Hamburg. Gepäckausgabe stockt derzeit häufig, einige vermissen ihren Koffer schon seit Tagen – und echte Besserung ist nicht in Sicht.

Abendblatt-Leserin Anja P. ist erbost über die Zustände am Helmut-Schmidt-Flughafen. „In Hamburg steht die ganze Ankunftshalle, in der das Gepäck normalerweise von den Bändern abgeholt wird, voller verloren gegangener Gepäckstücke“, schreibt die Schleswig-Holsteinerin per Mail und spricht von „Gepäckchaos“. Auch der Hamburger Volker S. ist verärgert, er wartet seit mehreren Tagen auf sein Gepäck.

Um ihre Aussage zu unterstützen, hat Anja P. neun Fotos mitgeschickt, auf der zum Teil Dutzende Koffer hinter einem Absperrband geparkt sind. Auch andere senden Leser schicken immer wieder Bilder aus der Ankunftshalle. Drei Stunden habe sie sich in dem Bereich aufgehalten, nur einmal sei ein Koffer von einem Mitarbeiter eingescannt worden. Ansonsten würde sich niemand um das Gepäck kümmern.

Flughafen Hamburg: „Gepäckchaos“ – Zahl an Koffern mittlerweile dreistellig

Beim Airport kennt man das Problem, über das das Abendblatt schon vor gut einer Woche berichtete. Es handele sich dabei um sogenanntes Rush Gepäck, sagte Sprecherin Katja Bromm. Darunter werden Koffer und Reisetaschen verstanden, die mit einem späteren Flug als der Passagier am Endzielflughafen ankommt. „Für dieses Gepäck und den dahintersteckenden ,Lost&Found’-Prozess ist immer die Fluggesellschaft zuständig“, so Bromm – und betroffen sind derzeit wohl vor allem viele Kunden der Lufthansa.

So wie Volker S.: Der spricht von einem mühsamen Weg durch Warteschleifen und Online-FAQ. Schon direkt nach der Landung am Sonnabend sei ihm und den anderen Fluggästen gesagt worden, dass nur sie, aber nicht ihr Gepäck in Hamburg angekommen seien.

„Insgesamt werden am Flughafen Hamburg eine dreistellige Zahl an Koffern gelagert und durch das Sicherheitspersonal des Flughafens beaufsichtigt“, hatte eine Lufthansa-Sprecherin am Freitag auf Anfrage gesagt. Die Koffer seien verspätet aus den Drehkreuzen Frankfurt und München eingetroffen. Dieses hätte verschiedene Gründe, unter anderem die Wettersituation in Hessen und Süddeutschland, hieß es.

Passagiere sollen Verlustmeldung online verfolgen

In der Luftfahrt hakt es nach der monatelangen Corona-Krise und einem häufig damit verbundenen Personalabbau noch kräftig. Es gibt an vielen Flughäfen lange Warteschlangen an den Sicherheitskontrollen. Fluglinien wie Lufthansa und Eurowings, aber auch englische Anbieter wie British Airways und Easyjet müssen Flüge streichen, weil ihnen das Personal dafür fehlt. „Über alle Standorte hinweg fehlen den Dienstleistern, die an der Abfertigung der Passagiere beteiligt sind, rund 20 Prozent Bodenpersonal im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit“, sagte Ralph Beisel der Nachrichtenagentur dpa. „Das kann vor allem beim Check-in, beim Beladen der Koffer und in der Luftsicherheitskontrolle zu Engpässen in Spitzenzeiten führen“, so der Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbandes ADV.

Für die Passagiere ist das eine unbefriedigende Situation, weil sie zum Teil tagelang auf ihr Gepäck warten müssen. „Wir empfehlen den Gästen, online den Status ihrer Verlustmeldung einzusehen und nach Eintreffen des Gepäckstücks in Hamburg das Gepäck am Flughafen abzuholen“, sagte die Lufthansa-Sprecherin.

Verspätetes Gepäck am Flughafen abholen? Wie das funktioniert

Das ist dann mit zusätzlichem Aufwand und weiteren Kosten verbunden. Und nicht zwingend von Erfolg gekrönt: Zwar gibt es eine zentrale Lost & Found-Stelle am Flughafen Hamburg, an der man sein Gepäckstück zurückerhalten kann. Für verschiedene Gruppen von Airlines sind dort unterschiedliche Dienstleister zuständig, die die Koffer betreuen – und im Prinzip auch herausgeben können.

Jedoch ist der eigentlich vorgesehene Weg der, dass die Airline den Koffer ihrem Passagier zuschickt, wie der Flughafen erklärt. In jedem Fall sei es notwendig, Flugunterlagen wie Bordkarte und Gepäckabschnitt sowie Informationen über die Verlustmeldung (z.B. eine sogenannte Referenznummer) mitzuführen. Gerade für von außerhalb Hamburgs angereiste Fluggäste sei es außer in dringenden Fällen zumeist einfacher, auf die Zusendung des Koffers zu warten.

Hamburgs Flughafen-Sprecherin Bromm sagte, dass sie am Donnerstag selbst bei den Gepäckbändern gewesen sei und dort kein einziger verloren gegangener Koffer stand. Die Bilder seien eine „Momentaufnahme“. Das Gepäck werde an verschiedenen Standorten gelagert.

Grundsätzlich funktioniere die Ausgabe des Gepäcks, das mit den Passagieren im gleichen Flieger in Fuhlsbüttel landete, den Angaben nach ordentlich. "Derzeit liegen die durchschnittlichen Wartezeiten bei 12 Minuten für das erste Gepäckstück und 35 Minuten für das letzte Gepäckstück", sagte Bromm. Bei stark verzögerten Flügen könne es auch mal länger dauern.

Flughafen Hamburg bereitet sich "bestmöglich“ auf Ferien vor

Auf die Hochsaison mit den Sommerferien bereite man sich mit den Partnern „bestmöglich“ vor. Verzögerungen und Unregelmäßigkeiten könnten allerdings nicht ausgeschlossen werden. Auch der Chef des Flughafens Frankfurt, Stefan Schulte, hatte unlängst einen Reisesommer mit Problemen in Aussicht gestellt. „Als Flughafen erwarten wir eine durchschnittliche Gepäckauslieferung von 30 und in Spitzenzeiten 45 Minuten bei besonders großen, voll ausgelasteten Flugzeugen“, so Bromm. Bei Verspätungen, Wettereinflüssen oder behördlichen Kontrollen könne es auch einmal länger dauern, dies sollten aber Ausnahmen sein.

Für die Flugzeug- und Gepäckabfertigung stünden der Flughafen-Tochter HAM Ground Handling derzeit rund 800 Beschäftigte zur Verfügung. In den vergangenen Monaten habe man hohe Anstrengungen unternommen, um Personal zu rekrutieren. 80 Mitarbeiter seien neu eingestellt worden. Im Vor-Corona-Sommer 2019 waren es nach damaligen Angaben 900 Beschäftigte. Im Sommer rechnet der Helmut-Schmidt-Flughafen allerdings bei den Passagieren auch nur mit 70 Prozent der Kapazität von 2019. Dennoch sollen weitere Einstellungen vorgenommen werden, so Bromm: „HAM Ground Handling sucht laufend neue Mitarbeiter – nicht zuletzt um immer auftretende Fluktuation ausgleichen zu können.“