Berlin. Der Lkw-Bauer MAN will in Nürnberg eine neue Batteriefabrik bauen. Im Interview spricht MAN-Chef Alexander Vlaskamp über die Pläne.
Deutschland bekommt eine weitere Batteriefabrik: Am Mittwoch kündigte der Lkw- und Bus-Hersteller MAN an, in Nürnberg ab dem kommenden Jahr in einer neuen Fabrik Hochvolt-Batterien fertigen zu wollen.
Damit bringt die zur Volkswagen-Tochter Traton gehörende Marke Schwung in die Elektrifizierung des Transportwesens – denn bisher sind Lkws in großer Mehrheit mit Diesel-Motoren unterwegs.
100 Millionen Euro soll die neue Fertigung kosten, die perspektivisch die Produktion von mehr als 100.000 Batterien. Für Forschung und Entwicklung schießt das Land Bayern bis 2027 einen Betrag von 30 Millionen Euro bei. Insgesamt sollen mit der Entscheidung 350 Arbeitsplätze am Standort Nürnberg gesichert werden.
Für viele MAN-Beschäftigte dürfte das ein Lichtblick in einer Dauerkrise sein: Tausende Jobs wurden zuletzt gestrichen, das Werk im österreichischen Steyr verkauft. Während Konkurrent Daimler Truck zweigleisig fährt und seine Entwicklung an Wasserstoff-Trucks energisch vorantreibt, fokussiert sich MAN auf den Elektroantrieb.
Im Interview mit unserer Redaktion spricht MAN-Chef Alexander Vlaskamp über die Entscheidung für Nürnberg, die drohende Rezession – und warum es mit dem Durchbruch der E-Lkws wohl noch ein paar Jahre dauern wird.
Herr Vlaskamp, bei Pkws setzt sich die Elektromobilität zunehmend durch. Lkws sind dagegen fast durchgängig mit Dieselmotoren unterwegs. Sie rechnen damit, dass der Durchbruch erst 2025 kommen wird. Warum so spät?
Alexander Vlaskamp: Es gibt zwei zentrale Gründe: Zum einen steht für Nutzfahrzeuge die nötige Infrastruktur noch nicht, zum anderen ist der Betrieb von E-Lkw für die Mehrzahl unserer Kunden noch nicht wirtschaftlich. Allerdings greift ab 2025 die europäische Gesetzgebung für den Transportsektor. Dann müssen die CO2-Emissionen der neu ausgelieferten Fahrzeuge 15 Prozent unter dem Niveau der vergleichbaren Flotte im Jahr 2019 liegen. Ich rechne damit, dass ab 2027 zudem der Emissionshandel auf den Verkehrssektor ausgedehnt wird. Im Pkw-Bereich hat die CO2-Bepreisung die Elektromobilität vorangetrieben, das erwarte ich auch für Lkw und Busse.
Was heißt das für die Kunden?
Vlaskamp: In der Anschaffung ist ein Elektro-Lkw derzeit drei- bis viermal so teuer wie ein vergleichbares Dieselfahrzeug. Zwar wird sich der Diesel-Lkw im Betrieb durch die CO2-Bepreisung deutlich verteuern und der Elektro-Lkw perspektivisch günstiger werden. Trotzdem ist klar: CO2-neutrale Transporte werden insgesamt teurer sein als die heutige Logistik mit fossilen Kraftstoffen – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Entwicklung der Verbraucherpreise. Der zu erwartende Preisanstieg kann auch nicht einseitig von den Herstellern oder deren Kunden getragen werden. Das Erreichen der Klimaneutralität ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, an der sich alle beteiligen müssen.
Die Dieselpreise sind zuletzt drastisch gestiegen. Wann wird sich eine Kostenneutralität zwischen dem E-Lkw und dem Diesel-Lkw einstellen?
Vlaskamp: Ich gehe davon aus, dass die Kostenparität vor allem aufgrund der genannten regulatorischen Veränderungen irgendwann zwischen 2025 und 2027 erreicht wird.
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Sollten sich Elektro-Lkws durchsetzen, braucht es dafür eine gesonderte Ladesäuleninfrastruktur. Ab dem kommenden Jahr will der Bund die Schuldenbremse wieder einhalten, der Krieg in der Ukraine hat politische Prioritäten neu geordnet. Wie optimistisch sind Sie angesichts dieser Aussichten, dass bis 2026 die Infrastruktur steht?
Vlaskamp: Natürlich wird die Aufgabe dadurch nicht einfacher. Auf der anderen Seite haben die Staaten Gesetze definiert, die eine klare CO2-Reduzierung verfolgen. Wollen sie ihre Ziele einhalten, müssen sie die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Nicht nur wir, auch unsere Kunden haben ein Interesse daran, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Viele Firmen haben sich ambitionierte Klimaziele gesetzt. Wollen sie diese einhalten, muss der Transport CO2-frei erfolgen. Wir als Hersteller werden das Angebot schaffen. Auch werden wir dafür sorgen, die Batterien noch langlebiger zu machen und Recyclingmöglichkeiten zu definieren. Doch die Politik muss auch die richtigen Rahmenbedingungen für die nötige Lade-Infrastruktur schaffen.
Durch den Ukraine-Krieg ist die wirtschaftliche Situation angespannt, es droht eine Rezession. Spüren Sie das bereits im operativen Geschäft?
Vlaskamp: Wir merken derzeit noch nicht, dass eine Rezession droht. In der Pandemie sind die Verkäufe je nach Markt und Land um 20 bis 30 Prozent eingebrochen, das Durchschnittsalter der Flotte ist von 11,8 auf 13,2 Jahre gestiegen. Jetzt ist der Bedarf unserer Kunden umso größer, die Flotte zu erneuern. Unsere Kunden sind weiter investitionsbereit und unsere Auftragslage ist derzeit noch sehr gut. Die Fahrkilometerzahlen unserer ausgelieferten Lkw sind sehr hoch, unsere Servicebetriebe sind voll ausgelastet. Die Stimmung in der Wirtschaft in Europa trübt sich zwar langsam ein, aber noch profitieren wir von den genannten Effekten.
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Ihr Konkurrent Daimler Truck hat jüngst berichtet, dass seine Lkw ausverkauft und Kunden bereit sind, höhere Preise zu zahlen. Wie sieht die Situation bei MAN aus?
Vlaskamp: Auch bei MAN sind wir bei den Lkws für das laufende Jahr ausverkauft. Und die Nachfrage für das kommende Jahr ist ebenfalls noch sehr groß. Angesichts der stark angestiegenen Preise insbesondere für Energie und Rohstoffe erhöhen auch wir unser Niveau sukzessive.
Sie werden in Nürnberg eine Batteriefabrik bauen. Wie viele Batterien werden Sie dort pro Jahr herstellen?
Vlaskamp: 2023 werden wir in kleiner Serie starten und 2024 dann zwischen 1.200 und 1.600 Batterien herstellen. Im Jahr 2025 wollen wir 2.500 E-Lkw produzieren, die meist mit sechs Batterien pro Lkw ausgestattet werden. Dann sollen in Nürnberg rund 15.000 Batterien produziert werden. Bis 2030 soll die Zahl auf 30.000 Batterien steigen. Bis dahin werden wir die Effektivität der Batterien deutlich erhöhen. Die mit den ersten in Nürnberg produzierten Batterien ausgestatteten Lkw werden eine Reichweite von 600 bis 800 Kilometer haben. Ab 2026 wird die nächste Generation kommen, die dann eine Tagesreichweite von bis zu 1.000 Kilometern ermöglichen wird. Mittelfristig wollen wir in Nürnberg bis zu 100.000 Batterien pro Jahr fertigen.
Warum haben Sie sich als Standort für Nürnberg entschieden?
Vlaskamp: Mit der Lkw-Produktion in München und der Batterieproduktion in Nürnberg etablieren wir ein starkes E-Cluster in Süddeutschland. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind hoch motiviert und die Universitäten und TUs bieten ein gutes Innovationsumfeld. Die bayerischen Landesregierung hat uns rund 30 Millionen Euro an Fördergeldern für die weitere Forschung in der Batterie- und Antriebstechnologie, aber auch zu E-Recyclingtechniken in Aussicht gestellt. Und gemeinsam mit unseren Arbeitnehmervertretern haben wir wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für Nürnberg definiert. Die Entscheidung zielt auch darauf ab, dass sich viele Zulieferfirmen in der Region ansiedeln.
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Wird die neue Fabrik in Nürnberg den kompletten Bedarf von MAN decken können?
Vlaskamp: Bis 2030 können wir mit den Produktionskapazitäten der Fabrik den Bedarf für ungefähr 30.000 E-Lkw und damit etwa rund ein Drittel unseres gesamten Absatzes abdecken.
MAN hat turbulente Jahre hinter sich mit Werkschließungen und einem großen Stellenabbau. Welches Signal wollen Sie mit der Fabrik an die Belegschaft setzen?
Vlaskamp: Wir haben uns mit der Politik und den Arbeitnehmervertretern an einen Tisch gesetzt und diesen Plan in den vergangenen sechs Monaten ausgearbeitet. Gemeinsam. Und es ist uns gemeinsam gelungen, dem Standort eine Zukunftsperspektive zu geben. Das ist ein wichtiges Signal für die Beschäftigten.
Dieser Artikel erschien zuerst auf abendblatt.de.