Kreis Pinneberg. Wegfall der Impf- und Genesenen-Pflicht im Einzelhandel: Führen weniger Beschränkungen zu mehr Kauflust?

Am Mittwoch hat Schleswig-Holstein die Tür zur Normalität geöffnet. Zumindest einen kleinen Spalt: Eine neue Landesverordnung erlaubt unter anderem der Gastronomie im Kreis Pinneberg wieder nach der bisherigen Sperrstunde von 23 Uhr offen zu haben, 500 Teilnehmer bei Veranstaltungen in geschlossenen Räumen und weniger Auflagen für den musikalischen Bereich sind ebenfalls Inhalt der Verordnung. Am lockersten wird es allerdings im Einzelhandel.

Corona: 2G-Regel im Einzelhandel aufgehoben

Dort, in Mode- oder anderen Einzelhandelsgeschäften, gilt von nun an nur noch die Maskenpflicht. Der Impfstatus der Kunden ist von nun an egal und muss nicht länger kontrolliert werden. Auch für Verkäufer fallen die stichprobenartigen Kontrollen von Impf- und Testnachweisen weg. Das sorgt größtenteils für Erleichterung bei den Einzelhändlern der Region. Aber sorgt es im Umkehrschluss auch für mehr Kauflust?

Am Mittwochvormittag flanieren viele Fußgänger die Dingstätte in Pinneberg entlang. Miriam und Tim Glindmeyer vom gleichnamigen Modehaus sind sich einig: „Die Stadt wirkt heute voller als sonst.“ Der Inhaber freut sich, „dass die längst überflüssigen Regelungen“ fallen. „Der Einzelhandel ist kein Pandemietreiber“, so Tim Glindmeyer. Diese Ansicht vertritt er schon seit Monaten. Und er glaubt, dass durch die Auflagen Kunden weggeblieben sind: „Das war selbst für Geimpfte lästig, ständig alles vorzuzeigen. Der Wegfall von 2G ist in jedem Fall eine Erleichterung.“ Den großen Ansturm erwartet der 34-Jährige erst, wenn die Infektionszahlen merklich sinken. Dabei würden Masken helfen – „diese Pflicht kann von mir aus solange wie möglich bestehen bleiben.“

Susanne Nimsgarn, 55 Jahre alt, Einzelhandelskauffrau und Mitarbeiterin beim Juwelier Berndt findet, die Branche sei lang genug
Susanne Nimsgarn, 55 Jahre alt, Einzelhandelskauffrau und Mitarbeiterin beim Juwelier Berndt findet, die Branche sei lang genug "gegängelt" worden © Johanna Wagner | Johanna Wagner

Im Laden schräg gegenüber, bei Juwelier Berndt, ordnet Susanne Nimsgarn Schmuck. Sie ist blendend gelaunt – endlich kein 2G mehr. „Ganz logisch war das ohnehin nicht, in den Baumarkt und den Buchladen durften die Kunden auch ohne Vorschriften. Es ist schön, dass wir nicht mehr gegängelt werden.“ Sie habe einen Kundenrückgang durch die 2G-Regelungen gemerkt, vor allem jüngere Menschen seien weggeblieben. Auch sie meint: „Es werden wieder mehr Kunden kommen.“

Corona: Pinnebergs City-Managerin ist zuversichtlich

Diese Zuversicht teilt Pinnebergs City-Managerin Birgit Schmidt-Harder. Ihrer Einschätzung nach freut sich „der stationäre Einzelhandel in der Pinneberger City und auch im Quellental sehr über die Abschaffung“. Wichtig sei vor allem, dass die Menschen wieder unbeschwerter, aber dennoch sicher einkaufen gehen können. „Einkaufen macht doch Spaß“, so Pinnebergs oberste Marketingbotschafterin. „Und dafür ist die Abschaffung der Regel, über die trefflich gestritten wurde, ein gutes und wichtiges Signal.“

Christine Gerckens betreibt „Dine’s Basteltreff“.
Christine Gerckens betreibt „Dine’s Basteltreff“. © Johanna Wagner | Johanna Wagner

Auch Christine Gerckens, die seit 15 Jahren „Dine’s Basteltreff“ betreibt, freut sich – ist aber etwas weniger optimistisch. Die 2G-Auflagen seien „nicht so schlimm gewesen wie befürchtet“, weil nur stichprobenartig kontrolliert werden musste. Nur sehr vereinzelt wären Kunden nicht in den Laden gekommen und hätten draußen gewartet, während sie Bestellungen entgegengenommen habe. „Es war toll, dass die Leute da so ehrlich waren.“ Dass die 2G-Pflicht jetzt gekippt wurde, sei „trotzdem sehr schön“. Denn weniger Kunden hätte auch sie registriert, „das lag aber vielleicht auch an den hohen Zahlen“. Ihretwegen bleibt Gerckens verhalten: „So viel werden die Lockerungen dann auch nicht bringen.“ Ihre Hoffnung für die Zukunft: „Keine neue Variante und nicht noch so ein harter Winter.“

Anne Börner, 70 Jahre alt, hat erst eine Corona-Erkrankung überstanden. Sie findet die Lockerungen für den Einzelhandel nicht gut. 
Anne Börner, 70 Jahre alt, hat erst eine Corona-Erkrankung überstanden. Sie findet die Lockerungen für den Einzelhandel nicht gut.  © Johanna Wagner | Johanna Wagner

Bei Anne Börner, 70 Jahre alt, hält sich die Freude in Grenzen. Sie ist gerade auf dem Weg zum Frisör. In die Läden zieht es sie nicht – im Gegenteil. Erst kürzlich hat sie sich mit dem Virus infiziert und immer noch Beschwerden: „Omikron ist sicher nicht nur ein Schnupfen. Es macht mich wütend, wenn das jemand behauptet. Mir ging es sehr schlecht.“ Deswegen sieht sie die Lockerungen skeptisch: „Viele wiegen sich jetzt in Sicherheit. Am Ende muss es jeder für sich entscheiden. Aber ich halte mich erst mal zurück.“

Corona: Wegfall der 2G-Regel „wichtiger Schritt Richtung Normalität“

Manuela Kase, Geschäftsführerin des Stadtmarketings Elmshorn, sieht die Entwicklung deutlich positiver und bewertet die neue Landesverordnung als Chance: „Dass die 2G-Regel für den Einzelhandel entfällt, ist ein wichtiger Schritt in Richtung Normalität.“ Insgesamt stimme sie die Entscheidung „optimistisch“. Kase sei sich sicher: „Das steigert die Einkaufslust.“

Im größten Einkaufszentrum der Region, im Stadtzentrum Schenefeld, war die Einkaufsstimmung bereits am Dienstag weitgehend gelöst. Die mobilen Stationen in den Geschäften, an denen Kunden ihren Impfstatus bisher vorweisen mussten, standen zwar noch, waren aber größtenteils nicht besetzt. Das führte bei einigen Kunden zu Irritation: „Muss ich jetzt warten, bis jemand kommt – oder kann ich so rein?“, war an vielen Eingängen zu hören. Aber auch Erleichterung stand einigen Einkaufsfreudigen im Gesicht, denn das ständige Vorweisen der Impfausweise oder Genesungsscheine sei lästig gewesen.

Das sieht auch Centermanagerin Songül Aksi so. „Für uns im Stadtzen­trum Schenefeld ist der Wegfall der 2G-Regel ein wichtiges, positives Signal für ein Stück mehr Normalität. Es entlastet jedenfalls die Mitarbeiter in den Geschäften und gibt den Kunden wieder die Möglichkeit, auch mal spontan, ohne vorher Ausweis und Impfnachweis zu suchen in ein Geschäft zu gehen und einfach zu bummeln.“