Hamburg. Seafood mal anders: Genussexperte Gerd Rindchen kehrt in einem Lokal ein, das asiatische Aromen mit mediterraner Leichtigkeit vereint.

Während das unmittelbar benachbarte Fischereihafen Restaurant ja auf gediegene hanseatische Zurückhaltung setzt, ist das Am Kai in der Großen Elbchaussee 145c erkennbar anders unterwegs: Wer hier einkehrt, zeigt oft gern, was sie oder er so hat an kostbaren Geschmeiden, Uhren oder Designerklamotten. Wer die Atmosphäre der Düsseldorfer Königsallee oder der Whiskymeile in Kampen schätzt, wird sich Am Kai wie zu Hause fühlen.

Küchenchef Timo Müller und sein Team greifen gern in die Vollen und bedienen sich beim Besten, was die umliegenden Seafood-Großhändler zu bieten haben. Und: Sie verstehen es, damit umzugehen und aus den edlen Zutaten erstklassige Mahlzeiten zu kreieren. Hier essen macht richtig Spaß, nur manchmal wünscht man sich die klassische „Damenkarte“ früherer Zeiten, auf der ja keine Preise draufstanden. Ein spannender Einstieg ins Menü sind die Austern Geay Spezial Nr. 1, gegrillt mit Yuzukosho Gurken Salsa und Tosazu Vinaigrette oder Natur mit Balsamicoschalotten (6 Stück 34 Euro, 12 Stück 66 Euro). Auch das Tatar vom Yellowfin Tuna (19 Euro) ist tadellos bereitet. Ohnehin ist das gekonnte Spiel mit asiatischen Aromen, gepaart mit mediterraner Leichtigkeit, ein Markenzeichen des Restaurants.

Restaurant Hamburg: Rindchen empfiehlt asiatische Aromen an der Hafenmeile

Wer sich diese kulinarische Vielfalt erschließen möchte, kann sich tischweise das Sechsgängemenü „Essenz der Karte“ für 94 Euro pro Person zu Gemüte führen. Die fürsorglichen Köche haben die zum Teil überaus spannenden Gänge auch so zurückhaltend portioniert, dass man nie Gefahr läuft, sich zu überessen. Im Gegenteil: Während man sich noch am Variantenreichtum der Amuse-Bouches zu erfreuen meint, ist man möglicherweise schon mittendrin im Menü gelandet.

Dagegen sind die ganzen Fische vom Holzkohlegrill, gerade wenn man die astronomischen Einstandspreise für Wildfangware kennt, ausgesprochen fair kalkuliert: So kostet ein stattlicher, ein Kilogramm schwerer Loup de Mer für zwei, kunstvoll in der Salzkruste gebacken, fili­gran am Tisch filetiert und derzeit standesgemäß mit Kartoffel Mille Feuille, Spargel vom Cassenshof und Umami Hollandaise serviert, pro Nase 42 Euro. Die Preise für Seeteufelkotelett und Weißen Heilbutt erfährt man vorsichtig auf Nachfrage, die klassische Nordsee-Seezunge haut mit 79 Euro pro Portion schon wieder ganz schön rein. Auch die überschaubare, sehr kundig kuratierte Weinkarte verblüfft preislich in beide Richtungen: Einen – zugegebenermaßen – sehr anständigen Retzstädter Langenberg Erste Lage von „Silvaner-Gott“ Rudi May, der einen Endverbraucherpreis von um die 15 Euro hat, für 80 Euro zu offerieren ist nicht freundlich. Dagegen gibt es einen meiner Lieblingsweine, den fulminanten Große Lage-Riesling „Berg“ vom jungen Winzergenie Christian Müller (Weingut Max Müller I), der ab Hof 18 Euro kostet, für 48 Euro – das ist für einen Laden dieser Klasse echt in Ordnung, ebenso wie die 49 Euro für einen ordentlichen Sancerre.

Fazit: Wenn man ein paar kalkulatorische Fallstricke geschickt umgeht und sich die Perlen rauspickt, kann man hier gern mal einen genussvollen Abend verbringen. Die Einrichtung ist cool, die Küche gut, der Hafenblick romantisch, das Serviceteam nett und zugewandt – und für Leute-Gucker gibt es immer was zu sehen.