Hamburg. Nach Tariferhöhung: Viele Kunden schauen sich nach einem neuen Anbieter um. Doch die Suche gestaltet sich schwierig. Die Hintergründe.
Schlechte Nachricht für alle Gaskunden in Hamburg: Die bisher letzte Möglichkeit, beim Gasbezug etwas Geld zu sparen, ist mit der angekündigten Preiserhöhung von E.on Energie in der Grundversorgung Vergangenheit. Wie berichtet, steigt der Preis für die Kilowattstunde (kWh) Erdgas dort ab 1. August von 7,95 Cent auf 12,48 Cent. „Die Verbraucher haben jetzt ein Sonderkündigungsrecht, das sie bis Ende Juli ausüben können, aber sie werden wohl nach der Erhöhung keinen günstigeren Anbieter finden“, sagt Jan Bornemann, Energieexperte der Verbraucherzentrale Hamburg.
Bei einem Verbrauch von 20.000 kWh im Jahr zahlt eine Hamburger Familie mit einem Einfamilienhaus in der Grundversorgung demnächst 2667 Euro pro Jahr, das sind 51 Prozent mehr als bisher. Weder Hamburg Energie (16,39 Cent/kWh) noch Lichtblick (18,68 Cent/kWh) sind zur Grundversorgung für Neukunden eine Alternative. Wer Vergleichsportale wie Check24 oder Verivox bemüht, wird feststellen, dass selbst der preiswerteste Wettbewerber den E.on-Preis nicht unterbieten kann.
Energiekosten: Maingau Energie bisher am günstigsten
Der günstigste Anbieter bei beiden Portalen ist aktuell Maingau Energie mit einem Jahrespreis von rund 2800 Euro. Bonusangebote wurden bei dem Vergleich nicht berücksichtigt. Doch selbst wer sich darauf einlassen will, findet zwar bei Immergrün einen 15-prozentigen Neukundenbonus, zahlt im ersten Jahr aber dennoch 2743 Euro, also 76 Euro mehr als bei E.on Energie in der Grundversorgung. Ohne Bonus und bei unveränderten Preisen würde die Gasrechnung dann bei Immergrün 2023 sogar auf 3227 Euro steigen. Denn der Arbeitspreis beträgt 15,72 Cent/kWh.
Außerdem sollte jeder wechselwillige Kunde beachten: Immergrün war im vergangenen Jahr durch Tariferhöhungen innerhalb der Preisgarantie sowie einen Lieferstopp aufgefallen und wurde von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen abgemahnt. „Man sollte sich also immer genau anschauen, bei welchem Anbieter man einen Vertrag abschließt“, sagt Bornemann. „Das gilt jetzt noch mehr als in der Vergangenheit, weil die Lage für die Energieanbieter herausfordernder geworden ist. Große Konzerne wie E.on oder Vattenfall erscheinen da verlässlicher als kleinere Anbieter.“
„Die Lage an den Energiemärkten bleibt angespannt."
Während die Angebote in den Vergleichsportalen meist mit einer Preisgarantie von zwölf Monaten verbunden sind, gibt es das in der Grundversorgung nicht. „Preiserhöhungen können bei diesem Tarif jederzeit vollzogen werden, sie müssen den Kunden nur sechs Wochen vorher mitgeteilt werden“, sagt Verbraucherschützer Bornemann. Werden die Verbraucher mit 12,48 Cent/kWh über den nächsten Winter kommen?
„Die Lage an den Energiemärkten ist und bleibt angespannt. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Preise an den Großhandelsmärkten langfristig entwickeln – vieles spricht dafür, dass Preise wohl länger hoch bleiben. Wir beobachten die Lage genau, die weitere und vor allem konkrete Entwicklung der Preise ist aktuell aber nicht seriös prognostizierbar“, so E.on Energie. Weitere Preiserhöhungen sind also möglich.
Versorger dürfen Preise weiter erhöhen
Wenn Verbraucher bereit sind, etwas mehr zu bezahlen als künftig bei E.on Energie in der Grundversorgung, können sie eine Preisgarantie bis zu 24 Monate abschließen. „Doch eine wirkliche Sicherheit gibt es dafür nicht, weil die Versorger in besonders angespannten Situationen die Preise auch außerplanmäßig erhöhen dürfen“, sagt Bornemann. „Eine solche Preisgarantie ist dann nichts mehr wert.“
Hintergrund ist die Novellierung des Energiesicherungsgesetzes, das inzwischen vom Bundesrat abschließend gebilligt wurde. Eine Preisanpassungsklausel erlaubt es Energieversorgern, Preiserhöhungen direkt an ihre Kunden weiterzugeben, sollte die Bundesnetzagentur eine „erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland“ feststellen. Voraussetzung dafür ist, dass die zweite oder dritte Stufe des „Notfallplans Gas“ aktiviert wird.
Energiekosten: Verbraucher haben Sonderkündigungsrecht
Bereits im März dieses Jahres hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die erste Stufe ausgerufen, die weiterhin gilt. Die Regelung hat das Ziel, sicherzustellen, dass Energieversorger handlungsfähig bleiben und nicht insolvent gehen. Sie sollen auch bei einem starken Preisanstieg noch Gas kaufen und ihre Kunden beliefern können. Die Verbraucher haben zwar dann ein Sonderkündigungsrecht, das dürfte ihnen aber in eine solchen Situation nicht viel helfen. Bereits eine Woche nach Feststellung verminderter Gasimporte durch die Bundesnetzagentur können die Energieversorger ihre Preise erhöhen.
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Außerdem ist eine Preisgarantie bei verlässlichen Anbietern teuer. Bei Vattenfall muss man für zwölf Monate Preisgarantie im Beispielfall der Hamburger Familie rund 3400 Euro jährlich bezahlen. Ein Bonus von 400 Euro im ersten Jahr macht den Tarif etwas günstiger. Bei E.on werden für eine Preisgarantie bis Ende November 2023 rund 3730 Euro im Jahr fällig. Bornemann: „Wäre ich in der Grundversorgung würde ich wohl erst einmal darin bleiben.“