Hamburg. 1500 innovative junge Unternehmen gibt es in der Hansestadt. Viele der Gründer sind unzufrieden mit dem Zugang zu Finanzierungen.
Mit 1500 Start-ups sieht sich Hamburg selbst als eine der Innovations-Hochburgen in Deutschland. Und die Zufriedenheit der Gründer an Alster und Elbe mit ihrem Standort hat zumindest im vergangenen Jahr deutlich zugenommen, wie eine Umfrage des Bundesverbands Deutsche Startups und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) in Zusammenarbeit mit der Universität Duisburg-Essen ergeben hat.
Demnach erteilt jeder zweite Start-up-Gründer aus der Hansestadt den Umfeldbedingungen hier insgesamt gute Noten. Dieser Wert liegt laut der Studie mit dem Titel „Deutscher Startup Monitor“, die dem Abendblatt vorliegt, zwar unter dem bundesweiten Durchschnitt von 65 Prozent, ist aber deutlich höher als im Vorjahr, als nur 38 Prozent der Hamburger Gründerinnen und Gründer mit den Gegebenheiten in ihrer Region zufrieden waren.
Unternehmen: Start-ups in Hamburg müssen gefördert werden
Allerdings werde die Stadt ihrem eigenen Anspruch als Start-up-Hotspot nicht durchweg gerecht, heißt es von PwC. Vor allem sei es hier besonders schwierig, an Beteiligungskapital zu kommen: Während bundesweit 38 Prozent der Befragten mit dem Zugang zu Kapital und Investitionen zufrieden sind, liegt dieser Wert in der Hansestadt mit 22 Prozent deutlich niedriger.
„Um die Region weiter zu einer Gründerhochburg auszubauen, kommt es jetzt darauf an, die Möglichkeiten zu Wachstumsfinanzierung signifikant zu verbessern“, sagt dazu Thorsten Dzulko, Standortleiter von PwC in Hamburg, denn: „Eine gute Kapitalversorgung ist eine wichtige Voraussetzung, um ein Startup-Hotspot zu werden.“
Anschlussfinanzierungen stellen Problem dar
Doch nur noch 13 Prozent der Gründer haben nach eigenen Angaben Zugang zu Wagniskapital (bundesweit 20 Prozent), in der vorangegangenen Umfrage waren es 22 Prozent. Zwar beteiligen sich auch etablierte Unternehmen über Wagniskapitalfonds immer häufiger an der Finanzierung von Start-ups. „In Hamburg zeigt sich diese Entwicklung bisher aber noch nicht“, sagt Dzulko.
„Hamburg verfügt über gute öffentliche Fördermöglichkeiten für Start-ups“, heißt es dazu von der Wirtschaftsbehörde. So setze die Hamburger Investitions- und Förderbank (IFB) im Auftrag der Stadt verschiedene spezielle Zuschuss-Programme für innovative junge Firmen um. „Was die ersten 200.000 oder 500.000 Euro angeht, werden Hamburger Start-ups durch die IFB gut versorgt“, bestätigt Jannis Grube, der die PwC-Startup-Initiative in der Region Nord verantwortet: „Aber bei der Anschlussfinanzierung, ab der ersten Million, die häufig von örtlichen Unternehmern kommt, fehlt es dann.“
Geld fließt eher in Immobilien
Nach Einschätzung von Christoph Haß, bundesweiter Co-Leiter der PwC-Startup-Initiative, ist das auch eine Mentalitätsfrage: „In Hamburg ist viel Geld von erfolgreichen Unternehmern vorhanden, aber es fließt eher in Immobilien und in Schiffe als in Innovationen. Das ist in Ostwestfalen bei Unternehmerfamilien wie Bertelsmann, Miele oder Claas anders.“
Um weiteres privates Kapital für Start-ups zu aktivieren, wurde nach Angaben der Wirtschaftsbehörde mit dem Hamburger Investoren Netzwerk bei der IFB eine Einheit geschaffen, die sich ausschließlich um Kontakte zwischen Gründern und passenden Geldgebern kümmert. Außerdem seien in Hamburg besonders viele sogenannte Business Angels aktiv. die insbesondere Start-ups in Frühphasen unterstützen. Solche Investments würden jedoch häufig nicht öffentlich gemacht.
„Es fehlen hier einfach die ganz großen Deals"
Aber nicht nur die PwC-Umfrage zeigt das Problem, das Hamburger Gründer mit dem Zugang zu Kapital haben. Eine aktuelle Studie des konkurrierenden Wirtschaftsprüfungsunternehmens Ernst & Young (EY) weist in die gleiche Richtung. Demnach haben Hamburger Jungunternehmen im Jahr 2021 gerade einmal 459 Millionen Euro an Finanzierungen einwerben können. Damit rangiert der Standort unter den Bundesländern erst auf Rang fünf, der Abstand zu den Spitzenreitern Berlin (10,5 Milliarden Euro) und Bayern (4,4 Milliarden Euro) ist immens groß.
Mit Blick auf diese Daten kommt die unabhängige Gründer-Plattform „Hamburg Startups“ zu dem Urteil, dass die Hansestadt ihren Status als Start-up-Vizehauptstadt längst an München abgegeben habe und sogar weiter an Boden verliere: „Es fehlen hier einfach die ganz großen Deals und daher auch die ‘Einhörner‘, also Start-ups mit einer Milliardenbewertung.“ Zwar gehört der Hamburger Online-Modehändler About You zu diesem exklusiven Kreis. Aber der Lebensmittel-Schnelllieferdienst Gorillas aus Berlin hat allein 2021 rund 1,1 Milliarden Euro an frischem Kapital erhalten.
Nur wenige bezahlbare Büroimmobilien in Hamburg
Entwicklungspotenzial belegt die Studie auch beim Schulterschluss mit den Hochschulen: Lediglich 37 Prozent der Hamburger Start-ups kooperieren mit wissenschaftlichen Einrichtungen, bundesweit sind es 54 Prozent. Der Anteil der Ausgründungen aus der Wissenschaft ist mit sechs Prozent sogar noch geringer als bundesweit (zehn Prozent). „Gründungen in der Hansestadt erfolgen meist unabhängig von Hochschulen und Unternehmen. Dabei sind Ausgründungen aus Hochschulen und der damit einhergehende Forschungstransfer sehr vielversprechend“, meint Jannis Grube.
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Neben dem Zugang zu Kapital und Investitionen gibt es für die Hamburger Start-ups noch ein anderes großes Ärgernis: den angespannten Immobilienmarkt. Der Frust darüber ist groß, und nur 21 Prozent der Befragten zeigen sich mit der Verfügbarkeit bezahlbarer Büroimmobilien zufrieden – gegenüber einem deutschlandweiten Wert von 40 Prozent.
Gründer wollen mehr Personal einstellen
„Hier hat die Stadt einen sehr eindeutigen Handlungsauftrag“, sagt Dzulko: „Maßnahmen zur Problemlösung könnten der Aufbau von Co-Working Spaces sein, die kostengünstige Vermietung von öffentlichen Gewerbeflächen oder auch die Vermietung universitärer Räume.“
Wie im übrigen Deutschland hat sich die Stimmung unter den Gründern nach der Corona-Krise zuletzt verbessert. 94 Prozent von ihnen wollen wieder zusätzliches Personal einstellen, nachdem die Mitarbeiterzahl im Vergleich zum Vorjahr im Schnitt von 21 auf 13 gesunken war. Allerdings sind die Hamburger Jungfirmen damit vergleichsweise klein: Berliner Start-ups liegen auch in dieser Hinsicht mit 51 Beschäftigten weit vorn.