Hamburg. Die Tourismus-Agenturen haben eine lange Durststrecke hinter sich. So wirkt sich die Verschärfung der Corona-Lage aus.

Alexandra Alexandrou sitzt vor Postern mit blauem Meer, weiß-blauen Häusern und viel Sonne. Ihr Reisebüro in Winterhude ist auf Griechenland spezialisiert, eigentlich ein beliebtes Ziel auch während der Pandemie. Doch die Stimmung hat sich zuletzt wieder eingetrübt. „Die Leute warten ab“, sagt die Inhaberin der Agentur. Sie hätten ihre Lehren aus dem vergangenen Jahr gezogen, als plötzlich wieder Flüge storniert und Hotels geschlossen wurden. „Außerdem schauen sie genau auf die Inzidenzen“, sagt die Frau mit den dunklen Locken. „Die Kunden wollen nicht gerne noch einmal negative Überraschungen erleben“, resümiert die Urlaubsexpertin.

Der Reisebranche drohen angesichts der verschärften Corona-Lage schwierige Wintermonate, schätzt auch das Analysehaus TDA. Schon in den ersten beiden Novemberwochen habe sich bei den Neubuchungen in Reisebüros und bei Onlineportalen ein Abwärtstrend gezeigt. „Der begonnene Winter wird noch einmal hart werden“, prognostiziert auch Torsten Schäfer, Pressesprecher des Deutschen Reiseverbands (DRV). Zwar stünden allmählich auch wieder Fernziele wie die USA und Thailand sowie die Dominikanische Republik, die Malediven und die Vereinigten Arabischen Emirate auf der Wunschliste vieler Globetrotter. „Doch wir werden wohl auch im Gesamtjahr 2022 noch nicht an die Umsätze aus der Zeit vor Corona herankommen“, schätzt Schäfer.

Corona Hamburg: Reisebüros stecken erneut tief in der Krise

Die Branche wird damit eine lange Durststrecke überdauern müssen, die jetzt noch einmal in der coronabedingten Absage der Tourismusmesse ITB in Berlin gipfelt. Denn bereits im ersten Jahr der Pandemie hatten die 10.000 Reisebüros und 2500 Reiseveranstalter in Deutschland starke Einbußen verkraften müssen. 2020 verzeichnete die Branche ein Umsatzminus von gut 70 Prozent gegenüber 2019. Auch große Konzerne sind inzwischen stark geschwächt und streichen ganze Bereiche – so löst Tui Deutschland seine Sparte für Geschäftsreisen zum Großteil auf.

Besonders sensibel reagieren Kunden derzeit auf negative Nachrichten aus den Urlaubsgebieten. „Veränderungen bei der Risiko-Einstufung von Ländern führen zu Stornierungen und dazu, dass die Nachfrage zurückgeht“, berichtet Momme Schröder vom Lufthansa City Center ATPI Hamburg über die Lage. Der Geschäftsführer des Reisebüros in der Altstadt beobachtet, dass die Kunden sehr schnell auf entsprechende Berichte reagierten – auch im positiven Fall, etwa als die USA Reisen wieder zugelassen haben. „Daraufhin haben wir direkt am nächsten Tag zehn Langstreckenflüge verkauft“, sagt Schröder, der neben Urlaubern auch Geschäftsreisende zu seinen Kunden zählt.

Große Bedenken wegen Virus-Variante Omikron

Durch die kürzliche Einstufung der wichtigen Reiseregionen Spanien und Portugal als Corona-Hochrisikogebiete – dazu kamen am Donnerstag Italien, Malta und Kanada – befürchtet die Branche eine zusätzliche Verunsicherung der Kunden. Zugleich betont der DRV, dass die Einstufung als Hochrisikogebiet für vollständig Geimpfte oder von Corona Genesene fast nichts verändere. Sie müssten lediglich eine digitale Einreiseanmeldung für die Rückreise ausfüllen und die entsprechenden Nachweise hochladen. Urlauber, die weder geimpft noch genesen sind, müssen dagegen nach der Rückkehr nach Deutschland zehn Tage in Quarantäne.

Zu den Verschärfungen in etlichen Ländern kommen aktuell aber auch Bedenken und Beschränkungen wegen der Virusvariante Omikron. Destinationen in Afrika, aber auch Großbritannien gehören nun zu den Virusvariantengebieten, die für Touristen wegen der Quarantänepflicht praktisch wegfallen.

Corona: Zwischen Überbrückungshilfen und Kurzarbeit

Wegen der schlechten Aussichten und schwachen Umsätze sind die Staatshilfen für die Reisebüros jetzt noch einmal verlängert worden, bis März. Für die Unternehmen ist das eine Erleichterung. „Letztlich müssen wir aber von dem leben, was wir auf die Seite gelegt haben“, sagt Alexandra Alexandrou und zuckt die Schultern. Die Kosten würden durch die Hilfen gedeckt, aber auch nicht mehr.

Momme Schröder sieht auch Risiken für die Branche, wenn die Hilfen möglicherweise im Frühjahr auslaufen. „Dann greifen die Marktmechanismen wieder“, sagt der Hamburger. Die Büros müssten für die Reisen im Sommer in Vorleistung treten. „Die Provisionen erhalten die Betriebe erst später, nicht schon bei der Buchung“, erklärt der Diplomkaufmann, der in seinem Lufthansa City Center nicht nur auf die Überbrückungshilfen setzt. Er nutzt auch die Möglichkeit der Kurzarbeit. Zwischenzeitlich sei ein Großteil seiner rund 50 Mitarbeiter zu Hause geblieben, wie es in der Branche weit verbreitet war und ist. So sind auch in den Filialen der Dertour Reisebüros (ehemals DER Reisebüro) viele Beschäftigte derzeit noch in Kurzarbeit.

„Neue Kräfte für die Branche zu begeistern, gestaltet sich schwierig“

Die Lage wirkt sich gleich in mehrfacher Hinsicht auf das Personal aus. Schon im Mai des laufenden Jahres sagten in einer Umfrage 43 Prozent der Reisebüros, sie wollten Beschäftigte entlassen oder befristete Verträge nicht verlängern.

Oft beenden aber auch die Angestellten selbst das Arbeitsverhältnis: Etliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten sich während der Pandemie anders orientiert und seien in andere Branchen gewechselt, berichtet DRV-Sprecher Schäfer. In einer aktuellen Umfrage des Verbands hätte die Hälfte der Reisebüros bestätigt, dass sie Beschäftigte verloren haben, weil sich diese entschieden hätten zu gehen. „Neue Kräfte für unsere Branche zu begeistern gestaltet sich in der aktuellen Situation äußerst schwierig“, betont Schäfer.

Wer sich eingeigelt hat, dürfte wenig Chancen haben

Einig ist sich die überwältigende Mehrzahl der vom DRV befragten Unternehmen indes bei der Frage, ob die wirtschaftlichen Hilfen der Politik bei der Existenzsicherung während der Pandemie geholfen haben. Rund 90 Prozent der Reiseveranstalter und Reisebüros stimmen dieser Aussage zu. „Die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen haben wesentlich zum Überleben der Unternehmen in der Krisenzeit beigetragen“, sagt Schäfer. Dadurch sei bisher eine Pleitewelle ausgeblieben. Nur wenige Betriebe seien in Schwierigkeiten geraten. So hat die Reisebüro-Kette Fahrenkrog mit fünf Filialen in Schleswig-Holstein im Frühjahr Insolvenz angemeldet. Dazu kamen einzelne Übernahmen. So haben etwa die „Lübecker Nachrichten“ das Eutiner Reisebüro Behrens gekauft.

Momme Schröder, dessen Lufthansa City Center ATPI aus der früheren Hamburg Süd Reiseagentur hervorgegangen ist, nennt in der Krise aber auch die Eigeninitiative der Kollegen als Voraussetzung für ein gesundes Fortbestehen der Branche: Wer sich nur eingeigelt hat, dürfte wenig Chancen haben, sagt Schröder. „Doch diejenigen, die ihre Mitarbeiter fortbilden und ihre Kunden auch mal am Sonntag per Videokonferenz beraten, werden überleben und gestärkt aus der Situation hervorgehen.“