Hamburg. Hamburger Restaurants und Hotels müssen mangels Personals ihren Service einschränken. Manche ersetzen Menschen durch Maschinen.
Wer einen Job in der Gastronomie sucht, kann in Hamburg aus dem Vollen schöpfen. An jeder Straßenecke werben Restaurants auf Plakaten um neue Mitarbeiter. „Barista, Bartender, Service, Koch“, steht in gelben Buchstaben am Schaufenster des Bistros Mutterland am Hauptbahnhof, das regionale Spezialitäten anbietet. Subway an der Binnenalster sucht „Sandwich Artists“ und meint mit dem etwas euphemistischen Begriff Frauen oder Männer, die Baguettes mit Hähnchen, Sauce und Salat belegen.
Das Eiscafé Triboli an der Langen Reihe braucht Saisonkräfte, die Kette Burgerlich am Gänsemarkt benötigt Leute für den Service und die Küche, bei der Campus Suite fehlt ebenfalls eine Barista – und auch Peter Pane wirbt um Bewerber: „Wir bei Peter arbeiten hart, haben Spaß, tragen Jeans, lernen viel und wachsen über uns hinaus ... Werde Teil der Familie“, mit diesen Worten preist die Fastfoodkette ihre Jobs bei den Passanten in St. Georg an.
Fachkräftemangel: Über 400 Stellen in der Gastronomie unbesetzt
Offiziell sind laut der Hamburger Agentur für Arbeit mehr als 400 Stellen in der Gastronomie unbesetzt. Viele Unternehmen werden ihr Glück bei der Personalsuche aber auf eigene Faust und über Stellenportale suchen. Die meisten Menschen werden für Helfertätigkeiten in Küche und Service gesucht. Ein Grund für den Mangel liegt in der Pandemie. „Die Gastronomie hat während der Corona-Krise deutlich an Personal eingebüßt“, sagt Knut Böhrnsen, Sprecher der Agentur für Arbeit. 2772 Frauen und Männer haben die Branche in der Zeit mit ihren immer wiederkehrenden Zwangsschließungen verlassen.
Das ist ein Verlust von knapp neun Prozent gemessen an der Zahl der insgesamt in Gaststätten, Imbissen oder Cafés beschäftigten Mitarbeiter. Dabei war in Hamburg während der Krise die Gesamtbeschäftigung sogar gestiegen. Die Entwicklung zeigt eines deutlich: „Das Kurzarbeitergeld, das in fast allen Branchen zur Beschäftigungssicherung diente, verfing in der Gastronomie nicht wirklich gut“, bilanziert Böhrnsen.
Restaurant Nil auf St. Pauli musste neuen Ruhetag einführen
Die Folgen sind auch an den etablierten Restaurants in Hamburg nicht spurlos vorbeigegangen: So sucht das Rexrodt auf der Uhlenhorst Helfer für die Küche – und das Nil musste einen neuen Ruhetag einführen. „Uns fehlen, wie fast allen Betrieben, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In der Küche wie im Service. Wir hoffen, irgendwann wieder an jedem Tag da sein zu können“, heißt es von dem Haus mit außergewöhnlichem Design am Neuen Pferdemarkt, das aber gleich auch einen kreativen Vorschlag für eine Linderung der Not auf dem Arbeitsmarkt hat: Es wendet sich im Internet an Eltern, „die dem Nachwuchs zu dem einen oder anderen freiwilligen sozialen Jahr“ in einer entsprechenden Gaststätte raten könnten. „Die Gastronomie war und ist eine wunderbare Schule fürs Leben, und es macht manchmal sogar richtig Spaß“, argumentiert das Restaurant auf St. Pauli in seinem Aufruf.
Es wird frisches Blut gesucht in der Branche, denn viele ihrer Profis haben sich umorientiert. „Die Leute sind zu DHL gegangen oder in die Testzentren“, sagt Ulrike von Albedyll, Landesgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga. Corona habe etliche Beschäftigte fast traumatisiert, die sonst krisensichere Branche sei nachhaltig beeinträchtigt worden. Zunächst durch die Zwangsschließungen, später durch die Corona-Maßnahmen, welche die Gastronomen mit Einlass-Checks der Gäste durchsetzen mussten, während sie sich zugleich von Ordnungshütern kontrollieren lassen mussten. „Das hat den Menschen den Teppich unter den Füßen weggezogen“, sagt Ulrike von Albedyll. Viele hätten nun Angst vor dem Herbst, mit einer möglichen Wiederholung der Einschränkungen.
Immer mehr Hotels an Alster und Elbe
Die Personalnot begann allerdings schon vor dem Aufkommen des Virus. Nicht gerade üppige Gehälter und wenig familienfreundliche Arbeitszeiten haben das Defizit schon länger verschärft. Dazu kommt der steigende Bedarf durch immer mehr Hotels an Alster und Elbe. Boten vor zehn Jahren noch 313 Hotels Betten für Businessleute, Touristen und Kreuzfahrer an, ist deren Zahl heute auf 372 Betriebe gewachsen. Neuzugänge auch in bisher nicht so begehrten Lagen wie The Niu Yen in Hammerbrook oder das Ninety Nine in Bergedorf fegen den Markt für Arbeitskräfte leer: Die Herbergen benötigen Frauen und Männer für die Reinigung der Zimmer, Rezeptionisten, aber genauso wie die Restaurants auch Köche und Kellner.
Weil diese fehlen, schränken etliche Häuser bereits ihre Leistungen ein. So bleibt das Restaurant im 4-Sterne-Hotel und Fitnessclub Aspria auf der Uhlenhorst abends geschlossen. „Auch wir sind vom Fachkräftemangel betroffen, der aktuell ein eingeschränktes gastronomisches Angebot zur Folge hat“, sagt Geraldine Seibel-Lübbke, die bei der Aspria-Kette für das Personal verantwortlich ist.
Im Maritim erhalten nicht mehr alle Gäste Halbpension
Auch in den Urlaubsorten der Region spüren die Touristen, dass die Gastgeber an ihre Grenzen stoßen. So kann das Maritim Seehotel in Timmendorfer Strand nicht mehr allen Gästen eine Halbpension anbieten, sodass sich diese ihr Essen anderweitig organisieren müssen. Die stellvertretende Direktorin, Manja Brandt, nennt die Gründe für die Misere: Der Engpass sei eine Folge der „demografischen Entwicklung in unserer Gesellschaft, aber auch der örtlichen Infrastruktur ohne bezahlbaren Wohnraum“. Etliche Unterkünfte gehen bereits dazu über, selbst für Apartments zu sorgen. So haben das Arborea Hotel im Yachthafen von Neustadt in der Lübecker Bucht und das Reiterresort Gut Immenhof bei Malente eigens Wohnungen für ihre Mitarbeiter gebaut.
Um des Problems Herr zu werden, investieren viele Unternehmer aber auch in die Digitalisierung und Automatisierung. Wie Arne Meyer. Der Inhaber der Marschländer Elblounge in Hamburg-Spadenland setzt auf einen Roboter im Service. Das Gerät mit den Kulleraugen fährt zwischen Küche und Gastraum hin und her und entlastet so die Mitarbeiter.
„Es war noch nie so schlimm wie jetzt“
„Der Roboter kommt mit dem Teller, die Servicekräfte müssen sie dann nur noch aufdecken“, sagt der rührige Unternehmer. „Das Gerenne, das die Leute ohnehin nicht wollen, fällt damit weg“, argumentiert Meyer, der seit 29 Jahren selbstständig ist und den Mitarbeitermangel als sehr belastend empfindet: „Es war noch nie so schlimm wie jetzt“, sagt der 50-Jährige, der auch die Wein- und Friesenstube in Ochsenwerder betreibt und dort wegen fehlenden Personals nur noch zuvor gebuchte Feierlichkeiten ausrichten kann.
Der Roboter kostet 20.000 Euro, nichts für die Portokasse, aber Meyer denkt bereits an eine zweite solche Maschine, die auch die Bedienung auf der Terrasse übernehmen soll. Denn die Resonanz der Gäste sei überwiegend positiv: „Vielleicht finden das 20 Prozent nicht so gut, aber die meisten sind begeistert“, sagt Meyer. Gerade die Kinder würden sich freuen, denn der Roboter könne auch sprechen und überrasche mit forschen Ansagen wie „Bitte Platz mal“, wenn er nicht durchkommt.
Oft müssen Gäste Teil der Arbeit erledigen
„Die Technik ist gut ausgereift“, findet der gelernte Koch, der selber nun auch wieder in den Pfannen rührt – mangels Fachkräften. Und auch an der Bar setzt er auf Maschinen statt Menschen: Ein Automat für Cocktails ersetzt den Barkeeper. Das Gerät zieht sich die Zutaten dosiert aus Leitungen und mixt sie. Immerhin 20 bis 30 Cocktailsorten kann Meyer so ohne viel eigenes Zutun auf der Karte anbieten.
In einigen Betrieben übernehmen wegen des Defizits die Gäste einen Teil der Arbeit. Sie bestellen per Smartphone und bezahlen auch über das Handy, indem sie einen QR-Code am Tisch scannen. Digitale Bestell- und Bezahllösungen bieten in Hamburg bereits Peter Pane oder die Campus Suite an. „Der Gast kann sich über eine Zusatzleistung freuen, und der Service wird gerade zu Stoßzeiten entlastet,“ lobt Peter Pane-Geschäftsführer Patrick Junge die Technologie.
Restaurants warben sich gegenseitig die Köche ab
Viele Restaurants finden kreative Lösungen angesichts der Knappheit, doch manche werden offenbar auch von der Bürokratie ausgebremst. Ming-Chu Yu kann ein Lied davon singen. Die 67-Jährige engagiert sich beim Dehoga für die Belange der China-Restaurants, sie selber betreibt das Han Yang in Niendorf. Das Problem für die Anbieter von Peking-Ente und Dim Sum: „Unsere Köche müssen nach vier Jahren Deutschland wieder verlassen“, sagt die Unternehmerin. Diese Vorschrift sei wohl mit den Ängsten der Behörden vor Missbrauch zu erklären.
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Die Folge für die Restaurants, die Beschäftigte aus Nicht-EU-Ländern benötigen: Sie müssen sich immer wieder um neues Personal kümmern. Gerade während der Pandemie wurde diese Praxis vielen Betrieben zum Verhängnis. Geschlossene Grenzen oder Bewerber, die wegen der Lockdowns ihre chinesischen Heimatorte nicht verlassen durften, trieben die Restaurants dazu, sich gegenseitig die Köche abzuwerben.
Fachkräftemangel: Strenge Regeln schränken Ausbildung ein
Darüber hinaus kommen die deutschen Regeln für die Berufsbildung den Anbietern von internationalen Spezialitäten nicht gerade entgegen. Wie man deutsche Gerichte kocht, wird hier geprüft, ob jemand leckere Currys oder Chili-Garnelen zaubern kann, ist zweitrangig. Ming-Chu Yu: „Wir können keine Köche ausbilden, weil sie hier auch lernen müssten, wie sie einen Heringssalat zubereiten.“