Hamburg. Wie ist die Lage an Flughäfen und bei den Airlines – und welche Chancen hat man jetzt noch auf Last-Minute-Schnäppchen?
An diesem Sonnabend dürfte der Hamburger Flughafen vor seiner nächsten Bewährungsprobe stehen. Am Freitag findet in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern der letzte Schultag statt. Das Wochenende danach nutzen traditionell viele Urlauber zum Reisestart. Aus den nördlichen Nachbarländern dürfte die erste Reisewelle zur Hochsaison in Fuhlsbüttel stammen. Drei Tage später beginnen in der Hansestadt die Sommerferien.
Die Buchungsnachfrage zieht wieder an, heißt es in der mit vielen Problemen belasteten Luftfahrt- und Reisebranche – haben Kurzentschlossene überhaupt noch eine Chance auf einen Last-Minute-Trip? Das Abendblatt fragte bei Anbietern, wie sie die Lage einschätzen, gibt einen Überblick, welche Flüge gestrichen werden und wie es bei Last-Minute-Angeboten aussieht.
Flughafen Hamburg: Welche Flüge werden gestrichen?
Die Lufthansa-Gruppe fährt das Angebot auch wegen Personalmangels im Sommer runter. Die Lufthansa selbst will rund 3000 von etwa 80.000 Flüge an den Drehkreuzen Frankfurt und München aus dem System nehmen. Davon sind auch die von dort nach Hamburg gehenden Verbindungen betroffen – also keine klassischen Urlaubsstrecken. Die Konzern-Tochter Eurowings wird im Juli mehrere Hundert Verbindungen streichen. Bei beiden Airlines sollen vor allem innerdeutsche Verbindungen aus dem Flugplan genommen werden, auf denen alternativ die Deutsche Bahn genutzt werden kann. Eurowings verzichtet von Fuhlsbüttel aus auf das Direktziel Nürnberg und reduziert die Frequenzen auf den Strecken nach Düsseldorf, Köln, Stuttgart und München sowie zu den europäischen Zielen Budapest, Göteborg und Oslo. Weitere Maßnahmen sind möglich. Vereinzelte Flugstreichungen blieben im aktuellen Umfeld unvermeidlich, Unregelmäßigkeiten sollten auf ein „bestmögliches Minimum“ begrenzt werden, sagte eine Eurowings-Sprecherin.
Die irische Billigfluglinie nutzt das Ausdünnen zu einer Spitze gegen den Rivalen. „Im Gegensatz zu Eurowings, die im Juli über 100 Flüge pro Woche von/nach Hamburg stornieren“, gehe man davon aus, dass alle Flüge vom Helmut-Schmidt-Flughafen wie geplant stattfinden, so Ryanair. Das hänge allerdings auch von anderen Dienstleistern ab. Genannt wurden als Risiken die Fluglotsen und die Flughafenabfertigung. Allerdings gibt es auch bei Ryanair Probleme, weil in einigen Ländern die Crews mehr Geld fordern und streiken. Das könnte auch bei der Lufthansa drohen, weil die Tarifverträge zum 30. Juni auslaufen. Ver.di fordert 9,5 Prozent mehr Geld. Die Ferienflieger Condor und Tuifly haben angekündigt, ihr Programm wie geplant fliegen zu wollen.
Sind die Fluglinien auf die Sommerferien vorbereitet?
Am vergangenen Wochenende gab es in Nordrhein-Westfalen die erste Bewährungsprobe. Dort laufen die Sommerferien seit dem Wochenende. In Düsseldorf berichteten Reisende von Wartezeiten von mehr als fünf Stunden und einer defekten Gepäcktransportanlage, in Köln/Bonn gab es 60 bis 90 Minuten Wartezeit vor der Sicherheitskontrolle. Bei Eurowings gibt man sich nach den dortigen Erfahrungen dennoch optimistisch. „Der Ferienstart in NRW ist an vielen Flughäfen besser angelaufen als gemeinhin erwartet“, sagte die Airline-Sprecherin. Mehr als 95 Prozent der Passagiere seien trotz schwieriger Umfeldbedingungen wie voller Terminals und einer Fluggast-Rekordzahl planmäßig in den Urlaub geflogen worden. „Diese Entwicklung erlaubt es uns, vorsichtig optimistisch auf den Sommerferienstart im Norden Deutschlands zu blicken“, sagte die Sprecherin des Marktführers in Hamburg.
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Bei Europas größtem Reiseveranstalter klingt das nicht so optimistisch. Wegen der Pandemie und der Reiserestriktionen hätten viele Mitarbeiter die Branche verlassen. Der Flugbetrieb stehe daher vor der großen Herausforderung, die starke Nachfrage adäquat zu bedienen, sagte Tui-Sprecher Aage Dünhaupt: „Wir gehen davon aus, dass längere Schlangen im Terminal oder Warten bei der Gepäckausgabe keine Seltenheit sein werden.“ Lange Wartezeiten an der Sicherheitskontrolle vor dem Abflug gab es am Hamburger Flughafen in den Maiferien, viele Reisende mussten zudem tagelang auf ihr Gepäck warten. Personalengpässe habe es bereits vor der Pandemie gegeben, auf allen Ebenen säßen Airlines, Flughäfen, Serviceanbieter und Politik zusammen, um die Zuverlässigkeit des Luftverkehrs zu erhöhen, so Dünhaupt: „Urlaub ist immer mit Emotionen und schönen Momenten verbunden und beides wollen wir liefern – auch wenn es jetzt ruckelt, erwarten die Gäste zu Recht mehr.“
Bei Alltours heißt es, man käme mit Flugstreichungen gut zurecht. Gäste würden frühzeitig informiert und auf zeitlich parallel stattfindende Flüge umgebucht, sagte Sprecherin Alexandra Hoffmann.
Flughafen Hamburg: Können Fluggäste früher einchecken?
In Düsseldorf hatte Eurowings reagiert und die Check-in-Schalter früher geöffnet. Für Flüge bis 6.30 Uhr am Wochenende habe man bereits ab 3 Uhr einchecken können, für Flüge ab 6.30 Uhr spätestens ab 3.45 Uhr, hieß es. Auch in Hamburg kann von Freitag an bis zum 14. August ab 3.30 Uhr eingecheckt werden, wie der Flughafen am Dienstag mitteilte. Auch die Sicherheitskontrollen können bereits von 3.30 Uhr an aufgesucht werden.
Grundsätzlich empfiehlt der Flughafen, online am Automaten oder am Vorabend einzuchecken und das Gepäck an Automaten abzugeben. „Wir stimmen am Standort ab, dass die Terminals, die Sicherheitskontrolle und die Check-in-Schalter in den Ferien eher öffnen“, sagte Hamburg Airport-Sprecherin Katja Bromm. Letztlich entschieden die Airlines, wann sie welchen Schalter in welcher Besetzung öffnen. Als Flughafen appelliere man an alle Fluglinien, dies so früh wie möglich zu tun.
Sommerferien: Wie ist die Buchungslage derzeit?
Alltours ist mit der Entwicklung im Sommer „sehr zufrieden. Die Zahl der gebuchten Gäste liegt kumuliert über 2019“, sagte Sprecherin Hoffmann. Derzeit sei die Nachfrage für die Ferientermine besonders hoch, aber auch September und Oktober würden gut gebucht, so der Düsseldorfer Reiseveranstalter.
Sehr stark nachgefragt seien Mallorca, Griechenland und die Türkei. Ähnlich klingt die Lage bei Tui. „Hamburg liegt eindeutig im Bundestrend und bei Reisen nach Griechenland, Spanien und Zypern liegen wir auch aus der Hansestadt schon über den Buchungszahlen von 2019“, sagte Sprecher Dünhaupt. Auch das Geschäft mit der Türkei ziehe an. Derzeit seien vor allem Buchungen für den Spätsommer und die Herbstferien überproportional angestiegen.
Welche Last-Minute-Tipps gibt es von Reiseveranstaltern?
Es gibt noch freie Plätze rund ums Mittelmeer, heißt es bei Tui. Auf mehreren griechischen Inseln sowie den Kanaren und Kapverden, auf Zypern, in der Türkei und in Ägypten liefen Nachverhandlungen mit den Hotels, um sich zusätzliche Betten zu sichern. Auf Kos und Rhodos werde es Ende Juli und Anfang August allerdings eng. Die gestiegenen Treibstoff- und Lebensmittelpreise dürften sich in der Rechnung für Kurzentschlossene niederschlagen. „Last-Minute wird nicht mehr so günstig sein wie vor der Pandemie – höhere Preise von bis zu zehn Prozent in diesem Segment werden keine Seltenheit sein”, sagte Tui-Deutschland-Chef Stefan Baumert. Tui empfiehlt eine Woche im Tui Suneo Chrissi Amoudia auf Kreta. All Inclusive sei in dem Vier-Sterne-Hotel für eine Familie mit zwei Kindern mit Flug ab und nach Hamburg ab 2754 Euro zu haben. Eine Woche im Vier-Sterne-Hotel Tui Blue Alcudia Pins auf Mallorca soll für die Familie ab 2973 Euro von Fuhlsbüttel aus erhältlich sein – aber ohne Verpflegung.
Alltours empfiehlt das Vier-Sterne-Hotel Kaila City im türkischen Alanya. Eine Woche im Doppelzimmer mit All Inclusive soll für die vierköpfige Familie ab 2904 Euro mit Flug ab/bis Hamburg erhältlich sein. Einen Stern mehr hat das Flamingo Gran Hotel Spa im bulgarischen Albena. Für das Studio und Halbpension für eine Woche sollen im günstigsten Fall 2939 Euro ab Hamburg fällig werden.
Last Minute in die Sommerferien: Was kann man jetzt noch buchen?
Wer in diesen Tagen für die Sommerferien auf eigene Faust eine Reise buchen will, braucht Durchhaltevermögen. In der Abendblatt-Testbuchung will eine vierköpfige Familie für 14 Tage nach Mallorca. Vier Sterne sollte die Herberge aufweisen, Halbpension bieten und von Hamburg aus soll ab 7. Juli geflogen werden. Auf der Seite des Vermittlungsportals Holidaycheck wird ein Vier-Sterne-Hotel in Can Picafort als zweitgünstigstes Angebot ausgeworfen. Immerhin 94 Prozent der Gäste empfehlen das Hotel weiter. 4471 Euro werden als günstigster Preis aufgerufen. Klick auf „Freie Plätze prüfen“ – es gibt keine mehr.
So geht es auch bei den nächsten drei Angeboten für diesen Preis. 4761 Euro werden mehrfach angeboten – dasselbe Resultat. 4774 Euro – Angebot weg. So geht es auch 4784 Euro, 4799 Euro und letztlich 4972 Euro. Nach mehr als zwei Dutzend Anfragen hat das traurige Spiel ein bitteres Ende. „Keine Angebote? Bitte ändern Sie Ihren Reisezeitraum, die Reisedauer oder einen Filter“, erscheint auf der Webseite. Beim nächstgünstigen Angebot – wieder ein Hotel in Can Picafort – läuft es genauso. Nach rund einem Dutzend Versuchen erscheint, man solle sich Alternativen suchen. Auch wenn man die Reise zwei Tage später durchführen möchte, gibt es zwar 14 Angebote, aber kein verfügbares.
Last Minute nach Mallorca: "Sehr hohe Nachfrage durch unsere Kunden!"
Also zum nächsten Portal. Beim Last-Minute-Spezialisten L’tur wird als günstigstes Angebot ein Hotel in Pollensa angezeigt. 5519 Euro. Ausgebucht. 5829 Euro. Ausgebucht. 6005 Euro. Ausgebucht. Acht Angebote – alle ausgebucht. Nächste Alternative ist ein Hotel in Santa Ponsa. „Dein Angebot ist verfügbar – der Preis hat sich kurzfristig geändert“ erscheint. Für 5885 Euro kann es losgehen – 273 Euro mehr als zunächst angezeigt.
Wer bei Check24 den Reisewunsch eingibt, wird von einem Satz in rotgedruckter Schrift begrüßt: „Sehr hohe Nachfrage durch unsere Kunden!“ Und in schwarz folgt: „Überlegen Sie nicht zu lange, wir haben leider nur noch eine begrenzte Anzahl an Angeboten.“ 3820 Euro werden für die vierköpfige Familie in einem Hotel in Cala Ratjada als günstigstes Angebot auf der Balearen-Insel auf der Übersichtsseite ausgeworfen. Doch wenn man auf das Hotel klickt, erscheint ein ganz anderer Preis: Kurzfristige Preiserhöhung steht in kleiner, roter Schrift. 4929 Euro werden nun verlangt – satte 29 Prozent mehr.
Aber warum gibt es dieses Phänomen auf den Seiten der Vergleichsportale überhaupt? Dafür gebe es technische Gründe, sagte Edgar Kirk, Sprecher von Check24: „Auf der Übersichtsseite werden die Preise nicht in Echtzeit bei den Veranstaltern abgerufen. Das passiert erst, wenn Sie auf ein entsprechendes Angebot klicken.“ Ansonsten müssten die Kunden sehr lange auf das Laden der Übersichtsseite warten, weil für Hunderte oder gar Tausende Hotels bei 60 oder mehr Anbietern Preise in Echtzeit abgefragt werden müssten.
Flughafen Hamburg: Wie kann man trotz hoher Preise beim Urlaub sparen?
Wer zum Beispiel bei der Check24-Reise die Abflughäfen um Hannover, Bremen, Rostock, Lübeck, Berlin und Düsseldorf erweitert sowie zusätzlich die Option Zug zum Flug wählt, kann günstiger verreisen. 4479 Euro werden als Preis für das tatsächlich verfügbare günstigste Angebot ab Düsseldorf angeboten – immerhin 450 Euro günstiger als ab Hamburg. Da der Direktflug um 14 Uhr geht und man knapp vier Stunden per Bahn vom Hamburger Hauptbahnhof zum Airport in Düsseldorf braucht, müsste eine Anreise am gleichen Tag theoretisch reichen, zusätzliche Hotelkosten fielen nicht an. Genauso wie bei der Abreise, weil das Flugzeug kurz vor 12 Uhr landen soll.
Aber Vorsicht: Flüge können kurzfristig vorgezogen oder nach hinten geschoben werden. Das macht eventuell doch Übernachtungen sowie einen Tag frühere oder spätere An- und Abreisen nötig. Auffallend ist, dass Pauschalreisen mit Umsteigeverbindungen häufig günstiger sind als Direktflüge. So gelten die 4929 Euro für das Hotel in Cala Ratjada zwar ab Hamburg, die Flüge gehen hin aber via Wien und zurück über Zürich – macht bis zu 7.20 Stunden Flugzeit. Ein Hotel-Transfer ist nicht inkludiert. Verfeinert man die Suche um Direktflug und Hotel-Transfer liegt das günstigste verfügbare Angebot bei 5398 Euro ab Hamburg. Das sind noch einmal fast 500 Euro mehr, spart aber Zeit.
Flexibilität bei Reisedaten und Urlaubsziel hilft ebenso wie die Suche auf mehreren Vermittlungsportalen. Das eigene Zusammenbauen von Flug und Hotelauswahl kann Geld sparen, ist aber auch mit Risiken bei Flugausfällen verbunden. Wer sparen will, muss letztlich noch mehr vergleichen als früher.