Hamburg. Viele Hamburger retten sich in die günstige Grundversorgung. Aber bleiben die Tarife dort niedrig? Alle wichtigen Informationen.

So wie Manfred Schreiner (Name geändert) geht es derzeit vielen Hamburgern: Sein Gasversorger hat ihm mitgeteilt, dass der Arbeitspreis von bisher rund fünf Cent je Kilowattstunde (kWh) auf etwa neun Cent steigt. Nun muss sich Schreiner entscheiden, ob er von seinem Recht auf Kündigung des Vertrages Gebrauch macht und dann in die Gas-Grundversorgung mit einem aktuellen Preis in Hamburg von 7,95 Cent pro kWh fällt oder ob er bei seinem bisherigen Versorger bleibt.

Dieser ist zwar künftig etwas teurer als die Grundversorgung, die in Hamburg durch E.on Energie geleistet wird, bietet aber eine zwölfmonatige Preisgarantie. Aktuell zahlt ein Hamburger Vier-Personen-Haushalt mit einem Gasverbrauch von 25.000 Kilowattstunden in der Grundversorgung 2158 Euro, wie aus einem Preisvergleich von Check24 hervorgeht. Der nächst günstige Anbieter verlangt nach Angaben des Onlineportals (bei einer Vertragslaufzeit von zwölf Monaten) rund 3500 Euro – das sind immerhin 62 Prozent mehr als bei E.on Energie.

Gaspreise: Auch bei E.on könnten Kosten steigen

Dagegen ist ungewiss, wann und in welchem Umfang sich die Grundversorgung verteuert. E.on gibt auf eine entsprechende Abendblatt-Anfrage jedenfalls keine klare Antwort. „Angesichts der aktuellen Marktsituation möchten und können wir zur Entwicklung der Energiepreise keine seriöse Prognose abgeben“, erklärt ein Firmensprecher lediglich. Der aktuell günstige Tarif könnte relativ kurzfristig steigen. Einzige Bedingung: E.on Energie müsste seine Kunden darüber sechs Wochen im Voraus in schriftlicher Form informieren.

Eindeutig ist nur: Die Dynamik ist tatsächlich hoch. So haben sich die Einkaufspreise der Anbieter, gemessen an den Börsennotierungen, am sogenannten Spot-Markt im vorigen Jahr in der Spitze etwa verneunfacht. Nach Angaben des Vergleichsportals Check24 ist der durchschnittliche Gaspreis in der Grundversorgung im Januar auf ein Rekordhoch gestiegen: Ein Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 kWh zahlt im bundesdeutschen Schnitt 14,9 Cent pro kWh. Gegenüber dem Vorjahresmonat habe sich die Jahresrechnung damit auf 2988 Euro verdoppelt. Von den Preiserhöhungen seien gut 3,6 Millionen Haushalte betroffen.

Vor diesem Hintergrund hier die wichtigsten Fragen und Antworten zur Gas-Grundversorgung:

Was bedeuten die Begriffe Ersatz- und Grundversorgung eigentlich?

Verbraucht jemand Gas aus dem öffentlichen Netz, ohne einen gültigen Vertrag mit einem Anbieter zu haben, tut er das im Rahmen der sogenannten Ersatzversorgung. Sie wird durch den örtlichen Gas-Grundversorger zur Verfügung gestellt. Dies ist in der Regel der dominierende Lieferant der jeweiligen Stadt oder des Landkreises – häufig die Stadtwerke. In Hamburg ist E.on Energie der Grundversorger für Erdgas, für Strom ist es aber Vattenfall.

Es gibt verschiedene Gründe, warum ein Verbraucher in die Ersatzversorgung fallen kann: Weil er – etwa nach einer Preiserhöhungsankündigung – einen Gasvertrag gekündigt hat, ohne sich gleichzeitig einen neuen Anbieter zu suchen oder weil der bisherige Versorger die Belieferung eingestellt hat. Das kann daran liegen, dass er Insolvenz anmelden musste, manche Gasanbieter haben aber auch Verträge einfach gekündigt und das mit wirtschaftlichen Zwängen begründet.

So beendeten die Energiediscounter Stromio und Gas.de Anfang Dezember die Gaslieferungen an Verbraucher, Hunderttausende von Haushalten waren betroffen. Diese rutschten in die Ersatzversorgung. Sie ist auf drei Monate begrenzt, dann folgt für Haushaltskunden automatisch die sogenannte Grundversorgung, die mit einer Frist von zwei Wochen vom Kunden kündbar ist.

Wie unterscheiden sich die Gaspreise in der Grundversorgung zu Sondertarifen?

Bisher war die Grundversorgung fast immer teurer als ein anderer Tarif (Sondertarif) – auch wenn dieser mit dem Grundversorger abgeschlossen wurde. Erst im zweiten Halbjahr 2021 hat sich das bei neuen Verträgen geändert. Wie das Portal Check24 ausweist, kostet für Gaskunden (20.000 kwh) in Hamburg die Grundversorgung durch E.on derzeit 1761,20 Euro pro Jahr (Arbeitspreis 7,95 Cent/kWh), während man für den günstigsten anderen Tarif immerhin 2427,26 Euro an ExtraEnergie zahlen muss. Hier liegt der Arbeitspreis schon bei 13,60 Cent je kWh. Immerhin gibt es dafür aber eine 24-monatige Preisgarantie.

Hamburg: Können Grundversorger den Preis ohne Weiteres erhöhen?

Laut Verbraucherzentrale dürfen Grundversorger die Preise erhöhen, wenn bestimmte Kostenfaktoren, auf die sie keinen Einfluss haben, ansteigen. Eine behördliche Genehmigung ist also nicht erforderlich. „Preiserhöhungen müssen aber sechs Wochen zuvor den Kunden schriftlich angekündigt und öffentlich bekannt gegeben werden“, sagt Jan Bornemann, Energieexperte der Verbraucherzentrale Hamburg.

Rechtsanwalt Jan Bornemann, Energieexperte der Verbraucherzentrale Hamburg.
Rechtsanwalt Jan Bornemann, Energieexperte der Verbraucherzentrale Hamburg. © Verbraucher-Zentrale Hamburg | Karin Gerdes

Dürfen Grundversorger zwischen Neu- und Bestandskunden unterscheiden?

Nach Erkenntnissen von Check24 haben 339 Grundversorger neue Grund- beziehungsweise Ersatzversorgungstarife ausschließlich für Neukunden eingeführt. Hier seien die Preise sogar um durchschnittlich 185 Prozent angehoben worden. „Wir halten eine solche Trennung nicht für zulässig“, sagt Verbraucherschützer Bornemann. Vor wenigen Tagen hat die Verbraucherzentrale NRW drei Versorger aus diesem Grund abgemahnt. Man werde mit allen juristischen Mitteln gegen die Benachteiligung von Neukunden vorgehen, hieß es.

Warum ist die Differenz zwischen dem E.on-Grund- und Sondertarif so hoch?

Neben der Grundversorgung, die für Neukunden nicht ohne Weiteres erreichbar ist, bietet E.on nur einen einzigen Gas-Tarif an. Dieser Sondertarif kostet allerdings fast das Vierfache (Arbeitspreis 31,42 Cent/kWh). „Wir als E.on Energie Deutschland beschaffen die Energie für unsere bestehenden Kunden, und somit auch für unsere Ersatz- und Grundversorgung, grundsätzlich langfristig und vorausschauend“, teilt ein Sprecher dazu mit.

„Für die Versorgung von Neukunden müssen wir die Energiemengen allerdings zu größeren Teilen nach den aktuellen Bedingungen der Märkte beschaffen“ – und diese seien „historisch einzigartig“. Bornemann hat einen Verdacht: „Es sieht ganz so aus, als ob E.on aktuell gar keine Neukunden will.“ Interessant ist auch: In der gesetzlichen Pflichtinformation zum Grundversorgungspreis beziffert E.on den Posten „Energiebeschaffung, Netz- und Messentgelte, Belieferung und Service“ mit 5,184 Cent/kWh. Es ist also möglich, Gas zu diesem Preis zu beschaffen.

Woher kommt das Erdgas?

Nur ein kleiner Teil des Gases in deutschen Netzen stammt aus inländischen Quellen. Die weitaus größte Bedeutung als Lieferant hat Russland. Im November und Dezember hat Russland aber die Liefermengen stark gedrosselt. Neben dem geringen Füllstand der deutschen Erdgas-Speicher und dem weltweiten Nachfrageanstieg wegen der kräftigen Wirtschaftserholung nach der Corona-Krise 2020 hatte dies dazu beigetragen, die Großhandelspreise auf historische Höchststände zu treiben.

Gas: Wie geht es am Markt weiter?

Nach dem Rekordhoch kurz vor Weihnachten sind die Erdgas-Börsennotierungen zuletzt wieder zurückgegangen. Das habe nicht zuletzt an den Lieferungen von Flüssiggas (LNG) per Schiff aus den USA nach Europa gelegen, sagt Kai Eckert, Chefredakteur des Energie Informationsdienstes (EID).

„Mit dem LNG ist der Gashandel globalisiert worden.“ Inzwischen aber seien die Gaspreise in Asien so stark gestiegen, dass es für die USA vorteilhafter sein könnte, das Gas dorthin zu transportieren und nicht mehr nach Europa, so Eckert. Damit fiele der entlastende Effekt der LNG-Lieferungen möglicherweise wieder weg.

Manfred Schreiner aber wird wohl dennoch abwarten und in der Grundversorgung bleiben. Er hofft darauf, dass die Gaspreise im Sommer wieder sinken.