Hamburg. Der Filialist verkauft Rosen, Tulpen und Nelken verstärkt im Lebensmittelhandel. Vorbild für das Depot-Konzept ist Tchibo.
Rot überwiegt jetzt so kurz vor Weihnachten. Amaryllis mit Tannengrün gebunden, dazu Ilex-Stiele und Eukalyptus. Mehrere Dutzend Blumensträuße sind auf dem Rollwagen drapiert, daneben stehen Blumeneimer mit Rosen, Chrysanthemen, auch schon die ersten Tulpen. Frische Blumen gibt es bei Edeka Jensen in Wedel jetzt gleich neben Orangen, Ananas und Kartoffeln. Auch Christrosen und Orchideen sind im Angebot, und natürlich Weihnachtssterne. Alles zur Selbstbedienung.
Die Regalwand im Eingangsbereich des Supermarkts ist fast schon ein kleiner Blumenladen und eines der ersten Depots, mit denen Deutschlands größte Floristenkette Blume 2000 in den Lebensmitteleinzelhandel drängt. „Das Schnittblumensortiment in Supermärkten wird meistens sehr stiefmütterlich behandelt“, sagt Geschäftsführer Michael Hartges. „Wir haben überlegt, wie wir ein emotionaleres, besseres Angebot machen und ein Einkaufserlebnis für die Kunden schaffen können.“
Blume 2000: Blumen-Depots in Supermärkten eröffnet
Das Vorbild für den neuen Vertriebsweg stammt vom Kaffeeröster Tchibo, wie Blume 2000 ebenfalls im Besitz der Hamburger Unternehmerfamilie Herz. Gut möglich, dass Michael Herz selbst die eine oder andere Anregung beigesteuert hat. Neben den eigenen Filialen betreibt der Konzern 19.000 sogenannte Depots mit Kaffee und zum Teil auch mit einem wechselnden Wochensortiment an Non-Food-Artikeln in Lebensmittel-, Drogerie- und Verbrauchermärkten.
Im Vergleich dazu ist das neue Standbein von Blume 2000 noch ein zartes Pflänzchen. Derzeit hat der Blumenhändler 20 Depots eingerichtet, größtenteils im Süden Deutschlands. In der Metropolregion Hamburg gibt in derzeit drei Standorte in Wedel, Elmshorn und Norderstedt. „Nach einer längeren Testphase fangen wir jetzt an, das Konzept auszurollen“, sagt Blume-2000-Chef Hartges. Bis Ende 2022 soll es bundesweit 50 Blumen-Depots der Kette geben. Auf längere Zeit sieht er Potenzial für 750 Depots. „Auch in Hamburg suchen wir gerade Kooperationspartner.“
Alle zwei Tage frische Blumen im Supermarkt
Bislang wird das Geschäft mit den Blumen in Supermärkten oftmals von niederländischen Konzessionären oder über die Lager der großen Lebensmittelketten betrieben. Das Angebot ist oftmals klein, und fast ausschließlich im untersten Preissegment angesiedelt. Hier setzt Blume 2000 an. „Wir liefern alle zwei Tage frische Ware“, sagt Marcel Luetjens, der bei dem Filialisten für den Einkauf der Schnittblumen zuständig ist. Dabei übernimmt Blume 2000 den Umbau im Laden, Mitarbeiterschulung und gewährt einen Grundrabatt auf Blumen und Pflanzen. Für Pflege und Verkauf sind die Kaufleute selbst zuständig.
Die Verkaufspreise für einen Strauß können schon mal bis auf 20 Euro steigen. Umsetzbar sei das Konzept in Märkten von einer Größe von 2000 Quadratmetern und einem Jahresumsatz von mindestens zehn bis zwölf Millionen Euro an, sagt Geschäftsführer Hartges. „Die Umsatzgröße ist wichtig, weil die Logistikkosten für frische Blumen sehr hoch sind“, so der 57-Jährige, der seit 2012 in der Geschäftsführung von Blume 2000 am Firmensitz in Norderstedt ist. „Dort, wo wir mit unseren Depots hinkommen, können wir vom Start weg den Umsatz mit frischen Blumen mindestens verdoppeln bis vervierfachen.“
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Blume 2000: 35 neue Filialen in den letzten beiden Jahren eröffnet
Für Blume 2000 sieht Michael Hartges das neue Konzept als Ergänzung zum Geschäft in den 230 Filialen und zum wachsenden Onlinehandel. Das von dem Hamburger Blumenhändler Helmut Jürs gegründete Unternehmen, das 1974 den ersten Selbstbedienungs-Blumenladen in Hamburg-Altona eröffnet hatte und 1989 von der Familie Herz übernommen worden war, arbeitet seit einigen Jahren daran, das Discounter-Image abzulegen und sich moderner und nachhaltiger zu präsentieren. Fast alle Niederlassungen wurden umgestaltet. Neben fertigen Gebinden gibt es überall das Angebot, sich Sträuße von Fachpersonal binden zu lassen.
Trotz Umsatzrückgängen in den Filialen von zehn bis 15 Prozent während des Corona-Lockdowns im Vergleich zu 2019 hat das Unternehmen mit etwa 2000 Beschäftigten, dessen Jahresumsatz auf etwa 200 Millionen Euro taxiert wird, in den letzten beiden Jahren 35 neue Filialen vor allem im Nordrhein-Westfalen und in der Region Stuttgart eröffnet. Für 2022 stehen mindestens 15 weitere neue Läden auf der Agenda. Parallel ist der Verkauf im Onlineshop deutlich gestiegen. „Seit Beginn der Corona-Pandemie ist die Nachfrage explodiert“, sagt Marcel Luetjens.
„Blumenhändler in der Nähe von Supermärkten werden unter Druck geraten“
Inzwischen beträgt der Anteil der über das Internet verkauften Blumen etwa ein Viertel. Aktuell laufen die Vorbereitungen für ein überarbeitetes, neues Onlineportal, das Anfang des Jahres freigeschaltet werden soll. Die Corona-Pandemie hat dem Markt für Blumen und Zierpflanzen ein deutliches Wachstum von zehn Prozent auf zehn Milliarden Euro im Vergleich zu 2020 beschert. Die Menschen sind mehr zu Hause und wollen es sich dort schön machen. Nach Angaben der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft AMI gibt jeder Bundesbürger in diesem Jahr für Schnittblumen durchschnittlich 44 Euro aus – vorher waren es 37 Euro.
„Die Kunden kaufen schon länger Sträuße im Supermarkt und im Discounter. Das hat sich durch Corona noch verstärkt“, sagt AMI-Branchenexpertin Britta Tröster. Inzwischen deckten sie nur noch 15 Prozent ihres Bedarfs an Schnittblumen im Blumenfachgeschäft. Ein weitere Veränderung: Wurden früher nur Blumensträuße im unteren Preissegment im Lebensmittelhandel gekauft, sind die Kunden inzwischen bereit, dort zehn Euro und mehr für einen Strauß auszugeben.
Michael Kaiser, Hamburger Landesgruppen-Chef beim Fachverband Deutscher Floristen, befürchtet, dass mit den neuen Blume-2000-Depots der Verdrängungswettbewerb im Blumenfachhandel weiter zunimmt. „Das trifft nicht so sehr die inhabergeführten Handwerksbetriebe“, glaubt der Chef von Blumen Kaiser in Hausbruch, „aber Blumenhändler, die Läden in der Nähe von Supermärkten betreiben, werden unter Druck geraten.“
Blumen direkt beim Wocheneinkauf mitnehmen
Dass das Interesse da ist, zeigt sich im gerade neu eröffneten Edeka-Markt Jensen in Wedel. Immer wieder bleiben Kunden vor den Regalen unter dem Blume-2000-Schild stehen, legen einen weihnachtlichen Strauß oder einen Blumentopf in den Einkaufswagen. „Das ist absolut eine Option, weil man nicht noch extra in einen Blumenladen fahren muss“, sagt Monika Plohmann, die mit Ehemann Wolfgang den Wocheneinkauf macht.
Auch die Wedelerin hat sich schon etwas gesucht. Für Edeka-Kaufmann Lennart Jensen, der als einer der Ersten im Norden seit gut zwei Wochen ein Blumen-Depot anbietet, geht das Konzept auf. „Die Qualität der Waren, aber auch der Ladenbau und die Präsentation gefallen uns sehr gut. Das ist ein Angebot, das wir so vorher nicht hatten“, sagt der Geschäftsführer, der das Unternehmen mit neun Märkten in Schleswig-Holstein mit seinem Vater und seinem Onkel betreibt. Aktuell werde geprüft, ob das Modell auch in die anderen Märkte passt. „Es sieht nicht nur gut aus, sondern riecht auch noch richtig gut.“