Hamburg. Wer in den Urlaub fliegen will, braucht am Flughafen aktuell viel Zeit. Warum sich das Problem nicht so schnell lösen lassen wird.

„Das ist krass – Ausnahmezustand“, sagt Jens Krefeldt. Er war nach eigenen Worten „geschockt“, als er für seinen Abflug nach Lanzarote im Terminal ankam: „Ich habe nicht glauben können, dass sich die Schlange vor der Sicherheitskontrolle durch den ganzen Flughafen zieht.“ Tatsächlich verläuft sie am Freitag zeitweise in einer großen Schleife durch das gesamte Terminal 1 des Hamburger Airports.

„Ich dachte, so kann das nur bei einem Streik aussehen“, sagt Daniela Putfarken, die mit ihrem Ehemann Stephan und den Söhnen Justus und Friedus nach Antalya reisen will. Stephan Putfarken ist unzufrieden damit, wie man hier in Hamburg mit dem hohen Passagieraufkommen zum Ferienstart umgeht: „Im Vergleich zu Antalya ist das hier ein Provinzflughafen.“

Flughafen Hamburg: Gäste verpassen ihre Flüge

Auch Gerlinde Kern, die nach London-Gatwick möchte, findet es „unglaublich“, was sie hier erlebt: „Ich bin extra zwei Stunden vor dem Abflug am Flughafen gewesen, so wie das empfohlen wird. Ich hoffe, dass das auch wirklich reicht.“ So wie sie sorgten sich zahlreiche Reisende, ihren Abflug zu verpassen.

Ganz abwegig ist diese Sorge nicht. „In letzter Zeit kommt es leider immer häufiger vor, dass Passagiere wegen der Verzögerungen an den Sicherheitskontrollen nicht rechtzeitig am Flugzeug sind und nicht mitgenommen werden können – zunehmend auch in Hamburg“, sagt Florian Gränzdörffer, Sprecher der Lufthansa-Tochter Eurowings. „Das möchte man nicht erleben, und das wollen wir unseren Fluggästen möglichst ersparen, darum verzögern wir in solchen Fällen den Abflug im Rahmen des Vertretbaren“, so Gränzdörffer.

Flughafen Hamburg warnt vor Wartezeiten

Um solche Situationen zu verhindern, warnt der Flughafen Hamburg auf seiner Internetseite vor den Wartezeiten. Der Hinweis auf roten Hintergrund lautet: „Aufgrund erhöhten Passagieraufkommens kommt es derzeit zu langen Wartezeiten an der Sicherheitskontrolle. Passagiere werden dringend gebeten, rund 2 bis 2,5 Stunden vor Abflug am Flughafen zu sein.“

Nach Angaben von Marcus Henschel, Sprecher der Bundespolizei am Flughafen Hamburg, betrug die Wartezeit vor den Sicherheitskontrollen am Freitag immerhin mehrfach bis zu einer Stunde. Die von der Bundespolizei beauftragte Sicherheitsfirma habe nicht alle Plätze an der Passagierkontrolle besetzen können. „Die Bundespolizei erwartet vom Dienstleister, dass er seine vertraglichen Pflichten erfüllt“, so Henschel.

Firma FraSec verwies auf hohe Krankenquoten

Am Hamburger Flughafen ist das die Firma FraSec mit Sitz in Frankfurt. Auf Anfrage des Abendblatts zu den Schwierigkeiten verwies FraSec-Bereichsleiter Steffen Seipp auf „hohe Krankenquoten“ in Verbindung mit der in jüngster Zeit sehr stark schwankenden Verkehrsauslastung der Flughäfen.

Doch das zugrundeliegende Problem besteht darin, dass das in den vergangenen Wochen kräftig gewachsene Passagieraufkommen nicht mehr zu den während der Corona-Pandemie teils drastisch verringerten Personalständen passt. So werden im aktuellen Sommerflugplan an den deutschen Flughäfen bereits wieder 85 Prozent der Sitzplatzkapazität des Sommers 2019 angeboten, wie eine Auswertung des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) zeigt. Während aber im Vor-Corona-Jahr rund 1000 so genannte Luftsicherheitsassistenten an der Passagierkontrolle des Hamburger Flughafens arbeiteten, sind es aktuell nach Angaben von Seipp nur noch 570.

Mitarbeiter müssen zwei Monate lang ausgebildet werden

Um kurzfristig die Lücken füllen zu können, setze FraSec in Hamburg bereits Beschäftigte ein, die sonst an anderen Flughäfen wie Stuttgart tätig sind, außerdem leihe man Kräfte von anderen Firmen der Branche aus, erklärte Seipp. Geplant sei, in diesem Jahr 50 zusätzliche Luftsicherheitsassistenten für Hamburg einzustellen, die Rekrutierungsmaßnahmen dafür hätten schon begonnen.

Schnelle Abhilfe wird das aber nicht bringen. Denn die neuen Mitarbeiter müssen zunächst sechs bis acht Wochen lang ausgebildet werden und anschließend eine Prüfung vor der Bundespolizei ablegen. Angesichts des Personalmangels auch in vielen anderen Branchen hat es das Luftsicherheitsgewerbe allerdings nicht leicht, überhaupt geeignete Bewerber zu finden. Diese benötigen ein einwandfreies polizeiliches Führungszeugnis und müssen vor allem bereit sein, Schichtarbeit zu leisten: der Dienst beginnt auch schon einmal um 3:30 Uhr.

Bundespolizei behält die Verantwortung

Damit nicht auch noch die Gehälter abschrecken, einigten sich die Tarifpartner Ende März auf eine Anhebung der Stundenlöhne – je nach Tätigkeitsgebiet in der Luftsicherheit – um bis zu 28 Prozent. Bei den Passagierkontrolleuren vereinbarte man eine Anhebung von zuvor 19,01 Euro auf nun 19,81 Euro und weiter bis auf 20,60 Euro im nächsten Jahr. Vom Bundesverband der Fluggesellschaften hieß es dazu, die Gehälter dieser Berufsgruppe hätten sich in den zurückliegenden zehn Jahren bereits verdoppelt. Ein Luftsicherheitsassistent in der Passagierkontrolle verdiene inzwischen nach einer Anlernzeit schon etwa so viel wie ein Elektriker mit zehnjähriger Berufserfahrung.

Auch wenn das Personal bei externen Dienstleistern angestellt ist, behält die Bundespolizei die Verantwortung für die Sicherheitskontrolle. Welche Folgen das haben kann, zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt aus dem Februar: Zwei Urlauberinnen, die ihren Flug in die Karibik wegen überlanger Wartezeit an der Passagierkontrolle verpassten, verklagten den Bund auf eine Entschädigung für die Kosten des Ersatzfluges – und hatten Erfolg. Sie konnten nachweisen, dass sie sich den Empfehlungen des Flughafens gemäß rechtzeitig dort eingefunden hatten.

Flughafen Hamburg: Auch andere Flughäfen haben Probleme

Probleme mit sehr langen Schlangen vor den Passagierkontrollen gibt es derzeit an vielen Flughäfen weltweit. In den vergangenen Wochen wurden sie aus Düsseldorf ebenso berichtet wie aus Kopenhagen, Palma de Mallorca, London-Heathrow, Birmingham, aber auch aus Kanada und den USA. In Amsterdam wurden Passagiere Anfang Mai aufgefordert, vier Stunden vor Abflug im Terminal zu sein.

Am Flughafen Hamburg erwartet man für das Wochenende zumindest keine Zunahme der Auslastung am Wochenende. Nachdem die Zahl der abfliegenden Passagiere am Freitag auf mehr als 23.000 geschätzt wurde, sollen es am Sonnabend knapp unter 20.000 sein und am Sonntag 21.000.