Hamburg. Pilotprojekt startet in Berlin. Nach erfolgreichem Test ist eine Ausweitung auf Hamburg geplant. Wie das Gefährt funktioniert.
Ein Mitarbeiter holt die bestellte Pizza aus dem Ofen, packt sie auf die Pappe, teilt sie mit einem scharfen Messer in mehrere Stücke und schließt die Verpackung. Dann wird der Pizzakarton in eine schwarze Tasche gesteckt und ist bereit zur Auslieferung – doch es geht weder zu einem Auto oder zu einem E-Bike, sondern zu einem kleinen vierrädrigen Gefährt. Per Code wird die Klappe aufgemacht, der Pizzakarton verschwindet in einem isolierten Fach und die Tour beginnt. Der semiautonome Lieferroboter bringt die Pizza mit einer Geschwindigkeit von sechs Kilometern pro Stunde zum Kunden.
„Wir sehen Lieferroboter zukünftig als Ergänzung zu unseren Fahrerinnen und Fahrern im nahen Umkreis unserer Stores“, sagte André ten Wolde, Europachef von Domino’s Pizza. Um praktische Erfahrungen damit zu machen, setzt das Unternehmen mit Deutschland-Zentrale in der Hamburger HafenCity nun in Berlin-Charlottenburg für eine fünfwöchige Testphase den Lieferroboter auf der sogenannten letzten Meile ein – wie das Prozedere künftig abläuft, zeigt die Firma in einem kurzen Video, aus dem die beschriebenen Szenen stammen.
Kooperationspartner ist erfahren im autonomen Fahren
Die Hauptstadt erhielt den Zuschlag für die Testwochen, weil der Kooperationspartner dort sitzt. Der Lieferroboter wurde vom Berliner Unternehmen Teraki produziert. Das Start-up zählt zu einem der führenden Software-Anbieter für das sogenannte Internet der Dinge. Dabei müssen große Datenmengen verarbeitet werden, um zum Beispiel beim autonomen Fahren Objekte zu erkennen und Zusammenstöße von Mensch und Maschine zu vermeiden.
Die Technologie „stammt aus der Automobilbranche und sorgt für sicherere Lieferungen bei geringeren Kosten“, sagte Teraki-Manager Geert-Jan van Nunen. „Unsere Software wurde in der Automobilindustrie getestet und liefert hervorragende Ergebnisse, die auch von den Behörden zertifiziert wurden“, so van Nunen.
Dank GPS-Daten und Lidar-Technik erfolgt die Lieferung
Der Roboter habe eine besonders ausgeprägte Sensorik, weil er mit Kameras, einer Art Radarsystem und Telematik ausgerüstet sei. Die Lieferung an den Kunden erfolgt durch eine Mischung aus GPS-Ortungsdienst und Lidar-Technik. Die Adresse des Bestellers wird in GPS-Daten umgerechnet.
Lidar ist eine dem Radar verwandte optische Abstands- und Geschwindigkeitsmessung, die statt Radarwellen Laserstrahlen einsetzt. Mit jeder Bestellung lerne der Lieferroboter mehr, sich auf den Bürgersteigen der Hauptstadt zurechtzufinden, hieß es in der Pressemitteilung. Das geschehe, indem bestehende Algorithmen optimiert werden und so der Autonomiegrad des Roboters erhöht werden könne.
Von der technischen Seite könnte er eigentlich autonom durch die Wege und Gassen Berlins rollen, er darf es aber nicht. Darum semiautonom: Ein Mensch muss die Auslieferung mit den eigenen Augen überwachen. Das ist eine der Auflagen der Stadt für den Testbetrieb.
System soll möglichst breiter ausgerollt werden
Domino’s versichert, dass es sich derzeit um den einzigen Lieferroboter handelt, der über die erforderlichen Genehmigungen für den Betrieb im öffentlichen Raum verfügt. Damit sei er auch der einzige Roboter hierzulande, der auf Gehwegen arbeitet und nicht auf einem Campus oder in einem anderen geschlossenen Bereich.
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Bei Domino’s freut man sich auf die Erfahrungen, die der Roboter nun sammeln soll. Ziel der mehrwöchigen Testphase sei es, ausreichend Informationen zu sammeln, die für die Weiterentwicklung und einen zukünftigen Einsatz von Lieferrobotern in Stadtgebieten hilfreich sein werden. „Wir hoffen, dass wir das System in der nächsten Stufe breiter ausrollen können. Dann ist es naheliegend, dass Hamburg nächster Standort wird“, sagte ten Wolde dem Abendblatt.
2017 testete Domino’s in Ottensen und Eimsbüttel
Der Marktführer unter den Pizzalieferdiensten hat in der Vergangenheit schon mehrfach Versuche gestartet, um die wahlweise mit Gemüse, Käse, Wurst und Tomatensoße belegten Teigscheiben mit modernen Transportmitteln wie Drohnen oder Lieferrobotern auszuliefern. So fuhren im Jahr 2017 in Ottensen und später auch in Eimsbüttel Starship-Roboter die Domino’s-Snacks aus. Auch der Paketdienst Hermes oder der Essenslieferant Foodora setzten auf vierrädrige Zusteller. Nachhaltig durchgesetzt haben sie sich bisher aber nicht.
Stoffel Thijs, Deutschland-Chef von Domino’s, sagte 2019 zum Abendblatt auf die Frage, ob er dieser Liefermöglichkeit trotz des Test-Aus eine Chance gebe: „Das wird kommen. Die Frage ist nur wann.“ Die Technik habe sich nun deutlich weiterentwickelt, der Roboter werde nicht mehr ferngesteuert wie früher, so das Unternehmen. Damals lehnten einige Kunden auch die Bezahlung per Internet ab – was sich in Corona-Zeiten deutlich geändert haben dürfte. Andere wollten nicht den Weg aus oberen Stockwerken hinunter zur Haustür gehen, um auf dem Gehweg die Pizza abzuholen.
Das ist auch bei dem neuen Modell weiterhin notwendig. Die Kunden können ihre Bestellung online verfolgen und werden informiert, wenn der Lieferroboter vor ihrer Haustür steht. Dann erhalten sie einen PIN-Code aufs Handy geschickt, mit dem sich der Deckel zum isolierten Fach öffnen lässt. Gebündelte Touren gibt es dabei nicht, der Kunde kann also nicht aus Versehen oder bewusst eine für jemand anderen geplante Lieferung aus dem Frachtraum nehmen.
Das Aus für die angestellten Fahrer soll der Roboter übrigens nicht einläuten, sagt Europachef ten Wolde: „Besonders im Hinblick auf den stark auch weiter umkämpften Arbeitsmarkt und den Mangel an Fahrerinnen und Fahrern, sind wir davon überzeugt, zukünftig auf die Unterstützung von Lieferrobotern angewiesen zu sein, um den Bedarf unserer Kundinnen und Kunden auch weiterhin optimal zu bedienen.“