Berlin/London. Großbritannien droht eine Fish-and-Chips-Krise. Aus diesen Gründen können sich immer weniger Menschen das Nationalgericht leisten.
Panade, Kartoffeln, Fisch und Sonnenblumenöl – mehr Zutaten braucht es nicht für das britische Nationalgericht. Fish-and-Chips steht in fast jedem Pub auf der Karte, Imbissbuden gibt es in fast jeder belebten Straße. Doch jetzt bahnt sich für die Betreiberinnen und Betreiber eine Krise an, die ihre Existenz gefährden könnte. Sie bekommen die Verwerfungen bei der Versorgung mit Lebensmitteln infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine mit voller Wucht zu spüren.
Deshalb könnten viele Imbisse schon bald vor dem Aus stehen, warnt der Branchenverband, die National Federation of Fish Friers (NFFF). Es gebe Versorgungsprobleme mit allen Zutaten, beklagt Verbandschef Andrew Crook. Rund die Hälfte des Sonnenblumenöls haben die Imbisse bislang aus der Ukraine oder Russland bezogen.
Auch das Mehl für die Panade kam bislang zu einem großen Teil aus der Ukraine. Wegen der Kriegshandlungen ist die Getreideausfuhr aus dem Land eingebrochen. Die Preise für Sonnenblumenöl und Mehl zogen zuletzt massiv an.
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Sanktionen und Strafzölle gegen Russland – das sind die Folgen
Und dabei dürfte es nicht bleiben. Durch Sanktionen gegen Russland drohen weitere Einschnitte. Vier von zehn Fischen, die in britischen Fritteusen landen, wurden von russischen Trawlern aus dem Meer geholt. Die Preise dürften in die Höhe schießen, wenn Strafzölle in Kraft treten.
Zudem sind die Preise für wichtige Düngemittel – hier ist Russland ein wichtiger Exporteur – massiv gestiegen. Das dürfte auch die Kartoffelpreise in die Höhe treiben, lautet die Befürchtung der Imbissbudenbetreibenden. Weiterlesen: Ukraine-Konflikt: Kommt jetzt eine große Hungersnot?
Verbandschef Crook beklagt zudem den massiven Anstieg der Energiepreise. Die britischen Fisch-Frittierer fordern daher, dass Finanzminister Rishi Sunak den Mehrwertsteuersatz für die Gastronomie wieder senkt. Aktuell schlägt der Staat wieder 20 Prozent auf – während der Corona-Pandemie waren es nur fünf Prozent. „Ohne Veränderungen werden viele gute Arbeitgeber ums Überleben kämpfen müssen“, sagt Crook.
Der Verbandschef betreibt selbst einen Imbiss. Mit dem Verkauf von Fisch und Pommes mache der derzeit keinerlei Gewinn, sagt Crook.
Nicht nur Fish-and-Chips werden in Großbritannien deutlich teurer
Der Preisanstieg infolge des Kriegs im Agrarland Ukraine betrifft aber nicht nur das Nationalgericht. Der Chef der Bank of England, Andrew Bailey, warnt vor „apokalyptischen“ Lebensmittelpreisen. Zuletzt waren die Preise für Nahrungsmittel in Großbritannien bereits um 5,9 Prozent gestiegen. Bailey sagte vor Abgeordneten einen weiteren deutlichen Anstieg voraus. Auch in Deutschland dürfte der Einkauf im Supermarkt noch deutlich teurer werden.
Der Banker sprach zudem von einem „sehr großen Reallohnschock“ – die Menschen können mit ihrem Einkommen wegen der hohen Inflation deutlich weniger einkaufen.
Nach Berechnungen des Dachverbands der britischen Gewerkschaften TUC sind die Reallöhne zwischen März 2021 und 2022 bereits um 68 Pfund (81 Euro) gesunken. Die rapide steigenden Preise könnten dazu führen, dass Millionen Menschen in Großbritannien in Armut und Verschuldung abrutschen. Die Aufsichtsbehörde Office for Budget Responsibility warnt, dass der Lebensstandard so schnell sinken werde, wie seit Mitte der 1950er-Jahre nicht mehr.
Hohe Inflation: Politiker verspotten besonders betroffene Menschen
Auf große Hilfe von der Regierung brauchen Betroffene wohl nicht zu hoffen – Fachleute halten die Maßnahmen der Regierung zur Entlastung armer Haushalte für unzureichend. Konservative Abgeordnete fielen zuletzt mit Spott auf.
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Menschen, die ihr Essen von Tafeln erhalten, könnten lediglich nicht kochen, polterte Parlamentarier Lee Anderson. Wenig einfühlsam ebenfalls seine Kollegin Rachel Maclean: Betroffene sollten halt mehr arbeiten gehen oder in besser bezahlte Jobs wechseln, schlug sie vor.