Hamburg. Marc Fielmann präsentierte die Bilanz des Traditionsunternehmens – und sprach erneut ausführlich über dessen Zukunft.
So mancher wird sich in den vergangenen Wochen verwundert die Augen gerieben haben, wenn er oder sie die aktuelle Werbespots des Optikerkonzerns Fielmann gesehen hat. Da marschiert ein kleiner, etwas pummeliger Junge mit dicker Brille in einen Ballettsaal und legt nach dem 1990er-Jahre-Hit „I’m a Scatman“ eine Tanznummer hin.
Er versprüht dabei eine solche Lebensfreude und Energie, dass die Skepsis der braven Ballettschülerinnen schnell Begeisterung weicht. „Stärke zeigen“, lautet die Botschaft des Hamburger Unternehmens, das bislang eher nicht für mitreißende Werbung bekannt war.
Optikerkette Fielmann soll moderner werden
Konzernchef Marc Fielmann ist der ungewöhnliche Werbeheld so wichtig, dass er ihn schon kurz nach Beginn seiner Bilanzpressekonferenz am Donnerstag einblenden ließ. „In der Vergangenheit hat Fielmann ausschließlich mit rationalen Argumenten wie Preis, Qualität und Service geworben, unser neuer Auftritt zielt nun erstmals darauf, die Marke Fielmann zu emotionalisieren“, sagte er. Inzwischen gibt es vier Clips mit besonderen Markenbotschaftern. Offenbar kommen sie gut an. Die Rückmeldungen seien positiv, sagt Fielmann und lächelt.
Es ist auch ein sichtbares Zeichen für die Veränderungen bei Deutschlands größtem Augenoptiker. Und macht deutlich, wie der 32-Jährige dem Familienunternehmen nach und nach seinen Stempel aufdrückt. Seit 2019 führt er den börsenorientierten Konzern, den sein Vater und Branchenlegende Günther Fielmann vor 50 Jahren gegründet hatte. Fielmann soll moderner, internationaler und digitaler werden, hatte er in seiner Vision 2025 angekündigt und hält seitdem an seinem Zukunftskurs fest. „Insgesamt können wir mit den Zahlen zufrieden sein“, erklärte Marc Fielmann, der seinen Geschäftsbericht zum dritten Mal in Folge per Video präsentierte.
Fielmann-Aktie sackte unter 50 Euro
Dabei liegen Licht und Schatten eng beieinander. Zwar ist Fielmann mit mehr Umsatz (plus 8,9 Prozent) und Ergebnis nach Steuern (plus 18,7 Prozent) in das neue Jahr gestartet, aber die andauernde Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine belasten den Optiker. Bei der Umsatzprognose für 2022 ruderten die Hamburger zurück. Statt der noch Ende Februar erwarteten zweistelligen Wachstumsraten rechnet Fielmann jetzt nur noch mit einem Plus von bis zu zehn Prozent mit einer Rendite von 13 Prozent. Das kam auf dem Aktienmarkt nicht gut an.
Das Papier, das im Kleinwerteindex SDAX gehandelt wird, verlor in der Spitze mehr als sechs Prozent und sackte unter 50 Euro. Baader-Bank-Analyst Volker Bosse sprach zwar von „sehr soliden Zahlen zum Umsatz und Vorsteuerergebnis im ersten Quartal“, aber auch einem „konservativen Ausblick“, der leicht unter seinen Erwartungen liege. Er hatte die Fielmann-Aktie bereits in der vergangenen Woche auf „Kaufen“ gestuft mit einem Kursziel von 68 Euro. Andere Analysten sind vorsichtiger. Die DZ Bank etwa rät zum „Halten“ mit einem Ziel von 58 Euro.
Fielmann setzt auf eine langfristige Strategie
Dass die Verluste an der Börse den jungen Firmenchef wenig beeindrucken, hat er mehrfach deutlich gemacht. Das Familienunternehmen setze auf eine langfristige Strategie. 2021 konnte sich Fielmann im Vergleich zum Corona-Jahr 2020 deutlich erholen und liegt mit einem Konzernumsatz von 1,68 Milliarden Euro (plus 17,4 Prozent) sogar über Vorkrisenniveau. Verkauft wurden 8,29 Millionen Brillen (plus 14,1,). Der Gewinn nach Steuern (144,6 Millionen Euro) stieg ebenfalls zweistellig, war aber durch erhebliche Investitionen belastet. Aktionäre können in diesem Jahr wieder mit einer höheren Dividende rechnen. 1,50 Euro pro Aktie schüttet der Optiker aus.
Für die positiven Geschäftszahlen spielt die Expansion in weitere europäische Märkte eine entscheidende Rolle. Europaweit hat Fielmann im vergangenen Jahr 45 neue Niederlassungen eröffnet, unter anderem in Polen, Italien und Tschechien. „Bereits in diesem Jahr werden wir voraussichtlich in einen weiteren Markt eintreten“, so Fielmann. Dabei steht Frankreich ganz oben auf der Akquisitionsliste.
Filialnetz umfasst 913 Standorte
Seit 1999 ist das Unternehmen auch in der Ukraine vertreten und beschäftigt dort 269 Mitarbeiter. Man versuche zu helfen, sagte der Konzernchef. Nach Kriegsbeginn sei allen Beschäftigen ein Arbeitsplatz im Ausland garantiert worden. Die in der Ukraine verbliebenen Beschäftigten würden weiter bezahlt. Inzwischen sind 28 Ukrainer geflüchtet, davon zwölf nach Deutschland. In Hamburg sind aktuell zwei Mitarbeiter. Eine Frau unterstütze bereits den Krisenstab.
Aktuell umfasst das Filialnetz europaweit 913 Standorte, über die 27 Millionen Kunden erreicht wurden. Für dieses Jahr kündigte die Optikerkette 122 neue oder vergrößerte Niederlassungen an. In Hamburg zieht das Unternehmen etwa im Stadtteil Ottensen in größere Geschäftsräume. Umbaupläne gibt es auch für die Zentrale in Barmbek. Ob Fielmann den Backsteinkomplex komplett oder nur für eine längere Sanierungsphase verlässt, ist noch offen. Das gilt auch für die Frage, ob der Konzern in Hamburg bleibt. „Die Entscheidung fällt in diesem Jahr“, sagte Marc Fielmann.
Optikerkette: Wo Fielmann sieht Zukunft sieht
Grundsätzlich will Fielmann stationäre Geschäfte und Onlineauftritt - auch in den Auslandsmärkten – stärker verzahnen. „Die Zukunft liegt im Omnichannel-Geschäftsmodell“, betonte er. 2021 waren in Deutschland elf Millionen Termine digital gemanagt und dadurch Wartezeiten verkürzt worden. Auch andere Services wie Brillenreservierungen, Preisauskünfte oder die Bestellung von Kontaktlinsen und Sonnenbrillen würden zunehmend über die Internetseiten abgewickelt. Dagegen spielt der Online-Brillenverkauf nach wie vor eine untergeordnete Rolle.
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Konkrete Zahlen nannte Marc Fielmann nicht. Der entscheidende Faktor für das Angebot, ein Online-Sehtest, verzögert sich weiter. „Die Messtechnik ist komplexer als erwartet“, sagte Marc Fielmann. Bei der digitalen Anprobe von Brillen ist das Unternehmen jetzt einen Schritt weiter. Dabei können Kunden über das Smartphone eine Brille aufsetzen, ohne die eigene Brille absetzen zu müssen. Nach Worten von Marc Fielmann „eine Weltneuheit“.