Hamburg. Nach dem Zusammenbruch des Unternehmens 2017 ist der bekannte Hamburger Reeder wieder zurück. An seiner Seite: Sohn Rickmer Clasen.

Man nannte ihn Pleite-Reeder, Sylter Partylöwe, Luxus-Liebhaber. Diese und viele andere Bezeichnungen hätten ihn hart getroffen, sagt Bertram Rickmers (69) im Rückblick. Unterkriegen lassen wollte er sich davon aber nicht. Freundlich lächelnd begrüßt er das Abendblatt nun an seinem Unternehmenssitz nahe der Außenalster.

Fit sieht er aus, nicht mehr so angeschlagen wie 2017. Damals rauschte die Rickmers Holding, eine der bekanntesten, größten Hamburger Charterreedereien sowie sein Lebenswerk, nach fast zehn Jahren Schifffahrtskrise in die Zahlungsunfähigkeit. Es war eine der spektakulärsten Insolvenzen in der Branche. Weil die Charterraten am Boden lagen und Schiffe kaum noch die Betriebskosten decken konnten, verlor Rickmers seine Schiffe, und viele Anleger verloren viel Geld.

Schifffahrt: Rickmers gab Anleihe heraus

Insgesamt soll es Gläubigerforderungen in Höhe von 1,14 Milliarden Euro gegeben haben, vor allem von Banken. Besonders zu schaffen machte Rickmers eine Anleihe über mehr als 250 Millionen Euro im Jahr 2013, für die er satte Zinsen von 8,85 Prozent versprochen hatte. Als er diese Anleihe herausgab, war er zunächst in der Öffentlichkeit so etwas wie ein Star. Er wurde dafür gelobt, dass er als erster der sonst so verschlossenen Schiffsinvestoren sein Unternehmen an den Kapitalmarkt brachte.

Aber die Schifffahrtskrise, die Rickmers als „die schlimmste seit dem deutsch-französischen Krieg 1870/71“ bezeichnete, wollte nicht enden. Irgendwann konnte er die Zinsen nicht mehr zahlen. Zudem drehte ihm die HSH Nordbank trotz eines vorliegenden Sanierungsplans den Geldhahn zu. Am Ende konnte der Insolvenzverwalter nur 11,7 Millionen Euro aus der Anleihe an Anleger verteilen. Und diejenigen, die Rickmers zuvor gelobt hatten, wurden nun seine schärfsten Kritiker.

Bertram Rickmers redet offen über die Krise

Damals hatte er sich zurückgezogen, heute kann er offen über die Zeit reden, in der viele Schifffahrtsunternehmen in die Krise rutschten. Er hat sie überstanden, andere nicht. „Ich kenne viele kleinere Reeder, die nach dem Zusammenbruch nicht wieder auf die Beine gekommen sind“, sagt er. Trugen die Reeder an ihrem Unglück die alleinige Verantwortung? „Alle Marktteilnehmer hatten ihren Anteil daran“, sagt Rickmers. „Viele Reeder waren schuld, weil zu viele Schiffe bei den Werften bestellt wurden, die Banken, weil sie aus Gier immer größere Finanzierungen auf die Beine stellten, und die Anleger, weil sie nur die Zinsen sahen und nicht die Risiken.“

Rickmers sagt, dass die Anleihe-Geschädigten nicht ihn für die Insolvenz der Rickmers Holding verantwortlich machten, sondern die HSH Nordbank, die trotz eines Rettungsplans in letzter Sekunde abgesprungen sei. „Unsere Insolvenz hätte vermieden werden können“, davon ist er überzeugt. Er selbst habe bei der Insolvenz rund 300 Millionen Euro verloren. Das alles habe ihn damals schwer belastet. „Das war mein Lebenswerk.“ Aber er habe nie daran gedacht aufzuhören, weil er immer von einer Erholung der Schifffahrtsmärkte überzeugt war. „Ich habe Marine-Diesel im Blut oder, um es in zeitgemäße Worte zu kleiden: Wasserstoff.“

Rickmers baute neues Unternehmen auf

Schon in der Restrukturierungsphase hat Rickmers ein neues Unternehmen aufgebaut, damals noch als Teil der Rickmers Holding geplant, die es nun nicht mehr gibt. 2019, zwei Jahre nach der Insolvenz, ging das neue Unternehmen mit neuen Schiffen an den Start – die Asian Spirit Steamship Company (ASSC). Zunächst waren es nur zwei Frachter. Heute umfasst die Flotte elf Schiffe, vier weitere Neubauten sind bestellt.

Auch wenn Rickmers wegen der Verluste und der darauffolgenden Pleite massiv in der Kritik stand: Das Vertrauen der Banken hat er nicht verloren. Mussten die deutschen Landesbanken – allen voran die HSH Nordbank – wegen ihre Schiffsfinanzierungen viele Milliarden Euro abschreiben und letztlich durch den Steuerzahler gestützt werden, so gibt es weiterhin Geldinstitute, die die Schiffsfinanzierung als solide ansehen. „Der entscheidende Unterschied ist aber, dass wir Reeder das Risiko heute alleine tragen“, so Rickmers. Denn das Kommanditisten-Modell, bei dem private Anleger Schiffsbeteiligungen erwarben, gebe es nicht mehr.

Rickmers bekommt Unterstützung von seinem Sohn

Allein mit dem Risiko ist Rickmers aber nicht. Er hat seinen Sohn an der Seite, der wie der einstige Firmengründer heißt: Rickmer Clasen. Er hatte 1834 in Bremerhaven eine Werft errichtet, die später um eine Reederei erweitert wurde. Der Filius sieht seinem Vater ähnlich, hat aber längst nicht alles von ihm geerbt, zum Beispiel die Liebe zum Segeln. „Nein, das reizt mich nicht. Ich fahre lieber Motocross“, sagt der 32-Jährige.

Von Schiffen versteht er dennoch eine Menge, denn nach dem Studium hat Rickmer Clasen Rickmers das Handwerk eines Schiffsmaklers und Befrachtungsagenten in Asien gelernt. Erst als das Unternehmen seines Vaters in die Insolvenz rutschte, kehrte der Sohn nach Hamburg zurück, gründete eine Familie und kümmert sich heute hauptsächlich um die ASSC. Die Flotte besteht überwiegend aus Feederschiffen mit einer Kapazität von jeweils 1600 Standardcontainern (TEU) – alles Neubauten mit besonders sparsamen Motoren und Filteranlagen für die Abgase. Die vier Neubestellungen haben Motoren, die mit dem Flüssiggas LNG betrieben werden.

Panamax-Schiff für bis zu 120.000 Dollar pro Tag vermietet

Rickmers Junior beschäftigt sich intensiv mit den möglichen Antrieben der Schifffahrt von morgen und damit, wie man wieder mehr junge Menschen für die Branche begeistern kann. „Die Schifffahrt von heute muss sich neu erfinden und weitergedacht werden. Dabei ist Pionierarbeit gefragt, die mit jedem Start-up in Prenzlauer Berg locker mithalten kann“, sagt er selbstbewusst. Sein Vater Bertram lenkt die Holding über der ASSC, die der Kurzform seines Namens entsprechend Brick heißt. Neben der Schifffahrtssparte gehören zur Holding eine Immobilienfirma und das Unternehmen Searenergy Group, ein Dienstleister für den Bau und Betrieb von Offshore-Windkraftanlagen.

Die Geschäfte laufen wieder gut. Details will Bertram Rickmers aber nicht verraten. Fest steht, dass die Charterraten für Schiffe derzeit so hoch sind wie niemals zuvor. Ein Panamax-Schiff, das insgesamt 3500 Boxen tragen kann, würde derzeit für bis zu 120.000 Dollar pro Tag vermietet. „Vor Corona waren wir froh, wenn wir 12.000 Dollar pro Tag bekommen haben“, sagt Rickmers senior. Die hohen Frachtraten, mit denen Linienreedereien derzeit Milliardengewinne machen, bezeichnet er zugleich als „Wahnsinn“. Bei teuren Artikeln wie Hightech-Geräten würden sich die aktuell hohen Transportkosten kaum bemerkbar machen. Bei preiswerten Produkten wie Bettwäsche hingegen schon. „Bezahlen müssen das die Verbraucher.“

Schifffahrt: Rickmers sieht noch Missstände

Auch wenn sich die Schifffahrt heute in einer komplett anderen Situation befindet als noch vor fünf Jahren, sieht Rickmers schon wieder Missstände. Manches ändert sich wohl nie. So wie die Farben der aktuellen Reedereiflagge, die schon Urahn Rickmer Clasen Rickmers eingeführt hatte. Grün, rot, weiß – so wie die Flagge der Insel Helgoland, von der die Familie stammt.