Hamburg. Bauern im Hamburger Umland spüren die Folgen der hohen Inflation. „Die Leute schauen mehr aufs Geld“, heißt es beim Landvolkverband.
Tanken wird teurer, Speiseöle im Supermarkt erreichen Rekordpreise, auch beim Essengehen müssen die Kunden tiefer in die Tasche greifen. Überraschend wird allerdings das Lieblingsgemüse vieler Deutscher günstiger, der Spargel. Lag der Preis für das Kilo im Jahr 2021 noch bei 14,90 Euro, können die Verbraucher jetzt mit etwa 13,90 Euro rechnen, ergab eine Umfrage des Abendblatts in der Region.
Die gefallenen Preise haben mehrere Gründe. Das Wetter ist ausschlaggebend für die Ernte, und in diesem Frühjahr war es wesentlich sonniger als im vergangenen Jahr, das recht kühl startete. „Spargel braucht Wärme“, sagt Christoph Werner. Entsprechend hoch ist das Angebot zurzeit. Der 37-Jährige baut das Edelgemüse in Deinste bei Stade an. Die Hamburger können die Stangen des Hofs Werner an Ständen in Eimsbüttel und Eppendorf kaufen, auch die Rewe-Supermärkte Stanislawski & Laas bieten die Produkte an, die der Landwirt mit 150 Mitarbeitern auf 200 Hektar erntet.
Spargel-Preise: 15 Prozent weniger an Ostern verkauft
„Die Leute schauen mehr aufs Geld“, ergänzt Sonja Markgraf, Pressesprecherin vom Landvolk Niedersachsen. Die moderaten Preise seien auch eine Folge dieser Sparneigung. Schließlich müsste das Gemüse jetzt frisch verkauft werden, selbst wenn den Leuten derzeit nicht der Sinn nach vergleichsweise teureren Lebensmitteln stehe. So wurden über Ostern 15 Prozent weniger Stangen verkauft als im Vorjahr.
„Spargel ist ein Luxusgut“, sagt Heiner Bartels über das Gemüse, das die Römer vor rund 2000 Jahren zur kultivierten Pflanze und Delikatesse machten und das heute in Deutschland einen Pro-Kopf-Verbrauch von etwa 1,7 Kilogramm im Jahr erreicht. Bartels hat im März seinen Spargel von Feldern, die mit der Abwärme einer Biogasanlage beheizt werden, noch für 19,90 Euro verkauft.
Zurückhaltung auch in der Gastronomie
Zurzeit kann der Landwirt aus Oldendorf aber nur noch Preise von 13,90 Euro aufrufen. Denn auch die Gastronomie halte sich als Abnehmer zurück. Im vergangenen Jahr war das Geschäft wegen der Pandemie völlig zum Erliegen gekommen, aber auch jetzt kauften die Köche noch verhalten ein. Die Zurückhaltung beobachtet Bartels gleichermaßen bei den Landgasthöfen wie bei den Restaurants in Hamburg, die er von seinem Hof im Landkreis Harburg aus beliefert.
Der 51-Jährige sieht sein Geschäft aber auch wegen der Konkurrenz aus dem Ausland unter Druck. Im Lebensmittelhandel bekämen die Verbraucher Ware aus Spanien, Griechenland und Peru, weißen und grünen Spargel. Das regional erzeugte Gemüse sei eben nicht so günstig wie importierte Ware, und die Verbraucher müssten sich bei ihrem Konsum auch an die eigene Nase fassen, sagt Bartels, der schon die nächste Ernte im Blick hat.
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Steigende Kosten: Weniger regionale Waren
Im Herbst steigt der Mindestlohn auf 12 Euro, dann ist bei ihm Saison für Kürbis. Es sei fraglich, ob sich dieses Geschäft noch lohne. Der Landwirt schätzt, dass das Angebot an Frischware aus der Region mit steigenden Kosten abnehmen wird. Einen Ausweg sehen viele Bauern in der Direktvermarktung. Auch Bartels ist hier aktiv: Er hat kürzlich einen Hofladen in Rade eröffnet.
Der Krieg in der Ukraine belastet die Bauern, die Spargel erzeugen, anders als andere Höfe bei ihrem Personal nicht. Da aus der Ukraine wegen der Bestimmungen am Arbeitsmarkt bisher nur Studenten in Deutschland arbeiten durften, seien diese Helfer stets später im Jahr für die Ernte von Beeren eingesetzt worden, sagt Sonja Markgraf. Während der Spargelernte im Frühjahr hätten die jungen Leute dagegen noch keine Semesterferien gehabt. Daher stechen traditionell vor allem Helfer aus Rumänien und Polen den Spargel.