Einzelgerätemonteure mit langjähriger Erfahrung bringen es demnach in der Spitze auf 50.000 Euro pro Jahr, das mittlere Einkommen liegt bei etwa 42.000 und 48.000 Euro. Nordmetall-Verhandlungsführerin Ströbele betonte: „Seit 2007 erhöhten sich die Bruttoverdienste der Arbeitnehmer in der Metall- und Elektroindustrie um 40 Prozent. Die Verbraucherpreise sind im gleichen Zeitraum aber nur um 25 Prozent gestiegen.“
Letzte Woche war noch Harmonie
In der vergangenen Woche hatte sich die Tarifparteien noch ohne Streitigkeiten auf eine Reihe von Verbesserungen für die Beschäftigten verständigt. So erhalten Azubis ab 1. August 50 Euro mehr pro Monat (im zweiten Lehrjahr sind es dann künftig 1191 Euro). Im Gegenzug können Unternehmen Arbeitszeitkonten einführen, Beschäftigte sich Nachtschichten durch mehr Freizeit statt mit Geld ausgleichen lassen. Und auch in Mecklenburg-Vorpommern ist nun die 35 Stunden-Woche in der Branche möglich. Diese Verhandlungen verliefen geräuschlos. Wenn es ab Mitte September um mehr Geld geht, wird das anders sein.