Hamburg. Einigung mit der IG Metall beim Konzernumbau. 4500 Hamburger Beschäftigte wechseln in eine neue Tochterfirma. Die wichtigsten Infos.
Die Verhandlungsrunde am Montagvormittag im Radisson Hotel am Flughafen war „open end“ angesetzt – und das war notwendig. Nach 18-stündiger Verhandlungen haben sich das Airbus-Management und Arbeitnehmervertreter erst Dienstag früh auf einen Kompromiss beim Konzernumbau geeinigt. Man habe eine „ganz, ganz schwere Auseinandersetzung“ beigelegt, sagte der Konzernbetriebsratsvorsitzende, Holger Junge, auf einer gemeinsamen Pressekonferenz.
Nun gebe es Zukunftsperspektiven für alle betroffenen Standorte, eine Standort- und Beschäftigungsgarantie bis Ende 2030, die betriebsbedingte Kündigungen so lange ausschließt. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zur Lösung, die beide Seiten bis zum 28. Februar bestätigen müssen.
Airbus: Welche Einigung gibt es für Hamburg?
Im April 2021 wurde bekannt, dass der Konzern die Rumpffertigung und -montage umstrukturieren möchte. Im Werk auf Finkenwerder werden Rumpfschalen zu Rumpfsektionen zusammengebaut und anschließend mit Elektrokabeln, Hydraulik- und Klimarohren ausgestattet.
Diese Struktur- und Ausrüstungsmontage sollte von der Airbus Operations GmbH in eine neue Aerostructure-Tochter – Arbeitstitel ASA – wechseln. Den Widerstand gegen diese Pläne haben IG Metall und Betriebsrat relativ schnell aufgegeben, auch weil der Konzern dies allein entscheiden kann. Über die Modalitäten für die vom Umbau betroffenen Mitarbeiter dürfen die Arbeitnehmervertreter aber mitbestimmen.
Befürchtet wurde vor allem, dass ein Riss durch das Hamburger Werk mit rund 14.000 Beschäftigten geht, wenn man dort zu unterschiedlichen Konditionen arbeitet. Diese Gefahr dürfte gebannt sein. Rund 4500 Mitarbeiter würden nun zwar in die neue Tochter wechseln, sagte Junge, aber „die Arbeitsbedingungen, tariflichen Bedingungen und Betriebsvereinbarungen werden alle übernommen“, das gelte für Betriebsrenten und -zugehörigkeit ebenso.
„Da ändert sich für die Kollegen gar nichts“, sagte Junge. Zudem werde es für die Airbus Operations GmbH, in der die Endmontagelinien, das Auslieferungszentrum und ein Großteil des Engineerings verbleiben, und die ASA einen Gemeinschaftsbetriebsrat geben. Das solle garantieren, dass auch zukünftig die gleichen Arbeitsbedingungen in beiden Firmen gelten.
Was gehört künftig zur ASA?
Die ASA soll zum 1. Juli 2022 starten und umfasst neben Teilen des Hamburger Werks das Airbus-Werk Stade mit rund 2000 Beschäftigten sowie die Standorte Nordenham und Bremen der 100-prozentigen Airbus-Tochter Premium Aerotec Group (PAG), die bisher die Rumpfschalen fertigt. Auch 100 PAG-Mitarbeiter auf Finkenwerder sollen in die ASA wechseln. Insgesamt umfasse die neue Tochter gut 10.000 Mitarbeiter.
Warum wird die ASA gegründet?
Durch die Bündelung werde man schlanker und flexibler, reduziere Schnittstellen und vereinfache Steuerungen, sagte André Walter, Werksleiter in Hamburg und Chef von Airbus Operations. „Die Flugzeugstruktur wird bei der nächsten Generation von Flugzeugen eine wichtige Rolle spielen“, sagte Walter. Der DAX-Konzern plant, bis 2035 ein „grünes“, mit Wasserstoff angetriebenen Flugzeug auf den Markt zu bringen. Weil der verflüssigte Wasserstoff sehr voluminös ist, zieht dies Veränderungen in der Flugzeugarchitektur nach sich.
Daher sieht das Unternehmen die Rumpffertigung wieder als Kernaktivität an. Man sei „überzeugt davon, dass wir mit dieser industriellen Neuaufstellung die Möglichkeit schaffen, den Produktionshochlauf zu realisieren und uns sehr gezielt auf den Bau emissionsfreier Flugzeuge bis 2035 vorzubereiten“, sagte Walter. „Und dabei werden sowohl die Airbus Operations GmbH als auch die ASA einen großen Anteil in Hamburg dran haben.“
Airbus: Was ist in Hamburg noch geplant?
Für das Unternehmen eminent wichtig ist der Produktionshochlauf des Verkaufsschlagers A320-Familie. Coronabedingt wurde die Produktion im April 2020 um ein Drittel auf 40 Flieger pro Monat reduziert. Nun soll sie von 45 Stück Ende 2021 auf 65 im Sommer 2023 erhöht werden – so viel wie noch nie. Rund die Hälfte der A320-Flieger wird auf Finkenwerder endmontiert. Mit Blick auf den Hochlauf werde man „in naher Zukunft massive Einstellungen vornehmen“, sagte Walter.
Etwa 1000 neue Mitarbeiter würden in der Hansestadt gesucht, an anderen Standorten käme eine „größere Hundert-Zahl“ hinzu. Dabei wurde erst im Sommer 2020 verkündet, dass wegen der Corona-Krise und des damit verbundenen Einbruchs bei Flugzeugauslieferungen Tausende Jobs gestrichen werden sollten. Im März 2021 wurde bekannt, dass 2300 Mitarbeiter das Unternehmen freiwillig mit Abfindungen verließen. Ein zu hoher Jobabbau? Im Nachhinein sei das leicht zu fragen, zum Entscheidungspunkt in der Krise habe man „sehr wohldosiert reagiert“, so Walter: „Jetzt sind wir froh, dass wir ein Stück weit nach vorn schauen und wieder einstellen können.“
Es gebe feste Zusagen für Investitionen, mit denen die Standorte weiterentwickelt werden können, sagte Junge: „Das ist eine gute Grundlage, um gemeinsam den Produktionshochlauf zu schaffen und am Flugzeug der Zukunft zu arbeiten.“ Auch Arbeitspakete für jetzige Flieger seien gesichert worden, allerdings nicht wie von der Gewerkschaft gefordert für den künftigen A320-Nachfolger.
Es gebe einen Prozess über die Beteiligung der Standorte an möglichen künftigen Flugzeugprogrammen, hieß es. Allerdings verwies Daniel Friedrich, Chef der IG Metall Küste und Verhandlungsführer der Arbeitnehmerseite, darauf, dass dieser abgeschlossene Zukunftstarifvertrag von beiden Seiten im Jahr 2025 aufgekündigt werden kann.
Was soll sich bei Airbus noch ändern?
Die Einzelteilefertigung war der große Knackpunkt in den Verhandlungen. Sie findet an den PAG-Standorten in Varel, im Werk IV in Augsburg sowie in Brasov (Rumänien) statt. Airbus möchte sie in einer weiteren Tochter bündeln und an einen Investor verkaufen – den sah die IG Metall lange nicht. Nun liege ein „überzeugendes Angebot“ der Muhr und Bender KG vor, die unter dem Markennamen Mubea aktiv ist, so Airbus.
Das Angebot beinhalte ein Konzept zur langfristigen Arbeitsplatzsicherung und ermögliche die Schaffung einer wettbewerbsfähigen deutschen Firma, deren Schlüsselkunde man bleiben wolle. Die Arbeitnehmerseite soll sich das schriftliche Angebot von Mubea in den nächsten Wochen genau anschauen und prüfen, ob ein Verkauf der Werke für die Zukunft nachhaltiger wäre.
- Airbus gibt Beschäftigungsgarantie – und sucht Mitarbeiter
- Nach Corona-Achterbahnfahrt: Warum das Fliegen teurer wird
- Airbus-Streit: Montag ist der Tag der Entscheidung
„Ohne Zustimmung der IG Metall wird es keinen Verkauf von Augsburg oder Varel geben“, sagte Friedrich. Eine Entscheidung würde mit Airbus gemeinsam getroffen. Komme kein Verkauf zustande, verbleibe die Einzelteilfertigung bei Airbus und werde Mitte 2025 in die ASA eingegliedert.
Airbus: Wer ist der Bieter Mubea?
Mubea ist ein global tätiger Automobil- und Luftfahrtzulieferer mit rund 14.000 Mitarbeitern an weltweit 48 Standorten. 2021 erzielte das inhabergeführte Familienunternehmen mit Sitz in der Hansestadt Attendorn in Nordrhein-Westfalen einen Umsatz von 2,3 Milliarden Euro. Man freue sich auf die Gespräche mit der IG Metall und den Betriebsräten, teilte das Unternehmen mit.