Hamburg. Staatspräsidenten, Nobelpreisträger und Fußball-Weltmeister sind in der Hamburger Institution zu Gast. Max M. Warburg gab den Anstoß.

Wer in Hamburg diskret und in stilvoller Atmosphäre mit Gästen über Geschäfte sprechen möchte, kann das in verschiedenen exklusiven Klubs tun, sofern er oder sie dort Mitglied ist. Da gibt es den Anglo-German Club in einer herrschaftlichen Villa an der Außenalster, den Hafen-Klub direkt an den Landungsbrücken mit Blick auf die vorbeiziehenden Schiffe, die Hanse Lounge mit modernem Ambiente über den Alsterarkaden, den Business Club Hamburg in einem früheren Landsitz im Heine-Park am Elbhang.

Doch die traditionsreichste und berühmteste Institution dieser Art ist der Übersee-Club. Er wurde am 27. Juni 1922 gegründet, feiert in diesem Jahr also das Jubiläum des 100-jährigen Bestehens.

Jubiläum: Übersee-Club von Max M. Warburg gegründet

Angeregt hat diese Gründung der Hamburger Bankier und Politikberater Max M. Warburg. Nach den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs erhoffte sich Warburg vom Aufbau des Übersee-Clubs im Geiste des traditionell liberal eingestellten Hamburger Kaufmannswesens eine gesellschaftspolitische Wende.

Der Übersee-Club am Neuen Jungfernstieg an der Binnenalster.
Der Übersee-Club am Neuen Jungfernstieg an der Binnenalster. © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services

„Eine Vereinigung soll geschaffen werden, an der jeder teilnehmen kann, der nicht in Volksverhetzung und Aufpeitschung politischer Leidenschaften seine Aufgabe sieht“, hieß es in Warburgs programmatischer Eröffnungsrede. Er konnte sie jedoch nicht persönlich vortragen, weil der Name des jüdischen Unternehmers auf der Todesliste jener rechtsradikalen Terrorgruppe stand, die wenige Tage zuvor Außenminister Walther Rathenau – mit dem Warburg gut bekannt war – erschossen hatte.

Übersee-Club als Raum für gesellschaftlichen Austausch

Zwar lautete eines der ursprünglichen Ziele des Übersee-Clubs, „die Stellung Hamburgs in der Welt zu fördern“. Vor allem aber sah Warburg den Club als Ort, an dem man unterschiedliche Ansichten „miteinander durchsprechen“ kann – als Raum für gesellschaftlichen Austausch also.

„Wir wollen kein Business-Club sein“, sagt auch der heutige Präsident des Übersee-Clubs, Michael Behrendt, sondern ein „Forum, in dem Menschen zusammenfinden, die sich über ihren Beruf hinaus für wirtschaftliche, politische, wissenschaftliche und kulturelle Zusammenhänge interessieren.“ Knapp 2000 Mitglieder hat der Club, fast 20 Prozent davon sind Frauen – sie waren von Angang an als Mitglied zugelassen, was in den 1920er-Jahren noch keineswegs selbstverständlich war.

Nobelpreisträger und Fußballlegenden zu Gast

Kanzler Adenauer (l.) mit Adolph Schönfelder, Präsident der Bürgerschaft, 1954 im Club.
Kanzler Adenauer (l.) mit Adolph Schönfelder, Präsident der Bürgerschaft, 1954 im Club. © Übersee-Club

Tatsächlich gehörten zu den Rednern auf den Vortragsveranstaltungen immer wieder auch Wissenschaftler wie im Jahr 1953 der Physik-Nobelpreisträger Werner Heisenberg oder Schriftsteller wie Siegfried Lenz (1978). Als denkwürdig kann aber auch der gemeinsame Auftritt der Fußballlegende Günter Netzer mit dem Sportjournalisten Gerhard Delling gelten – die beiden begeisterten im Jahr 2019 die rund 400 geladenen Gäste mit Frotzeleien und Anekdoten.

Einer der ersten Gäste des Clubs war im September 1922 der berühmte britische Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes. Er warb nachdrücklich dafür, die Weimarer Republik nicht mit Reparationszahlungen für den verlorenen Krieg zu überlasten, denn: „Die wertvollsten Güter des Lebens haben nur wenig mit internationalen Fragen zu tun, aber eines ist die Grundbedingung für alles Gute: Frieden!“

Übersee-Club wurde 1933 aufgelöst

Doch fast gleichzeitig mit der Weimarer Republik löste sich auch der Übersee-Club auf – vorübergehend jedenfalls: Er hatte sich mit der aufwendigen Umgestaltung seines ersten Domizils, des Gebäudes der Patriotischen Gesellschaft an der Trostbrücke, finanziell übernommen. Außerdem ließ die Weltwirtschaftskrise die Beiträge schrumpfen. Ende 1933 beschloss man die Selbstauflösung, die im Mai 1934 wirksam wurde. Dabei spielte aber auch die Politik eine Rolle: Das liberale Selbstverständnis des Clubs wäre mit der nationalsozialistischen Ideologie nicht vereinbar gewesen.

Erst 1947 konnte es weitergehen. Es war Erik Blumenfeld, der damalige Vizepräses der Handelskammer, der die Neugründung des Übersee-Clubs vorantrieb. Der Sohn eines jüdischen, zum Protestantismus konvertierten Reeders hatte schon dem Verwaltungsrat des ersten Clubs angehört.

Pläne für HafenCity im Übersee-Club enthüllt

Seit der Neugründung haben alle Bundeskanzler und -präsidenten vor den Clubmitgliedern gesprochen, ebenso prominente ausländische Politiker wie der französische Staatspräsident Charles de Gaulle. Im September 1962 mahnte er, die Aussöhnung zweier einst verfeindeter Staaten sei nicht genug: „Die Welt ist größer als wir. Schon Europa ist größer als die deutsch-französische Zusammenarbeit.“

Auch hamburgische Geschichte wurde im Übersee-Club vorgezeichnet. So enthüllte 1997 der damalige Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) dort die Pläne für eine HafenCity: „Entscheiden wir uns nach vier Generationen für die Rückkehr der Stadt an die Elbe!“

Jubiläum: Übersee-Club auch bei jungen Leuten beliebt

Ihm sei „nicht bange um die nächsten 100 Jahre“, sagte Club-Präsident Michael Behrendt anlässlich der Vorstellung des Jubiläumsprogramms. Wie man an den Neumitgliedsanmeldungen sehen könne, finde das Konzept des Übersee-Clubs auch bei jüngeren Menschen Anklang.

Noch immer gehe es darum, einen Ort des persönlichen Austauschs zu bieten und Engagement für das Gemeinwesen anzuregen: „Das ist heute, in Zeiten von Populisten, Fake News und angesichts einer enorm komplexen, aber veränderungsbedürftigen Welt, wohl wichtiger denn je.“