Hamburg. Corona hat die Reiselust der Deutschen drastisch verändert. Viele Trends werden bleiben – fünf spannende Wahrheiten zum Urlaub 2022.
Auch wenn aktuell wegen der neuen Corona-Variante in Südafrika viele Urlaubshungrige verunsichert sind, ob sie nun schon ihren Urlaub für das nächste Jahr buchen sollen, bleibt die Sehnsucht der Deutschen nach Reisen groß. Das Abendblatt hat fünf spannende Wahrheiten rund um den Urlaub zusammengestellt, welche die Vermutung nahelegen, dass sich durch Corona das Reiseverhalten der Bundesbürger auch langfristig verändern wird.
Lange Zeit waren Mittelmeerdestinationen wie Mallorca für viele Deutsche die großen Sehnsuchtsziele. Doch inzwischen, auch wenn die Sonne hier nicht so zuverlässig scheint wie in Spanien, holt der Norden auf. Natürlich hat Corona die Menschen wegen geschlossener Grenzen gezwungen, nach einem geeigneten Ferienort hierzulande zu schauen. Doch Gemeinden an der Nordsee und Ostsee, wie St. Peter-Ording oder Grömitz, boomen nicht erst seit der Pandemie.
Urlaub: Nordsee und Ostsee sind auf dem Weg zum neuen Mallorca
Seit 1995 hat sich die Zahl der Gäste in Schleswig-Holstein verdoppelt, auf 4,6 Millionen im Jahr 2019. „Und der Trend zum Kurzurlaub und Urlaub in der Heimat hält an“, ist Guido Zöllick, Präsident des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga, überzeugt. Viele Menschen hätten Deutschland als Reiseland neu entdeckt. Einer aktuellen Prognose nach wird es 2030 etwa auf Usedom 1,2 Millionen mehr Übernachtungen geben.
Triebfeder der Entwicklung sind auch neue Hotels, die den Norden mit Wellnessangeboten wetterfest machen. Die Arosa Resorts in Travemünde und auf Sylt, aber auch das Bayside in Scharbeutz haben sich zu Ganzjahresunterkünften entwickelt. In den Urlaubsorten schimpfen die Einheimischen bereits über die vielen Touristen, ähnlich wie auf Mallorca, doch hier protestieren sie nicht gegen Ballermann-Gelage, sondern wollen Hotelneubauten wie auf Fehmarn verhindern oder Attraktionen wie einen Kletterturm in Pelzerhaken.
Urlaub war früher deutlich teurer
Wie beliebt die Badeorte im Norden gerade bei gestressten Großstädtern etwa aus Hamburg sind, zeigen auch die Immobilienpreise: War vor zehn Jahren eine kleine Ferienwohnung in Timmendorfer Strand noch für etwa 80.000 Euro zu bekommen, wird im „Nizza des Nordens“ dafür heute schnell das Dreifache verlangt. Dagegen ist ein Domizil auf Mallorca schon für unter 100.000 Euro zu haben, wenn auch meist ohne Heizung, aber, wie gesagt, das Klima bleibt dort ja wärmer.
Mitte der 1950er-Jahre kostete eine Woche Mallorca als Pauschalreise schnell 400 Mark (204 Euro). Es ging mit mehreren Zwischenstopps auf die Baleareninsel, weil die Flieger damals noch nicht so lange Strecken schafften. Was für heutige Verhältnisse günstig klingt, war für damalige Zeiten teuer: Denn das durchschnittliche Monatseinkommen lag nach dem Zweiten Weltkrieg kaum über 200 Mark (102 Euro). Auch heute geben die Deutschen viel Geld für den Urlaub aus.
Airbnb macht sich auf dem Land breit
Doch sie haben wegen der höheren Einkommen einen viel größeren finanziellen Spielraum, um Geld zur Seite zu legen. Die Sparquote war früher deutlich geringer, sagt Hasso Spode vom Historischen Archiv zum Tourismus in Berlin. Sie lag 1950 bei knapp über drei Prozent des verfügbaren Einkommens, zehn Jahre später war sie bereits auf mehr als zehn Prozent gestiegen. Zu Beginn des Jahres 2021 ist sie – bedingt durch die Pandemie – sogar auf mehr als 20 Prozent hochgeschnellt. Es gibt also hohe finanzielle Rücklagen für neue Urlaubsreisen.
Nach Angaben des Buchungsportals Airbnb zieht es die Deutschen verstärkt ins Grüne: So hat sich der Anteil der Buchungen in ländlichen Regionen in Deutschland auf der Internetplattform zwischen Januar und September 2021 gegenüber 2018 nahezu verdoppelt: Buchten zuletzt 37 Prozent der Gäste in Dörfern, meist im Schwarzwald, in der Bodensee-Region, an Nord- und Ostsee, im Allgäu und in Rheinhessen, waren es 2018 nur 21 Prozent. Corona führt offenbar dazu, dass immer mehr Menschen jenseits der üblichen Hotspots reisen: In Deutschland entfielen im Herbst 2019 noch 28 Prozent aller Reisen auf Berlin, Hamburg und München. 2021 waren es lediglich 18 Prozent.
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Neue Lust an Naturerlebnissen wie Wandern und Radfahren
Auch das Deutsche Wirtschaftswissenschaftliche Institut für Fremdenverkehr (DWIF) an der Universität München hat die nachfragestarken Gebiete im ländlichen Raum ausgemacht: Demnach gehören zu den Gewinnerdestinationen im Sommer 2021 die Ostsee in Schleswig-Holstein, die Holsteinische Schweiz, Westmecklenburg, die Prignitz und das Fränkische Seenland.
Unter den Regionen mit den größten Einbußen gegenüber der Zeit vor der Pandemie finden sich die Ahr (bedingt durch die Flutkatastrophe) sowie Düsseldorf, Main und Taunus (mit Frankfurt/Main), Köln und der Rhein-Erft-Kreis und auch München wieder (minus 45 Prozent bis minus 55 Prozent), allesamt auch geprägt von hohen Anteilen an Geschäftsreisenden. Viele Menschen haben während der Pandemie zugleich Naturerlebnisse für sich entdeckt, etwa Wandern und Radfahren, immer mehr kaufen E-Bikes. Urlaub im Grünen dürfte ein Trend bleiben – auch nach Corona.
Hotels in Hamburg: Deutlich mehr Betten, aber immer teurer
In Hamburg müssen Touristen heute für Unterkunft und Restaurantbesuche tief in die Tasche greifen. Von 2015 bis Oktober 2021 haben sich die Preise in Hotels und Restaurants in der Stadt um rund 25 Prozent erhöht, hat das Statistische Landesamt für das Abendblatt ausgerechnet. Überraschend: Allein seit September 2020 bis heute legten die Preise um fast zehn Prozent zu.
Derweil zieht es immer mehr internationales Publikum in die Hansestadt. Während Hamburg vor 50 Jahren nur 530.000 Gäste aus dem Ausland zählte, waren es 2019 vor der Pandemie schon mehr als 1,6 Millionen. Zugleich ist das Angebot an Betten drastisch gestiegen: Von gut 16.000 im Jahr 1971 auf derzeit mehr als 72.000. Neue, luxuriöse Hotels wie das Westin in der Elbphilharmonie oder das Fontenay von Milliardär Klaus-Michael Kühne sollen Urlaub an Alster und Elbe besonders attraktiv machen.
Immer mehr Passagiere am Hamburger Flughafen
Im Vergleich zur Hauptstadt Berlin ist Hamburg bei den internationalen Gästen allerdings weniger beliebt: Während 2019 in Berlin 39 Prozent der Übernachtungsgäste aus dem Ausland kamen, waren es in Hamburg lediglich 20 Prozent. Zwar ziehen im Norden Musicals und der Hafen Besucher an, aber eine ehemals geteilte Metropole mit den Kontrasten zwischen Ost und West sowie den Regierungssitz hat Hamburg eben nicht zu bieten.
Während 1970 nur 3,14 Millionen Fluggäste am Hamburger Airport starteten, hat sich deren Zahl bis 2019 stetig auf 17,3 Millionen erhöht. Nun hat die Corona-Pandemie das Gästeaufkommen in Fuhlsbüttel 2020 wieder auf – vorübergehend – 4,56 Millionen einbrechen lassen. Überraschend ist, dass es einen Rückgang bei den Flügen gibt, auch unabhängig von der Pandemie: Der Höhepunkt lag in Hamburg im Jahr 2000 bei 164.000 Flügen, doch 2019 erreichte deren Zahl nur noch 155.000. Der Grund: Die Maschinen sind größer geworden und werden viel besser ausgelastet.
Flugreisen: Deutsche kompensieren CO2-Ausstoß nur selten
Schaut man auf die hohen Passagierzahlen vor Corona, so scheint die Diskussion um den Klimaschutz, die nicht erst seit den Fridays-for-Future-Demos erbittert geführt wird, beim Reiseverhalten kaum eine Rolle zu spielen. Das zeigt sich auch am Boom der Kreuzfahrten vor der Pandemie. Und wohl jeder aufgeklärte Bürger weiß, dass der Luftverkehr in Sachen Kohlendioxid schädlicher ist als andere Verkehrsmittel, wie etwa die Bahn.
Zwar war die Empörung groß, als jetzt auf der UN-Konferenz in Glasgow, bei der es darum ging, den Klimawandel aufzuhalten, Dutzende Teilnehmer (unter anderem Amazon-Gründer Jeff Bezos und Prinz Charles) mit Privatjets nach Schottland flogen. Doch Fakt ist, dass auch die Deutschen als Reiseweltmeister wenig nachhaltig handeln: Das Angebot der Fluggesellschaften an Kunden, den Kohlendioxid-Ausstoß ihrer Reise zu kompensieren, trifft bisher nur auf ein verhaltenes Interesse. „Compensaid“, die entsprechende Plattform der Lufthansa-Gruppe, nutzen weniger als ein Prozent aller Gäste