Hamburg. Der neue Anbieter setzt einen besonderen Schwerpunkt. Heimische Traditionsbetriebe wie das Gut Wulksfelde reagieren bereits.
Gorillas und Flink machen an jeder Ecke Werbung für ihren Service, Getir-Fahrer radeln mit blau-gelben Paketen durch die Stadt – und auch die Frischepost surrt mit ihren Elektroautos vor die Häuser. Lieferservices für Lebensmittel gehören inzwischen so selbstverständlich zum Stadtbild in Hamburg wie die Schwäne auf der Alster. Und Corona hat die Branche noch einmal beflügelt, denn in der Pandemie haben sich immer mehr Haushalte für den Komfort entschieden, sich Tomaten, Thunfischdosen oder Tiefkühlpizzen an die Tür liefern zu lassen.
Der Markt ist bereits groß – doch in Kürze kommt nach Abendblatt-Informationen noch ein weiterer Bringservice für Lebensmittel nach Hamburg: Knuspr. Die Firma sieht sich als Lieferant für den gesamten Wocheneinkauf, mit Schwerpunkt auf regionaler Bioware. Damit tummelt sich der neue Wettbewerber im Feld von etablierten Hamburger Anbietern wie der Frischepost und dem Gut Wulksfelde.
Lieferservice in Hamburg: Frisches Gemüse wie im Hofladen
Knuspr bietet die Ware zu Preisen ähnlich wie im Supermarkt, bei frischem Gemüse oder Salat wie im Hofladen. Der Einkauf soll innerhalb von drei Stunden geliefert werden, verspricht das Unternehmen. Der Start der Tochter einer tschechischen Unternehmensgruppe im Norden ist für September geplant. Knuspr will bis dahin einiges investieren: Herzstück der Ansiedlung wird ein Warenhaus, das die Firma im Hamburger Süden eröffnen will. Von dort aus sollen alle Einkäufe aus dem Sortiment an die Haushalte geliefert werden.
„Das Logistikzentrum dient als einziger Umschlagplatz, so dass Produkte in kürzester Zeit und frisch nach Hause geliefert werden“, sagt eine Knuspr-Sprecherin. Bis zum Jahresende sollen in der Hansestadt dann mehrere Hundert Beschäftigte für den Anbieter arbeiten – inklusive der lokalen Einkäufer, der Fahrer und der Kollegen im Lager.
Knuspr baut sein Angebot in Hamburg noch auf
Das Sortiment befinde sich aktuell im Aufbau, heißt es bei Knuspr. Die Anzahl der angebotenen Produkte werde mit denen der bereits versorgten Standorte vergleichbar sein: In München und Umgebung und der Rhein-Main Region ist der Service mit rund 9000 Artikeln gestartet. „Die Hamburger haben eine hohe Affinität für frische, qualitativ hochwertige und regionale Lebensmittel und decken unsere Zielgruppe der jungen Familien sehr gut ab“, sagt die Knupr-Sprecherin über die Gründe für die Expansion an der Elbe.
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Knuspr steht in den Startlöchern, während die Konkurrenz in Hamburg unter Druck geraten ist. Denn die Zeiten, als sich viele Menschen wegen Corona kaum aus dem Haus getraut haben, sind allmählich vorbei. Straßencafés füllen sich, in den Läden stöbern wieder mehr Kunden – und daher geht auch die ganz große Nachfrage nach den Lieferdiensten für Lebensmittel zurück.
Lieferservice: Hof Wulksfelde wächst in der Pandemie
André Houillon, der auf dem Gut Wulksfelde für den Lieferservice mit 80 Mitarbeitern verantwortlich ist, fasst die Entwicklung für den hauseigenen Biobringdienst zusammen: Vor Corona hätten 2000 Kunden in der Woche bei dem ehemaligen Staatsgut zwischen Duvenstedt und Tangstedt bestellt, in der Hauptzeit der Pandemie habe sich diese Zahl verdoppelt.
Aber nun pendelten sich die Lieferungen von Gemüse, Salat, Käse oder Fleisch auf wöchentlich 3000 Haushalte ein, es seien also freie Kapazitäten vorhanden, sagt Houillon. Den Rückgang, der auch den eigenen Hofladen betrifft, begründet Houillon mit mehreren Faktoren: Die Menschen gingen wieder häufiger in die Kantine, würden wie früher verstärkt auswärts essen. Dazu komme, dass die Verbraucher grundsätzlich zurückhaltend seien im Konsum, wegen der aktuell unsicheren und ungewissen Lage.
Lieferdienste setzen auf regionale Produkte
Ähnlich wie die angestammten Biolieferdienste bietet auch Knuspr neben Produkten aus dem Supermarkt feldfrische Lebensmittel aus der Region. „Regional“ heißt hier in weniger als einer Stunde erreichbar. Das bewusst lebende Publikum wird bei Knuspr darüber hinaus auch bei der Logistik entsprechend versorgt: Die festangestellten Fahrer sind mit hauseigenen und strombetriebenen Vans unterwegs.
Dass die Unternehmensphilosophie nicht bei der Logistik enden darf, hat auch das Gut Wulksfelde verinnerlicht: Der Hof am nördlichen Alsterlauf setzt für eine stärkere Kundenbindung auf den Kern der Marke, die Nachhaltigkeit, die das Bio-Gut schon immer ausgemacht hat. Die Lieferungen per E-Bike, durch den Anbieter Tricargo, weitet das Gut derzeit aus. Bis zum Ring 2, von der Innenstadt aus gesehen, werden die Lebensmittel umweltfreundlich von Tricargo-Fahrern mit dem E-Lastenbike ausgeliefert.
„Das hat auch den Vorteil, dass die Fahrräder auf dem Bürgersteig parken können“, sagt Houillon über Velos der Partnerfirma. Das Gut Wulksfelde selber hat eine Flotte von Lieferwagen, die Außenbezirke Hamburgs und Gemeinden wie Norderstedt oder Henstedt-Ulzburg versorgt. Auch hier setzt man jetzt auf Klimaverträglichkeit: Gerade sind die ersten beiden E-Lieferwagen im Einsatz, Fiat E-Ducatos. Bewähren sich die batteriebetriebenen Fahrzeuge, soll die Elektro-Flotte weiter ausgebaut werden.
Auch Lieferservice von Uber expandiert hierzulande
Die Firmen der Lieferbranche müssen wachsam sein, auf neue Trends reagieren, um beim Kunden nach wie vor die Nummer eins zu bleiben, denn im Markt tummeln sich immer mehr Wettbewerber. Die Liefersparte des amerikanischen Fahrdienst-Konzerns Uber expandiert in Deutschland, auch das niederländische Start-up Picnic, Partner von Edeka, wächst deutlich, ist bisher vor allem im Westen Deutschlands aktiv.
In Hamburg gewinnen die recht neu gestarteten Anbieter Gorillas, Getir und Flink viele Fans, denn sie setzen auf eine besonders schnelle Lieferung. Schon in wenigen Minuten bringen sie die Ware aus eigenen Nahversorgungslagern zu den Familien. Dass sich die vielen Bringservices inzwischen gegenseitig das Leben schwer machen, zeigt sich in München: In der bayerischen Metropole stoppt der Online-Lieferdienst Frischepost seine Auslieferungen.
Der dortige Lizenzpartner des in Hamburg ansässigen Unternehmens begründet den Schritt mit der starken Konkurrenz. Vor allem die von mächtigen Investoren geförderten Startups machten dem Online-Hofladen das Leben schwer. Denn auch Knuspr ist seit Mitte vergangenen Jahres in München aktiv und jagt der Frischepost mit seinem ähnlichen Schwerpunkt auf ein regionales Sortiment Kunden ab.
Frischepost liefert noch in Hamburg
Frischepost liefert seine Waren noch in Hamburg, im Rhein-Main-Gebiet, Berlin und Köln aus. In Hamburg bringt das Unternehmen rund 2000 Produkte zu den Kunden, davon 60 Prozent aus regionaler Herkunft. Auch hier werden die Einkäufe mit einer eigenen E-Fahrzeug-Flotte gebracht. Bei der Gründung der Frischepost 2015 stand die Idee im Vordergrund, gerade geerntete Salate oder Gemüse vom Bauern um die Ecke in die Stadt zu liefern – und so mehr Frische garantieren zu können als ein Supermarkt.
Als besonderen Pluspunkt sieht die Frischepost zudem ihre besonders engen Beziehungen zu regionalen Landwirten und Produzenten. Dazu gehören unter anderem der Milchhof Reitbrook aus den Vier- und Marschlanden, Overmeyer Landbaukultur aus Emmelndorf, die älteste Hamburger Demeter Bäckerei Bahde sowie Fischfeinkost Baier aus Börnsen.
Derzeit konzentriert sich die Frischepost besonders auf die digitale Weiterentwicklung ihres Angebots. Das von Eva Neugebauer und Jule Willing gegründete Start-up hat als neuen Geschäftsführer den Wirtschaftsinformatiker Tom Mayer an Bord geholt. Als nächstes will der E-Commerce-Spezialist mit einer eigenen App für noch mehr Kunden bei der Frischepost sorgen.