Hamburg. Bei vielen Händlern dürfen Kunden nur begrenzte Mengen von Produkten kaufen. Denn die ersten Hamburger haben begonnen, Waren zu horten.

Gleich an der zweiten Eingangstür des Penny-Marktes in Poppenbüttel werden Kunden auf die Rationierung hingewiesen. „Um der erhöhten Nachfrage gerecht zu werden, begrenzen wir aktuell die Abgabe folgender Artikel“, steht in schwarzer Schrift auf einem weißen DIN-A4-Zettel. Aufgeführt sind die 1-Liter-Flasche des Penny-Rapsöls, des Penny-Sonnenblumenöls sowie zwei Liter Bonita-Frittier- und 750 Milliliter Sonnenblumenöl von Thomy. Im Geschäft klaffen an mehreren Stellen Lücken: Viele Öle sind bereits ausverkauft.

Ein paar Meter weiter in der Aldi-Filiale kleben die Hinweisschilder direkt am Regal. „Maximale Abgabemenge 2 Stück pro Kunde“, steht weiß auf blau geschrieben und umrahmt zwei Sonnenblumenöle sowie ein Rapsöl. Flaschen mit dem Inhalt sind darunter nicht mehr vorhanden. Die Rationierung gilt auch einen Gang weiter für Zucker und Dinkelmehl – wobei Letzteres komplett fehlt.

Einzelhandel Hamburg: Rewe rationiert sieben Produkte

Bei Rewe – einige Hundert Meter entfernt – wird gleich die Abgabe von sieben Produkten rationiert. „Liebe Kunden*innen. Aus gegebenem Anlass verkaufen wir – das Rewe-Team – nur noch haushaltsübliche Mengen 4 Stück pro Kunde. Das Ganze gilt für Toilettenpapier, Trockenhefe, Mehl, Frischehefe, Haushaltsrollen, Öl und Zucker.“ Bei Mehl und Öl sind einige Produkte bereits ausverkauft. „Wir haben derzeit Lieferschwierigkeiten bei einigen Produkten“, so eine Mitarbeiterin. Daher könne es zu Engpässen bei Waren kommen. Auch weil einige Kunden schon wieder mit Hamsterkäufen begännen.

Diese Erfahrung machte man auch im benachbarten Edeka-Markt. „Die Kunden haben teilweise einheitenweise Mehl aus dem Laden herausgetragen“, sagt ein Verkäufer. Sie hievten also einen Karton mit zehn, zwölf Paketen zur Kasse. Daher habe man die Höchstabgabemenge bei Pasta, Speiseöl und Mehl auf zwei Artikel pro Haushalt und Einkauf reduziert. Einige Mehl- und Ölsorten fehlen in den Regalen des Marktes.

Händler in ganz Hamburg rationieren Produkte

Ein ähnliches Bild ergibt sich in vielen Hamburger Geschäften. In Altona waren bei der Edeka-Discounter-Tochter Netto und Aldi Sonnenblumen- und Rapsöl sowie Mehl komplett ausverkauft, Nudeln und Toilettenpapier stark dezimiert. In einer Lidl-Filiale in Harburg musste eine Frau eine Packung Mehl an der Kasse zurücklassen. Sie hatte zuvor zwei 500-Gramm-Pakete in ihren Einkaufswagen gepackt.

Mit Zetteln weist Edeka Niemerszein auf die Höchstabgabemenge von Mehl, Reis und Pflanzenöl hin.
Mit Zetteln weist Edeka Niemerszein auf die Höchstabgabemenge von Mehl, Reis und Pflanzenöl hin. © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services

Die Kassiererin wies sie darauf hin, dass nur der Kauf einer Packung erlaubt sei. Es handelte sich um gewöhnliches Mehl. Die Kundin danach konnte ohne Probleme zweimal 500 Gramm Biomehl mitnehmen. In Marmstorf gab es bei einem Edeka trotz Begrenzung auf zwei Flaschen pro Kunde kein Sonnenblumenöl mehr. In Bramfeld reduzierte ein anderer Kaufmann von Deutschlands größtem Lebensmittelhändler die Abgabe auf einmal Öl, einmal Mehl und zweimal Pasta.

"Versorgung in Deutschland ist gewährleistet"

Mit Niemerszein rationiert einer der größten Hamburger Edeka-Händler in allen seinen neun Geschäften einige Artikel. Mehl, Reis und Pflanzenöl darf nur zweimal in den Einkaufswagen gelegt werden. Generell seien Waren verfügbar und würden schnell von der Zentrale nachgeliefert, sagt Geschäftsführer Frank Ebrecht. Aber die Kunden sollen abgehalten werden, sich so zu bevorraten, wie es vor zwei Jahren bei Corona-Beginn der Fall war. Damals wurde vor allem Klopapier gehortet.

Keinen Grund für das Einkaufen großer Mengen sieht man bei der Hamburger Verbraucherzentrale. „Wir weisen immer wieder darauf hin, dass die Versorgung in Deutschland gewährleistet ist und Hamsterkäufe nicht notwendig sind. Wir appellieren an die Verbraucher, solidarisch zu sein“, sagt Lebensmittelexperte Armin Valet. Zwar gebe es durch Corona und den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine Existenzängste, die zu Überreaktionen und irrationalem Handeln führten. Diese Existenznot sei aber fast immer unbegründet.

Geringverdiener besonders getroffen

Sorgen bereiten ihm allerdings die Geringverdiener. Sie seien extrem getroffen, weil sie in vielen Bereichen mehr Geld ausgeben müssten – sei es wegen steigender Miet- und Nebenkosten, höherer Benzin- und Gaspreise oder teurerer Lebensmittel. Bei vielen Artikeln rechnet er mit anziehenden Preisen, auch weil beispielsweise Dünger und Futtermittel aus der Krisenregion kämen.

„Wir müssen uns auf andere Zeiten einstellen. Es wird Preissprünge geben, und es wird temporär auch mal Regal­lücken geben in den nächsten Wochen, Monaten und vielleicht auch im nächsten Jahr“, sagt Valet und ergänzt: „Günstige Marken könnten häufiger zuerst ausverkauft sein, gerade bei Discountern.“

Einzelhandel Hamburg: Mehl nur begrenzt haltbar

Das ist in vielen Geschäften schon Realität. So waren zum Beispiel in der Penny-Filiale Pasta-Eigenmarken ausverkauft. Bei Edeka Niemerszein gibt es eine ähnliche Entwicklung. Es sei nicht so, dass man beispielsweise generell kein Mehl mehr habe, sagt Geschäftsführer Ebrecht. „Bestimmte Sorten, die gut gehen und im Preiseinstiegsbereich liegen, sind vielleicht mal nicht da, aber es gibt immer noch Auswahlartikel.“

Verbraucherschützer Valet gibt zudem zu bedenken, dass gerade ein Produkt wie Mehl nicht unbegrenzt haltbar sei, sondern je nach Typ nur etwa bis zu einem Jahr. Danach steige das Risiko, dass sich Motten einnisten und die Backeigenschaften nachließen. Die Menschen sollten daher beim Mehl-Einkauf zurückhaltend sein und nur nach tatsächlichem Bedarf zugreifen, sagt Valet. „Die ohnehin schon hohe Lebensmittel­verschwendung sollte nicht durch das Horten von Waren noch weiter angetrieben werden, die später weggeworfen werden.“