Hamburg. Wo früher Weintrauben und Erdbeeren verkauft wurden, soll es bald Steaks direkt vom Fleischer geben. Was Beisser-Chef Habben plant.
Ein Entrecôte vom Lavastein, dazu Bohnen mit Ibericospeck und ein Tomaten-Sesam-Salat: Solche Leckereien wird es bald am Eppendorfer Baum geben. Vielleicht nichts Ungewöhnliches in dem reichlich mit Restaurants gesegneten Viertel, aber nun gibt es das Steak direkt vom Fleischer: Betreiber des neuen Bistros ist die Fleischerei Beisser.
Der älteste Betrieb der Branche in Hamburg geht damit neue Wege. Seit 1836 bedient Beisser die Kunden, Claas Rudolf Habben führt die Firma in sechster Generation. Sein Ururururgroßvater gründete das Unternehmen nach dem Napoleonischen Krieg, der Familienname ging allerdings Mitte des vergangenen Jahrhunderts verloren, als kein männlicher Vertreter der Beissers aus dem zweiten Weltkrieg zurückkam.
Restaurant Hamburg: Beisser-Chef Habben erfüllt sich einen Wunsch
„Es war schon immer mein Wunsch, hier direkt im Verbund mit unserer Fleischerei ein kleines Restaurant zu eröffnen“, sagt Habben und zeigt auf die Ladenfläche einen Steinwurf vom Klosterstern entfernt. Am Eppendorfer Baum 4 im Stadtteil Harvestehude residiert der Traditionsbetrieb, Mitarbeiter in schmucken Schürzen verkaufen hier edle Teile von Rind, Lamm oder Schwein. In einer Dry-Age-Kammer, einem Reifeschrank, hängen die Premiumprodukte hinter Glas, die Stücke am Knochen werden hier regelrecht in Szene gesetzt.
In der Immobilie einen Hauseingang weiter, wo bisher das Früchtehaus Witte Weintrauben und Erdbeeren angeboten hat, wird sich dann bald alles um verzehrfertige Entrecôtes drehen: Im neuen „Entre Nous - by Beisser“, das zwischen Juli und September eröffnen soll. Aktuell laufen die Renovierungsarbeiten: Noch hängt das Schild „Früchtehaus Witte“ über der Eingangstür. Die zugeklebten Schaufenster, verraten aber bereits, dass sich Beisser hier bald erweitert – „Aus einer Hand – aus einer Familie – aus Hamburg“.
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Entre Nous, französisch für „Unter uns“, soll seinem Namen alle Ehre machen und eine intime, ruhige Atmosphäre bieten, mit einer Architektur im britischen Kolonialstil. Habben stellt sich einen Nachbarschaftstreff vor, nichts Abgehobenes. Die Gäste könnten gerne im Pulli erscheinen, und der Chef selbst würde dann gerne mit dem Publikum ins Gespräch kommen: „Ein wenig mit den Leuten philosophieren“, so stellt sich der Kenner bester Cuts, also spezieller Zuschnitte des Fleisches, sein neues Leben als Gastgeber vor.
Beisser setzt auf hohe Qualität: Bio heißt nicht zwingend besser
Vielleicht ist etwas Öffentlichkeitsarbeit auch nötig, denn Habben, gelernter Fleischermeister und studierter Betriebswirt, agiert in einer Branche, die nicht gerade einfache Zeiten durchlebt. Die BSE-Fälle sind schon fast vergessen, dann folgten immer wieder Negativschlagzeilen aus Schlachtereien. Aktuell beherrscht das Streben nach mehr Tierwohl und weniger Fleischkonsum den Zeitgeist.
Die Suche nach Nischen hat Beisser bisher aber erfolgreich durch diese Krisen geleitet. Passend zu den Standorten seiner Fleischgeschäfte am Eppendorfer Baum, im Alsterhaus und an der Ottenser Hauptstraße mit betuchter Kundschaft bietet Beisser edle Spezialitäten an. Filet vom Wagyu-Rind oder Kotelett vom Duroc-Schwein, hier finden Feinschmecker rare Köstlichkeiten, die allerdings auch einiges kosten: Für 100 Gramm vom Iberico Karree muss der Kunde 4,89 Euro bezahlen, das U.S. Ribeye Steak knackt bei diesem überschaubaren Gewicht schon die Marke von zehn Euro.
Außer bei diesen internationalen Spezialitäten liefern überwiegend kleine Familienbetriebe aus dem Hamburger Umland ihre Tiere an Beisser, allerdings kommt es hier weniger auf das Bio-Siegel an, als auf handverlesenes und gut marmoriertes Fleisch, betont der Inhaber. „Bio“ heißt nicht, dass es besser schmeckt, sagt Habben. „Gute Haltungsbedingungen, die richtigen Rassen und gutes Futter sind die Grundvoraussetzung für unsere Premium-Fleischwaren“, versichert der Familienvater. Das Problem sei vor allem, Spitzenqualität in ausreichender Menge zu bekommen.
Beisser-Restaurant in Harvestehude: Gehobene Gastronomie als Chance
Daher sei das Wachstum seiner Fleischereien auch begrenzt, auch wenn die Nachfrage der Kunden vorhanden ist. Denn während der Coronakrise konnte Beisser anfangs den Umsatz sogar verdreifachen. Die Menschen wollten sich während des Lockdowns etwas gönnen, auch Hamsterkäufe spielten eine Rolle. Dann schwächten sich die Verkäufe wieder etwas ab. Doch Luxus kommt meist ohne größere Verluste selbst durch Krisen.
Dieser Gedanke hat Habben auch bei der Entscheidung für das Entre Nous geleitet. Der 42-Jährige befürchtet zwar, dass aktuell viele Restaurants in ihrer Existenz bedroht sind. „Steigende Rohstoffpreise, höhere Mieten und der Personalmangel sind eine toxische Mischung“, ist Habben überzeugt. Doch mit seinem Neuling in der Branche bewege er sich in der Klasse der „gehobenen Gastronomie“, eine der Kategorien, in der er noch Überlebenschancen sieht. Hier seien die Gäste möglicherweise nicht so preissensibel, schätzt der passionierte Segler.
Traditionsfleischerei setzt auch auf "Hamburger Jungs"
Doch die hohen Kosten belasten die gesamte Branche. Um das Konzept seines neues Restaurants schlank zu halten, setzt Habben auf Steaks als Basis – und einzeln zu bestellende Beilagen. Dadurch will der Unternehmer die Prozesse in der Küche vereinfachen und letztlich Geld sparen.
Nicht nur mit dem „Entre Nous“ will Habben nun seinen Betrieb diversifizieren, schon vor zwei Jahren hat er seine älteste familiengeführte Metzgerei Hamburgs auf breitere Füße gestellt. So hat Beisser Anfang 2020 das Unternehmen Jupiter-Repen übernommen, mitsamt der Produktionsstätte in Horn. Hier ist nun genug Platz für Zerlegung, Reiferäume und Kühlung. Jupiter-Repen ist zudem bekannt für die Würstchenmarke „Hamburger Jungs“, die in Schleswig-Holstein bereits zu einer der beliebtesten Marken in diesem Segment zählt. Unter dem neuen Dach sollen die Produkte nun auch im Großraum Hamburg noch bekannter werden.
Beisser will seinen Jahresumsatz weiter steigern
„Unser Ziel ist es, eine der beliebtesten Marken für Bratwurst und Wiener Würstchen in Norddeutschland zu werden", sagt Habben. Bisher ist die Gruppe in 350 Supermärkten im Norden vertreten, davon in Hamburg in knapp 100 Geschäften, etwa bei Rewe, Edeka und Markant. Habbens Ziel ist es, 50 weitere Vertriebspartner in der Hansestadt für die Würstchen zu gewinnen.
Der Umsatz von aktuell knapp unter zehn Millionen Euro im Jahr soll so weiter wachsen. Die Zahl der Mitarbeiter dürfte ebenfalls zunehmen, derzeit beschäftigt die Gruppe rund 50 Frauen und Männer.
Steaks statt Burger sollen für gute Geschäft bei Beisser sorgen
Eher verhalten sind die Aussichten hingegen für die Tochterfirma Billy The Butcher. Vor der Pandemie sollte dieses Burgerbistro, das in Altona und im Alsterhaus zur Verwertung des ganzen Tieres beitragen sollte, den Grundstein für eine Kette bilden. Doch Corona hat die Aussichten auch wegen immer wiederkehrender Zwangsschließungen verschlechtert, große Einbußen erlebte Beisser in dieser Zeit insbesondere in der City, wo auch die Touristen und Büromenschen ausblieben. Zudem ist die Konkurrenz durch expandierende Systemgastronomen in diesem Bereich riesig.
Stattdessen soll nun die Kundschaft im Entre Nous für gute Geschäfte bei Beisser sorgen – für Habben auch deshalb ein Herzensprojekt, weil er ganz in der Nähe wohnt.