Hamburg. Gitarren, Schlagzeug, Percussion: Mashroot Karami will mit einem umfassenden Sortiment dem Schrumpfen der Branche trotzen.
Es ist nicht unbedingt der Himmel voller Geigen, aber Gitarren hängen hier wirklich viele. Von Klassik über Western bis Elektro, in verschiedenen Preisklassen und den unterschiedlichsten Farben. „Wir haben für jeden etwas“, sagt Mashroot Karami und erfasst mit einer ausschweifenden Armbewegung sein Sortiment.
Auch Ukulelen – diese Instrumente, die aussehen wie Mini-Gitarren, aber in Wirklichkeit Kastenhalslauten mit vier Saiten sind und gerade ziemlich angesagt – gibt es in allen möglichen Varianten. Für Linkshänder, aus Carbon, mit Doppelhals oder mit poppig-bunter Front. Dazu (fast) alles andere, was Musiker und solche, die es werden sollen, interessieren könnte: Schlagzeuge, Percussion-Instrumente, Keyboards, E-Pianos, Flöten, Saxofone und das ganze Zubehör vom Drumstick und Saiten über Noten bis zum Studio-Equipment. Schon um einen Überblick zu bekommen, braucht man eine Menge Zeit. In jeder Ecke steht etwas. Und tatsächlich, da hängen auch einige Geigen.
Einzelhandel Hamburg: Fachgeschäft eröffnet trotz Corona
Anfang Februar hat Mashroot Karami sein Musikhaus Karami in Barmbek eröffnet – der Corona-Pandemie zum Trotz. „Ich glaube, dass Hamburg ein großes Musikfachgeschäft mit einem Vollsortiment verdient hat“, sagt er. Klar, das hat auch mit der Geschäftsaufgabe von JustMusic im Feldstraßen-Bunker im Februar 2021 zu tun, über Jahrzehnte der größte Anbieter für Instrumente und Musikzubehör in der Hansestadt. Karami hat eine Lücke gesehen.
Aber das ist es nicht nur. Der 44-Jährige, der vor 20 Jahren aus dem Iran nach Deutschland gekommen war und bislang ein kleines Musikgeschäft in Blankenese betrieben hat, verwirklicht mit dem Umzug an die Fuhlsbüttler Straße auch seinen Lebenstraum.
„Musik war immer meine Leidenschaft“
„Musik war immer meine Leidenschaft“, sagt Karami. Schon als Junge stand er am Keyboard, spielte auf großen Hochzeiten in seiner iranischen Heimatstadt Ghazvin. Nach dem Abitur entschied er sich gegen ein Studium, eröffnet stattdessen 1998 ein Geschäft mit Musikinstrumenten. „Das war verboten. Wir haben nach außen so getan, als ob wir Fernsehgeräte verkaufen“, erzählt der Mann mit runder Brille und leiser Stimme über diese Jahre in der islamischen Republik.
Nachdem er in Hamburg angekommen war, arbeitete er mehrere Jahre im Musikfachgeschäft Merkl in Bergedorf und war als selbstständiger Eventmanager tätig. 2018 machte sich der Vater einer Tochter mit seinem eigenen Laden in Blankenese selbstständig, anfangs mit dem Schwerpunkt auf Instrumente für Kinder.
Ein Schritt, den viele in Zeiten von Großhändlern und riesigen Online-Versandhäusern als „mutig“ bezeichnen, andere als „waghalsig“. „Für mich ist es keine Frage des Mutes“, sagt Karami. „Ich liebe diesen Job und alles, was mit Musik zu tun hat, von Herzen.“
Neueröffnung in einer Pandemie birgt Risiken
Jetzt macht er es noch eine Nummer größer. Der neue Laden in der zweiten Etage eines Geschäftshauses in Sichtweite des Bahnhofs Barmbek hat mit 600 Quadratmetern die vierfache Fläche des Ursprungsgeschäfts. Mehr als ein Jahr hat die Suche gedauert. „Ich habe mir bestimmt 40 Ladenlokale angeschaut, bevor ich das richtige gefunden habe“, sagt Mashroot Karami.
Dabei birgt die Neueröffnung natürlich auch Risiken. Die Pandemie mit monatelangem Lockdown hat dem Musikfachhändler hart zugesetzt, der seinen Betrieb ohne staatlichen Hilfen durch die vergangenen zwei Jahre gebracht hat. „Immerhin haben wir über den Onlineshop ganz gut verkauft“, sagt er. Von dem Wachstumskurs erhofft er sich neuen Schub für sein junges Unternehmen.
Stegen kennt sich mit den Instrumenten aus
Noch muss sich die neue Adresse für Musikliebhaber allerdings rumsprechen. Vormittags ist es eher ruhig im Laden. Gary Stegen steht hinter seinem Arbeitstisch in der Gitarrenabteilung und hat einen Bass in der Hand. „Da waren falsche Saiten drauf“, sagt der gelernte Gitarrenbauer und zieht mit geübter Hand neue auf. Ein Kundenauftrag.
Stegen poliert noch die Bundstäbchen, auch das Griffbrett hat er schon geölt. Der Endfünfziger gehört zum vierköpfigen Team des Musikhauses und weiß so ziemlich alles über Gitarren. Wenn er in einem Verkaufsgespräch ist, passiert es schon mal, dass er selbst in die Saiten greift. Dann wird es auch mal richtig laut.
Auch andere Mitarbeiter sind schon seit Langem in der Branche unterwegs, so wie Maximilian J. Zemke, Experte für Tasteninstrumente und selbst als Musiker und Produzent tätig.
Onlinehandel macht den Geschäften zu schaffen
Der stationäre Musikfachhandel ist in der Krise. In Hamburg und Umgebung haben unter anderem das Musikhaus Merkl in Bergedorf (2018), Musik Trekel in Langenhorn (2019), Schlick Musikwelt in Norderstedt (2020) und zuletzt JustMusic auf St. Pauli (2021) geschlossen.
Vor allem der Onlinehandel macht den inhabergeführten Geschäften zu schaffen. Schon vor Corona war die Zahl der Musikgeschäfte nach Angaben des Branchenverbands SOMM (Society Of Music Merchants) deutlich zurückgegangen. Gab es 2009 bundesweit noch 2235 Musikfachhändler, waren es Ende 2018 nur noch 1612 – ein Minus von fast 30 Prozent. Aktuellere Zahlen liegen derzeit nicht vor.
„Der Gesamtumsatz der Branche ist bis zur Pandemie jährlich gewachsen, aber die Zahl der Geschäftsschließung hat noch weiter zugenommen“, sagt SOMM-Geschäftsführer Daniel Knöll. „Die Marktkonzentration schreitet immer schneller voran, in deren Folge ganze Regionen von einer musikalischen Grundversorgung vor Ort ausgeschlossen sind.“
Wenige Geschäfte in Hamburg haben ein Vollsortiment
Auch in Hamburg ist diese Entwicklung sichtbar. Während es zahlreiche Gitarrenläden gibt, führen nur noch wenige Händler ein Vollsortiment, darunter der Musik Markt Hamburg an der Königsstraße oder der deutlich kleinere Musikladen Simsek am Winterhuder Weg. „Solche Geschäfte sind ein wichtiger Bestandteil des städtischen Einzelhandels und werden von den Verbrauchern erwartet und gewollt“, sagt Knöll. Zugleich plädiert er für Veränderungen. „Heute gehört eine digitale Präsenz dazu, damit Geschäfte gefunden werden. Das muss nicht unbedingt ein Onlineshop sein.“
Mashroot Karami, der seinen Onlineshop weiter ausbauen will, setzt darauf, dass die Kunden jetzt wieder zurück in die Geschäfte kommen. „Gerade wenn es um ein neues Instrument geht, will man es doch ausprobieren und sich fachlich beraten lassen“, sagt er. Damit er eine große Auswahl bieten kann, hat er sich hoch verschuldet. „Ich habe bei meiner Familie und bei Freunden Kredite aufgenommen“, sagt der Musikhändler.
Einzelhandel Hamburg: Karami beklagt Lieferengpässe
Über konkrete Zahlen schweigt er. Aber ein Blick über die Verkaufsfläche lässt erahnen, dass es um ordentliche Summen geht. Dabei arbeitet er eng mit dem deutschen Instrumentenbauer Meinl zusammen, dessen Marken wie Ortega Gitarren oder die Percussion-Sparte das Musikhaus Karami führt.
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Inzwischen hat in dem neuen Laden fast alles an einem Platz. Dabei ist noch nicht mal alles da, was der Musikhändler bestellt hat. „Es gibt im Moment in vielen Bereichen Lieferschwierigkeiten“, sagt er. Auch den kleinen Laden in Blankenese will er übrigens nach einer Renovierung Ende Mai wiedereröffnen. Er liebt seinen Beruf wirklich.