Hamburg. Das Unternehmen übernimmt das Post- und Paketgeschäft von Siemens mit 1200 Mitarbeitern und 500 Millionen Euro Umsatz.
Das Hamburger Maschinenbau- und Technologieunternehmen Körber AG steigt in die Post- und Paketlogistik ein. Körber übernimmt die entsprechende Sparte des Siemens-Konzerns. Der Kaufpreis beträgt 1,15 Milliarden Euro. Vorstände und Aufsichtsräte der beiden Unternehmen haben der Transaktion zugestimmt. Der Abschluss soll noch im Laufe dieses Jahres vollzogen werden. Die Genehmigung durch die Behörden steht aber noch aus.
Das Post- und Paketgeschäft der Siemens Logistics GmbH umfasst Planung, Konstruktion, Fertigung, Vertrieb, Installation und Inbetriebnahme sowie Wartung und weitere Dienstleistungen für Produkte und Lösungen in der Post- und Paketautomatisierung. Es erwirtschaftet einen Jahresumsatz von rund 500 Millionen Euro. Das ist mehr als ein Viertel dessen was Körber insgesamt im Jahr 2020 an Umsatz erzielte.
Post und Pakete: Hamburger Konzern Körber übernimmt Geschäft von Siemens
Für Körber ergebe der Zukauf Sinn, sagte der Vorstandsvorsitzende Stephan Seifert im Gespräch mit dem Abendblatt. Das Unternehmen erweitere mit dem Kauf sein Angebot im Geschäftsbereich Lieferketten. „Wir haben fünf Geschäftsfelder, eines davon ist Supply Chain, also der Bereich Lieferketten. Innerhalb dieses Geschäftsfelds verfügen wir über Ausrüstung für alle Industrien. Dabei fokussieren wir uns von Anfang an sehr gezielt auf bestimmte Industrien – eine davon ist der Internethandel auch E-Commerce genannt. Mit Software-Produkten haben wir schon sehr früh den E-Commerce-Bereich bedient. Und jetzt haben wir die Gelegenheit gehabt, auch auf der Hardware-Seite, also im Maschinen-, Anlagen- und Verfahrenstechnik-Bereich das Gegenstück akquirieren zu können, sodass wir jetzt im E-Commerce Anlagen, Software und Digitalisierung anbieten können.“
Als ein führender Anbieter in Europa mit einer starken Marktpräsenz in Nordamerika und einem Standbein im schnell wachsenden chinesischen Markt sei das Post- und Paketgeschäft von Siemens Logistics „ideal für weiteres Wachstum“.
Chancen für Wachstum im Post- und Paketgeschäft sind groß
Die Chancen dafür stehen gut: Denn der Onlinehandel und das veränderte Verbraucherverhalten treiben aktuell die Nachfrage nach Automatisierung und Digitalisierung in der gesamten Lieferkette und insbesondere in der Paketverarbeitung weiter voran. Der Onlinehandel werde sich in absehbarer Zeit verdoppeln, die Paketautomatisierung jährlich zweistellig wachsen, sagte Seifert. Gleichzeitig stiegen die Zustellanforderungen und der Druck, die Transportzeiten immer weiter zu verkürzen.
„Einer der großen Trends wird künftig aus verschiedensten Gründen die Nachverfolgbarkeit der kompletten Lieferketten sein, vom Hersteller bis zum Kunden. Da spielt natürlich die Nachhaltigkeit eine große Rolle, wenn es etwa um die CO2-Bilanz von Transporten geht, aber auch um Produktpiraterie zu verhindern“, so Seifert. Es gebe heute schon intelligente Software- und Digitalanwendungen, die an der Verpackung gefälschte Artikel erkennen können.
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Körber stellte Produktion schnell auf Einweg-Schutzmasken um
Der Körber-Konzern, der als Maschinenbauer für Zigarettenmaschinen großgeworden war, ist derzeit in fünf Sparten aktiv. Neben dem Bereich Lagerlogistik und Lieferketten-Management gehören dazu das Geschäftsfeld Digital, das sich mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Produktion befasst, der Bereich Pharma, der Maschinen zur Medikamentendosierung und -verpackung entwickelt, die Hygienetücher-Sparte und eben der Tabakbereich. Das Unternehmen bringt immer wieder technologische Neuerungen für Produktionsabläufe auf den Markt.
Als sich das Coronavirus im Laufe des Jahres 2020 zu einer Pandemie ausbreitete, bauten Ingenieure von Körber am Standort Lucca in Italien innerhalb von acht Wochen Papiermaschinen so um, dass mit ihnen Einweg-Schutzmasken aus Papier produziert werden konnten. „Wir haben zum damaligen Zeitpunkt Anlagen in Regionen zur Herstellung von Papiermasken liefern können, in denen das Thema FFP2-Masken nicht konsequent umgesetzt werden konnte. Es war eine tolle Innovation im Markt und hat zu diesem Zeitpunkt in einzelnen Regionen einen Beitrag geleistet“, sagt Seifert.
Geschäft mit Flughafenlogistik bleibt weiter bei Siemens
Der Körber-Konzern mit Hauptsitz in Hamburg beschäftigt weltweit etwa 10.400 Mitarbeiter. Jetzt kommen noch einmal 1200 hinzu, 750 davon in Deutschland, denn mit der Übernahme des Post- und Paketgeschäfts von Siemens erwirbt Körber einen ganz großen Spieler auf dem Markt. „Unser Ziel ist es immer, Marktführerschaft durch Technologieführerschaft zu erreichen.“ Nach Siemens-Angaben wird heute schon jeder zweite auf der Welt versendete Brief durch Siemens-Anlagen sortiert. Große Kunden sind Amazon, DHL und UPS, auf nationaler Ebene Zusteller wie Hermes.
Warum Siemens sich von diesem lukrativen Geschäft trennt, ist schwer zu verstehen. Vorstandschef Roland Busch erklärt es mit der angeblichen Konzentration auf das Hauptgeschäft: „Wir schärfen und optimieren kontinuierlich unser Portfolio, um Siemens als fokussiertes Technologieunternehmen weiter zu stärken.“ Körber sei der „ideale neue Eigentümer für das Post- und Paketgeschäft“, ergänzte er. Das Geschäft mit Flughafenlogistik werde aber bei Siemens bleiben.
Körber in Hamburg: „Wir haben Tolles vor“
Siemens-Finanzvorstand Ralf P. Thomas ergänzte: „Die zuletzt hervorragende Entwicklung des Post- und Paketgeschäfts von Siemens Logistics hat gezeigt, dass wir in der Lage sind, mit unserem Konzept der Portfolio Companies Geschäfte weiterzuentwickeln und zukunftsfähig aufzustellen, auch wenn sie nicht zu unserem Kerngeschäft zählen.“
Bei Körber in Hamburg knallten am Donnerstag jedenfalls die Sektkorken: Seifert strahlte über das ganze Gesicht, als er sagte: „Ich bin begeistert, welche Möglichkeiten sich für die gemeinsame Zukunft und Zusammenarbeit mit unseren Kunden ergeben.“ Für den Standort Hamburg hat die Übernahme zunächst keine Auswirkungen. „Aber auch hier haben wir Tolles vor“, sagte der Chef. Mehr wollte er noch nicht verraten.