Hamburg. Hohe Energiepreise und staatliche Vorgaben für ältere Gebäude verunsichern Kaufwillige. Renovierungspass dürfte dies verschärfen.
In den Immobilienportalen muss man nicht lange nach den Objekten suchen: frei stehendes Einfamilienhaus aus dem Bestand älteren Baujahres. Sie sind optisch schnell zu erkennen, und der Blick ins Innere zeigt häufig den besonderen Geschmack der Bewohner.
Doch selbst wenn die Häuser zumindest innen auf den Stand der Zeit gebracht wurden, wie ein Einfamilienhaus in Wellingsbüttel, das für mehr als eine Million Euro verkauft werden soll, haben fast alle dieser Objekte ein energetisches Problem, wie eine Stichprobe aus einem Immobilienportal zeigt. Der Energiebedarf liegt zwischen 150 und 280 Kilowattstunden (kWh) pro Quadratmeter Wohnfläche.
61 Prozent der Hamburger wollen in einem eigenen Haus leben, ergab eine Umfrage des Haspa-Trendbarometers. Bisher sagten sich Käufer, erst einmal einziehen und dann Schritt für Schritt modernisieren. Doch bei Gaspreisen von 15 bis 30 Cent je Kilowattstunde kann schon die nächste Energierechnung zu einem Problem werden.
Hamburger Altbauten: Bis 2030 Zwangssanierung aller Wohngebäude
Soll auf einen anderen Energieträger umgestellt werden, kostet das 20.000 bis 35.000 Euro für eine neue Pelletheizung oder Wärmepumpe. Letztere erfordert aber im Altbau meist zusätzliche Investitionen, um die Dämmung der Außenwände zu verbessern. Schon vom Jahr 2024 an droht nach den Plänen der Bundesregierung das Komplettverbot von Gas- und Ölheizung, wenn die Anlage ausgewechselt werden soll.
In Hamburg gelten jetzt schon strengere Auflagen. Und bis 2030 droht durch die EU-Kommission die Zwangssanierung aller Wohngebäude, um eine bestimmte Energieeffizienzklasse zu erreichen.
Noch hoffen die Verkäufer darauf, ihre Objekte zu ihren Preisvorstellungen verkaufen zu können. Doch das dürfte nicht mehr lange gut gehen. Es drohen hohe Preisabschläge und monatelange Vermarktungszeiten, weil generell der Immobilienmarkt vor einer ungewissen Zeit steht.
Deutliche Teilung des Immobilienmarktes
„Die Vermarktungszeit dieser Einfamilienhäuser mit schlechterer Energieeffizienz hat sich von vier auf acht bis zehn Wochen verdoppelt, liegt aber noch unter den Zeiten von drei Monaten aus früheren Jahren“, sagt Andreas Gnielka, Geschäftsleiter Wohnen Bestand bei Grossmann & Berger. Marco Wagner von der Commerzbank geht davon aus, „dass die sich abzeichnenden höheren Zinsen die Nachfrage nach Wohnimmobilien spürbar bremsen“. Selbst ein Rückgang der Immobilienpreise sei nicht ausgeschlossen.
„Wenn die Immobilienpreise fallen, werden schlecht gedämmte Einfamilienhäuser mit am meisten leiden“, sagt Reiner Braun, Vorstandsvorsitzender der auf den Immobilienmarkt spezialisierten Beratungsfirma Empirica AG. Ähnlich sieht das Michael Voigtländer, Immobilienexperte am Institut der Deutschen Wirtschaft: „Bei der Preisentwicklung wird sich dann eine deutliche Teilung am Markt zwischen energetisch sanierten Immobilien und nicht energieeffizienten Objekten abzeichnen.“
Neben Energiepreisen auch Finanzierung als Preistreiber
Denn nicht nur die Energiepreise führen zu einem neuen Blick auf die „Altbauten mit viel Potenzial“, wie die Makler sie gerne nennen, auch die Zinsen für Baufinanzierungen steigen wöchentlich um rund zehn Basispunkte. Die Drei vor dem Komma bei einer zehnjährigen Zinsbindung ist inzwischen erreicht, wenn Käufer nur wenig Eigenkapital haben. Ein zehnjähriger Kredit ist jetzt rund 50 Prozent teurer als noch zu Beginn des Jahres.
Die Lage ist ernst, wenn selbst die Makler darüber sprechen. 46 Prozent von ihnen erwarten, dass sich die Preise von Häusern mit geringer Energieeffizienz schlechter als der Markt entwickeln oder fallen werden, ergab eine Umfrage des Hamburger Immobilienportals Hausgold unter 4000 Maklern.
Energieeffizienz als kritisches Thema bei Erwerb
„Wir haben in den letzten Monaten und Jahren schon eine geringere Nachfrage nach Immobilien mit geringer Energieeffizienz in unseren internen Statistiken sowie am Markt generell beobachtet“, sagt Sebastian Wagner, Geschäftsführer von Hausgold. „Gewisse Elemente im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung sowie die durch die Ukraine-Krise bedingten hohen Energiepreise haben diesen Trend nochmals intensiviert.“
Die Käufer achten jetzt verstärkt auf Heizung, Dach und Fenster, bestätigt Anika Schönfeldt-Schulz, 1. Vorsitzende des Immobilienverbands Nord. „Neben Finanzierungsproblemen rücken Sanierungszustand, Energieeffizienz und die potenziellen Kosten dafür in den Fokus der Interessenten. Es gibt kritischere Nachfragen zu diesen Themen bei älteren Bestandsobjekten, und die steigenden Material- und Handwerkerkosten befeuern diesen Trend.“ Das bestätigen auch andere Makler. „Die Energieeffizienz der Verkaufsobjekte ist ein großes Thema. Früher war nur die Ölheizung ein Manko, jetzt wird auch die Gasheizung kritisch begutachtet“, sagt Gnielka.
Große Risiken bei Erwerb von Altbauten
„Es gibt große Risiken, ein altes Einfamilienhaus zu erwerben, wenn man auf die Pläne der EU-Kommission zur Gebäudesanierung blickt“, sagt Voigtländer. Bis 2030 möchte die EU-Kommission die jährliche Quote der energetischen Gebäudesanierungen verdoppeln. Bis 2050 soll der gesamte Gebäudesektor emissionsfrei sein und möglichst ohne fossile Energieträger auskommen.
Das nähere Ziel ist für Käufer ausschlaggebender, denn bis 2030 sind es nur noch acht Jahre. Bis zu diesem Zeitpunkt sollen Wohngebäude auf Basis der Energieausweise die Energieeffizienzklasse F (maximal 200 kWh je Quadratmeter Wohnfläche) erreicht haben. Das schaffen zwar viele jetzt zum Verkauf angebotene Einfamilienhäuser – wie das in Wellingsbüttel – noch, aber schon drei Jahre später gilt die Klasse E (maximal 160 kWh) als unterster Maßstab. Betroffen sind Immobilien nicht nur beim Eigentümerwechsel. Für jedes Gebäude soll den Plänen zufolge ein verpflichtender Renovierungspass eingeführt werden. Darin soll dargelegt sein, durch welche Sanierungsschritte ein Gebäude spätestens 2050 emissionsfrei wird.
Altbauten in Hamburg: Hoher Aufwand beim Umbau
„Im Grunde genommen werden die Eigentümer verpflichtet, in einem permanenten Renovierungsprozess zu sein, ohne zu wissen, ob sie das überhaupt finanzieren können“, sagt Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes der Deutschen Handwerkszeitung. Schon einzelne Maßnahmen zur Modernisierung können Tausende von Euro verschlingen (siehe Grafik). „Ein Haus aus den 1960er- oder 1970er-Jahren energetisch so zu ertüchtigen, dass es den KfW-Kriterien für energieeffizientes Sanieren entspricht, bedeutet hohen Aufwand beim Umbau“, sagt Marc Ellinger, Bauherrenberater im Verband privater Bauherren (VPB).
Um den niedrigsten Energiestandard, maximal 15 Prozent mehr Energieverbrauch als das Mindestneubauniveau, zu erreichen, müssen in Einfamilienhäusern bis Baujahr 1979 rund 1100 Euro je Quadratmeter Wohnfläche investiert werden, geht aus einer Studie der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen hervor. Um den Energieverbrauch weiter zu reduzieren, steigen die Kosten auf bis zu 1590 je Quadratmeter.
Noch können durch die staatliche Bafa-Förderung bis zu 45 Prozent der Kosten bei den Modernisierungen erstattet werden. Von der KfW-Förderbank gibt es zinsverbilligte Kredite für Einzelmaßnahmen (maximal 60.000 Euro) oder bis zu 150.000 Euro bei einer Komplettsanierung. Noch ist diese Förderung unabhängig von den Einkommensverhältnissen. Doch das soll sich nach dem neuen Klimaschutz-Sofortprogramm der Bundesregierung, das bisher nur als Entwurf vorliegt, ändern. Es profitierten vor allem Haushalte mit hohen Einkommen und Immobilieneigentümer, bemängelt das Papier. In diesem Zusammenhang werden die Förderprogramme für die Gebäudeeffizienz ausdrücklich genannt. Welche Änderungen geplant sind, steht noch nicht fest.
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Vorsicht Altbau! Was Hamburger vor dem Kauf beachten sollten
Nicht vergessen werden sollte, dass abseits von Heizung und Dämmung in den Altbauten aus den 1960er- bis 1980er-Jahren noch andere Kostenrisiken stecken. „Gebäude aus den Nachkriegsjahren können es in sich haben“, sagt Ellinger. In diesen Jahrzehnten habe man die Errungenschaften der Bauchemie gefeiert.
„Asbest in Klebern, Putzmörteln, Bodenbelägen, Rohren und Rohrummantelungen, PCB, Dioxine, Furane, künstliche Mineralfasern, teerhaltige Kleber – es gibt eine lange Liste an Stoffen, auf die das Haus von einem Schadstoff-Experten untersucht werden sollte“, rät der VPB-Experte. „Auch Schimmel oder Taubenkot stellen eine erhebliche Gefahr dar.“ Wer also eine Bestandsimmobilie erwerben will, sollte alle diese Punkte auf seiner Checkliste haben.