Hamburg. Die Preise für die süße Abkühlung im Sommer ziehen kräftig an. Wie die Anbieter die Erhöhungen für die kalten Kugeln begründen.
Kurzer Schockmoment letztens in Timmendorfer Strand: Der kleine Hunger auf etwas Süßes meldet sich, die Füße setzen sich fast von allein in Richtung Eiscafé in Bewegung. Im Herzen des Ostseebades, schräg gegenüber der Terrasse der Sonnenbrillenträger im legendären „Wichtig“ geht es zu Tonegutti, dem Traditionsbetrieb seit mehr als 80 Jahren. Hier schaut die Inhaberin noch selbst nach dem Rechten – und eine riesige Auswahl von A wie Amaretto bis Z wie Zimt garantiert großes Eisvergnügen. Einmal Eis zum Mitnehmen für zwei Personen bestellt, bezahlt, und dann die Überraschung: Zehn Euro kosten die beiden Becher. Das macht pro Kugel zwei Euro.
„Waren es nicht im vergangenen Jahr noch 1,50 Euro oder so?“, schießt es einem durch den Kopf. Wenige Tage später in Hamburg-Harvestehude folgt ein ähnliches Erlebnis: An der Eistheke des Kiosks neben dem Restaurant Cliff kostet die Kugel ebenfalls zwei Euro. Hier gibt es zwar bei größeren Portionen Mengenrabatt – und ein toller Blick auf die Außenalster ist inklusive. Aber die Tendenz bestätigt sich: Etliche Betriebe haben die Preise in dieser Saison stark erhöht. Auch „Eisige Liebe“ im Hamburger Hof (Große Bleichen) verkauft die Kugel Pistazie oder Zitrone für mittlerweile zwei Euro, weitere Anbieter haben vor allem die Nebenkosten für das süße Vergnügen erhöht. So kostet eine Kugel beim Kultcafé Warneke zwar weiterhin „nur“ 1,50 Euro, dafür nimmt der Betreiber des blauen Kiosks an der Binnenalster für die Portion Sahne allerdings einen Euro extra.
Kugel Eis kostet zwei Euro – das sind die Gründe
Annalisa Carnio, Sprecherin vom Verband der italienischen Eisproduzenten, Uniteis e. V., bestätigt die Tendenz. Und sie nennt zugleich die Gründe. Vor allem in Großstädten wie München oder Hamburg seien die Mieten der Läden stark gestiegen. Dazu kämen die modernen Strukturen der Betriebe: „Früher haben ganze Familien mitgearbeitet“, sagt Annalisa Carnio über die Historie vieler Traditionsfirmen. Heute seien die Beschäftigten in der Branche dagegen in den Eisdielen angestellt, zu Tariflöhnen. In diesem Jahr zahlen die Betriebe, die sich an die mit der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) geschlossenen Verträge halten, zwischen 11,42 Euro und gut 17 Euro pro Stunde an Personal ohne Umsatzbeteiligung. Im Herbst, wenn sich der gesetzliche Mindestlohn auf zwölf Euro erhöht, steigen die Tarife noch einmal leicht an und beginnen bei 12,11 Euro.
Mit den Kosten für das Personal ist die Liste der Faktoren für die Teuerung aber noch nicht zu Ende: Dazu käme, dass die Portionen größer geworden seien. „Früher wogen die Kugeln 30 Gramm“, sagt die Sprecherin des Branchenverbands, inzwischen brächten sie 90 bis 100 Gramm auf die Waage.
Rohstoffe sind hochwertig aber auch teurer geworden
Bei Tonegutti in Timmendorf heißt es zu den Zwei-Euro-Kugeln, die Zutaten seien von bester Bio-Qualität: „Für die Produktion unseres Eises setzt unsere Manufaktur ausschließlich hochwertigste Bioprodukte ein, etwa Vanilleschoten aus Tahiti oder Madagaskar statt Vanillearoma, Bio-Pistazien aus Sizilien statt industriell-konventionelle Pistazien oder Bio-Haselnüsse aus dem Piemont“, beschreibt Piera Tonegutti die Rezepturen. Dazu käme, dass die Energiekosten gestiegen seien. „Unsere Maschinen laufen unter Starkstrom“, betont die Inhaberin. Auch die Verpackung sei teurer geworden – und komplett recyclebar. Dass die Kunden nun nicht mehr, wie in der vergangenen Saison, 1,70 Euro pro Kugel zahlen müssten, sei aber vorwiegend auch eine Folge der zum Teil verdoppelten Kosten für die Basisprodukte, sagt die Unternehmerin, die das Café in dem Ostseebad seit den 70er-Jahren führt.
Auf die Preise für die Rohstoffe verweist auch der Eiskiosk neben der Hundeauslaufwiese am Westufer der Außenalster. Sie seien um 150 Prozent gestiegen, etwa für Glucose oder Dextrose, die Verpackungen seien 40 Prozent teurer, und für Energie bezahle man 25 Prozent mehr.
Zwei Euro für eine Kugel Eis – es ist günstiger etwas warmes zuzubereiten
Im vergangenen Jahr hat das Café Parco noch 1,80 Euro für die Kugel genommen, sagt Thomas Katschker, Mitinhaber des Restaurants Alster-Cliff, zu dem der Eispavillon gehört. „Aber es ist günstiger, etwas Warmes zuzubereiten, als etwas Kaltes wie Eis“, sagt der 59-Jährige, der das Geschäft mit dem Gefrorenen seit etwa 20 Jahren betreibt. Allein der Einsatz eines Kühltechnikers für die Wartung der Anlagen im hinteren Teil des Kiosks, in dem die Frucht- und Milcheissorten produziert werden, schlage jedes Mal mit etwa 500 Euro zu Buche, klagt der Unternehmer. „Jeder weiß doch, wie teuer Handwerker geworden sind“.
Annalisa Carnio vom Verband der italienischen Eisproduzenten argumentiert zudem für ihre Branche, dass auch ein Eis aus dem Supermarkt inzwischen gut zwei Euro koste. „Für ein Magnum bezahlen Sie häufig 2,50 Euro“, sagt die Lobbyistin, „und das ist nicht handwerklich hergestellt“. Mit anderen, arbeitsintensiven Produkten vergleicht auch Thomas Katschker seine Preise für die Alsterausflügler: „Bei Pralinen oder Rindfleisch liegt der Kilopreis viel höher“ sagt der Hamburger, der angesichts dieser Relationen die zwei Euro „noch immer für zu günstig“ hält.
Zudem erreichten die Preise im Ausland für eine Waffel mit Stracciatella- oder Schokoladeneis noch ganz andere Dimensionen, ergänzt Annalisa Carnio. Der Kugelpreis in Spanien, Italien oder Frankreich liege zwischen zwei und 3,50 Euro. Das kann Thomas Katschker vom Cliff nur bestätigen: „Letztens auf Mallorca habe ich 2,50 Euro bezahlt“, sagt der Hamburger. Und auch in Portugal sei der Besuch im Eiscafé teurer als hierzulande. „Dabei sind die Löhne dort wesentlich niedriger als bei uns“.